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Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

Aus dem Heft

In einigen Regionen wird es eng

Lesezeit: 9 Minuten

Die neue Düngeverordnung lässt die Nährstoffüberschüsse in den viehdichten Regionen explodieren. Was bedeutet das für die Tierhalter?


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Für viele Tierhalter in Nordwestdeutschland, im Allgäu und in Südostbayern könnte es in den kommenden Jahren sehr schwierig werden, wenn die neue Düngeverordnung so oder so ähnlich kommt, wie sie die Bundesregierung gegenwärtig plant. Die Universität Hohenheim hat ausgerechnet, dass unter Berücksichtigung der Gärreste pflanzlicher Herkunft 6,6 % der Gemeinden in Deutschland rechnerisch einen N-Anfall von über 170 kg N pro ha LF haben. Bei ausschließlicher Berücksichtigung des N-Anfalls tierischer Herkunft sind es nur rund ca. 1,9 % der Gemeinden.


Am stärksten betroffen sind Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Bezogen auf die Grenze von 170 kg N/ha LF fehlen in diesen vier Bundesländern rechnerisch knapp 240 000 ha, um die überschüssigen N-Mengen zu verwerten, in ganz Deutschland etwa 300 000 ha (Übersicht 1). Ohne Einbeziehung der Gärreste pflanzlicher Herkunft sind es nach den Berechnungen der Universität Hohenheim nur gut 82 000 ha. Das heißt, die neue Düngeverordnung wird den zusätzlichen Flächenbedarf für eine ordnungsgemäße Nährstoffverteilung etwa vervierfachen.


Das ist allerdings nur eine rechnerische Durchschnittsbetrachtung. Auch in den betroffenen Gebieten wird auf einem Teil der Flächen vermutlich weniger als 170 kg N/ha LF ausgebracht. Hinzu kommen die strengeren Vorgaben für die P-Düngung, sodass der tatsächliche Flächenbedarf noch deutlich oberhalb von 300 000 ha liegen dürfte.


Derogation entlastet:

Die genannte Flächendimension zeigt, wie wichtig die geplante Ausnahmeregelung für Grünland und Biogas für die betroffenen Betriebe ist. Die Universität Hohenheim hat ermittelt, dass sich die regionalen Nährstoffüberschüsse und damit der zusätzliche Flächenbedarf etwa halbieren würden, wenn die Betriebe bei 50 % der Grünlandflächen und bei 100 % der Substratanbauflächen die Ausnahmeregelung nutzen und deutlich mehr als 170 kg N/ha LF ausbringen könnten.


Dabei würde die Derogationsregelung für Biogas die größten Entlastungs-effekte bringen. Das liegt vor ­allem da-ran, dass es in den problema­tischen Nährstoffüberschussregionen Nordwestdeutschlands relativ wenig Grünland gibt. Diese Regelung gilt nur, wenn die angebauten Ackerkulturen einen entsprechend hohen Nährstoffbedarf besitzen. Dies könnte in Einzelfällen schwer nachweisbar sein. Deshalb wird sich eine Breitenwirkung der möglichen Derogation für Biogas v.a. in Ackerbauregionen nicht unbedingt einstellen, da meist weitere Flächen zum Ausgleich von Überschüssen zur Verfügung stehen.


Aber selbst unter Nutzung der Ausnahmeregelung wird es für viele Betriebe in den Veredlungsregionen eng, weil ihnen noch immer ­Flächen fehlen. Sie werden deshalb bestrebt sein, weitere Fläche hinzuzupachten oder den Wirtschaftsdünger überbetrieblich zu verwerten. Welcher Weg für sie vorzüglich ist, hängt dann letztlich von den Flächenkosten (Pacht bzw. Kauf) bzw. von den Verbringungskosten ab.


Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die verschärfte Düngeverordnung sowohl die Pacht- als auch die Kaufpreise weiter nach oben treiben wird. Um nicht den Viehbestand abstocken oder die Biogasproduktion drosseln zu müssen, werden viele Betriebe alternativ auch bereit sein, höhere Verbringungskosten für den Export überschüssiger Nährstoffe zu zahlen.


Pachtpreise steigen:

Die Universität Hohenheim geht davon aus, dass bei einem Anstieg der Verbringungskosten von 2 €/m3 Gülle oder Gärrest auch die Pachtzahlungsbereitschaft um ca. 75 € pro Hektar steigt. Ein Anstieg von 4 €/m3 bei den Verbringungskosten würde dann schon 150 €/ha mehr bei den Pachtpreisen bedeuten usw.


Bei den Berechnungen wurde mit einem innerbetrieblichen Wirtschaftsdüngerwert von 6 €/m3 und eige-nen Ausbringungskosten von 3 €/m3 kal­kuliert.


Ob die Betriebe diese zusätzlichen „Entsorgungskosten“ stemmen können, hängt von der Ertragskraft der jeweiligen Produktionszweige ab. Zumindest auf die Schweinehalter dürften bei den gegenwärtigen Erlösen große Probleme zukommen.


Sie sind von der geplanten Düngeverordnung in dreifacher Hinsicht getroffen. Erstens hat Schweinegülle höhere Nährstoffgehalte als Rindergülle. Zweitens müssen Schweinehalter künftig nach Abzug der Stall-, Lager- und Ausbringungsverluste mindestens 70 % (statt bisher 60 %) der Nährstoffe anrechnen.


Und drittens dürfen sie ab 2018 nur noch 75 % und ab 2020 nur noch 50 % des P-Entzugs düngen, wenn ihre Böden in den Versorgungsstufen D und E liegen, was in vielen Betrieben der Fall ist. Dies alles wird den Nährstoff- und Flächendruck in den Regionen mit hoher Schweinedichte zusätzlich erhöhen.


Für die Rinderhalter wird vor allem die geplante Anhebung der N-Anrechnung von 25 % auf 60 % bei der Weidehaltung ein Problem. Die Weidehaltung von Milchkühen spielt insbesondere in den Bundesländern eine größere Rolle, in denen es bereits jetzt regional hohe Nährstoffüberschüsse gibt.


So haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Nordrhein-Westfalen 82 % der Milchkühe täglich Weidegang, in Schleswig-Holstein sind es 77 % und in Niedersachsen immerhin noch 68 %.


Unterm Strich wird die neue Düngeverordnung für viele tierhaltende Betriebe und Biogasanlagenbetreiber zu höheren Kosten für die Nährstoffentsorgung führen. Betriebe, die ohnehin überlegen, in den kommenden Jahren die Produktion aufzugeben, werden diese Entscheidung dann möglicherweise früher treffen als ursprünglich geplant. Das gilt vor allem dann, wenn mit der neuen Düngeverordnung zusätzliche Kosten auf sie zukommen und die Rentabilität der Produktion sinkt. Es ist daher zu erwarten, dass die Neuregelung der Düngeverordnung den Strukturwandel in der Tierhaltung weiter verschärfen wird.


Wie reagieren?

Die Fläche wird in den viehintensiven Regionen auch in Zukunft der alles begrenzende Faktor bleiben. Allen betroffenen Landwirten wird es nicht gelingen, zusätzliche Flächen zu ergattern. Sie werden sich daher nach Alternativen umschauen müssen, wie sie ihre Nährstoffüberschüsse in Zukunft möglichst kosteneffizient verringern können. Grundsätzlich gibt es dafür fünf Ansatzpunkte:


  • Nährstoffe im Wirtschaftsdünger durch eine N- und P-optimierte Fütterung reduzieren.
  • Nährstoffverluste bei der Ausbringung von Wirtschaftsdünger vermeiden und damit Mineraldünger einsparen.
  • Überschüssige Nährstoffe in Zuschussgebiete exportieren.
  • Die Transportwürdigkeit flüssiger Wirtschaftsdünger durch die Gülle-/Gärrest-Separierung erhöhen.
  • Die Produktion auf Verfahren konzentrieren, die bezogen auf den Wirtschaftsdüngeranfall die höchste Wertschöpfung liefern.


Die N- und P-optimierte Fütterung kann sowohl in der Schweine- als auch in der Rinderhaltung zu einer effizienteren Futterausnutzung führen und somit die Nährstoffbilanz des einzelnen Betriebes entlasten. Dazu müssen die Tiere so gefüttert werden, dass Bedarf und Angebot optimal aufeinander abgestimmt sind. Dies lässt sich z. B. durch eine konsequente Phasenfütterung bzw. den Einsatz von synthetischen Aminosäuren erreichen.


Eine solche Fütterung kann aber zu einem höheren personellen und finanziellen Aufwand führen. Zudem kommt sie an Grenzen, wenn die Tiere ernährungsphysiologisch nicht mehr optimal versorgt werden.


Ergänzend dazu können die Betriebe versuchen, die Wirtschaftsdünger noch effizienter auszubringen. Wer die Nährstoffe aus der Gülle optimal nutzt, kann ggf. auf den Zukauf von Mineraldünger verzichten. Für viele Betriebe lohnt es sich aber betriebswirtschaftlich nicht, dafür in die entsprechende Ausbringungstechnik zu investieren. Sie werden deshalb auf spezialisierte Lohnunternehmen oder Maschinenringe zurückgreifen müssen. Diese Tendenz ist in der Praxis in den vergangenen Jahren bereits verstärkt zu beobachten.


Nährstoffe exportieren:

Ob sich der Export von Nährstoffen in Zuschussregionen lohnt, hängt maßgeblich von der Transportwürdigkeit des Wirtschaftsdüngers ab. Fakt ist, dass es in vielen Ackerbauregionen negative Nährstoff­salden gibt, die derzeit durch mineralische Düngung ausgeglichen werden. Daraus könnte sich ggf. eine Win-win-Situation ergeben.


Vielversprechend erscheint es, überschüssigen Wirtschaftsdünger aus den viehintensiven Gebieten in die Ackerbauregionen zu transportieren und sie dort vor der Ausbringung zunächst über eine Biogasanlage energetisch zu „veredeln“. Das erhöht die Wertigkeit des Wirtschaftsdüngers und entschärft damit das Transportkostenproblem.


Potenzial für eine solche Strategie gibt es durchaus. In den Ackerbauregionen gibt es einige Biogasanlagen, die bislang nur nachwachsende Rohstoffe als Gärsubstrate einsetzen. Andere Anlagen könnten den bisherigen Gülleanteil beim Substratmix noch erhöhen. Für die Biogasbetriebe in den Ackerbauregionen kann das durchaus interessant sein. Der Düngewert des mit Gülle aufgewerteten Gärsubstrates ist höher. Bei Biogasanlagen, die noch unter dem EEG 2009 errichtet worden sind, lässt sich ggf. ein zusätzlicher Güllebonus aktivieren.


Ob sich das letztlich rechnet, hängt von der Transportentfernung, von der Aufbereitung der Gülle (roh, eingedickt, separiert) und von der Möglichkeit der Rückfracht ab. Grundsätzlich gilt: Je länger der Transportweg ist, desto geringer sollte der Wasseranteil des Transportgutes sein (siehe top agrar 4/2014, Seite 54). Der überregionale Wirtschaftsdünger-Transport funktioniert aber nur, wenn der Biogasanlagenbetreiber in der Ackerbauregion auch bereit ist, die Gülle aufzunehmen.


Die Universität Göttingen hat dazu 2014 eine Online-Umfrage durchgeführt. Danach halten 82 % der 110 teilnehmenden Anlagenbetreiber den Einsatz von Güllefeststoffen in Biogasanlagen grundsätzlich für sinnvoll, aber nur 18 % planten zum Zeitpunkt der Umfrage, dies auch konkret umzusetzen (Übersicht 2). Viele haben sich mit dem Gedanken offenbar noch gar nicht ernsthaft befasst.


Akzeptanz fördern:

Wenn die überregionale Gülleverbringung weiter zulegen soll, muss demnach noch viel Beratungsarbeit geleistet werden. Außerdem müssten ggf. vorliegende rechtliche Hürden, z. B. für den Bau von Güllelagerbehältern in Ackerbaubetrieben, schnellstens beseitigt werden.


In jedem Fall erscheint es lohnenswert, das Konzept des überregionalen Nährstoffausgleichs weiterzuverfolgen. Vorliegende Analysen zeigen, dass die Kaskadennutzung von Wirtschaftsdüngern zunächst in Biogasanlagen in den Ackerbauregionen in Verbindung mit der anschließenden Ausbringung der Gärreste positive Umweltwirkungen hat.


Zum Beispiel werden weniger klimarelevante Gase emittiert, weil vor allem die Gülle verlustärmer gelagert wird und energieaufwendig herzustellende mineralische Dünger durch Gärreste ersetzt werden können. Die mit dem Transport verbundenen Emissionen fallen demgegenüber selbst bei größeren Transportentfernungen nicht entscheidend ins Gewicht.


Produktion anpassen:

Für einzelne tierhaltende Betriebe kann es auch sinnvoll sein, die Produktionsausrichtung zu verändern und auf Verfahren zu setzen, die im Verhältnis zur Produktion von Wirtschaftsdünger die höchste Wertschöpfung erbringen.


Schweinehalter im geschlossenen System könnten sich z. B. auf die Ferkel­erzeugung spezialisieren. Diese Entwicklung war in den Niederlanden und Dänemark zu beobachten, als dort vor einigen Jahren die Auflagen für den Einsatz von Wirtschaftsdünger verschärft wurden. Milchviehhalter könnten die Färsenaufzucht auslagern und an Kooperationspartner außerhalb der viehdichten Regionen vergeben. Erste Beispiele für solche Modelle gibt es auch bereits in Deutschland.-sp-

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