…so auch meinem Anfang als junger Milchbauer. Schöne Geschichten erzählten die Alten von den Anfängen der Milchwirtschaft in unserer Gemeinde, in unserem Landkreis, als noch der örtliche Fuhrunternehmer mit dem Lastwagen auf offener Pritsche die Milchkannen von den „Millibankerln“ genannten Sammelstellen abholte und man sich auch dort auf einen Ratsch gerne traf. Seit über 80 Jahren nun gehört unsere nahe Molkerei zu einem immer größer gewordenen internationalen Konzern und genauso wie die Molkereistruktur, so hat sich auch sonst vieles rund ums Melken und die Milchvermarktung mehr oder weniger stark verändert.
Noch darf ich Milchbauer sein und bin es gerne. So war mir vor vier Tagen erst das schöne Berlin eine Reise wert, um am sog. „Symposium“ des deutschen Milchviehhalterverbandes teilzunehmen. Ich wollte hören, was es Neues gibt rund ums einstmals weiße Gold.
Zur Einstimmung, Auflockerung und Motivation stand ein gelernter Landwirt und „Mentalist“ auf der Bühne. Ein Mentalist ist so was wie ein Zauberer. Jemand, der mit seinem Geist Menschen und Dinge beeinflusst. Und so zauberte dieser Kollege der Scholle allerhand interessante Sichtweisen auf den gelegentlich eintönigen Alltag auf den Höfen ans Licht. Er stellte sich vor als professioneller Querdenker und so empfahl er uns Zuhörern, auch öfter mal und auf jede erdenkliche Art und Weise Dinge und Abläufe zu hinterfragen und zu verändern. Das würde uns voranbringen.
Ich finde es meistens am Schönsten so, wie es ist und verändere mich deshalb nur widerwillig. Daher bin ich immer sehr skeptisch, wenn ich so was höre. Was soll groß besser werden, wenn ich mich verändere? Und überhaupt Zauberei! Ist das nicht alles Schwindel und Betrug? So dachte ich bis vor vier Tagen. Ich habe mich gründlich geirrt.
Heute bekamen wir eine eilige E-Mail von unserer Molkerei: Unser Werk wird in einem Jahr dicht gemacht. Nach so langer Zeit aus und vorbei. Jetzt verändert sich ja doch was. Alle Achtung: das hätte ich dem Mentalisten nicht zugetraut. Hoffentlich wohnt dem Ende jetzt auch ein Zauber inne.
Herzlichst Ihr Hans Neumayer