Die PR-Agentur Cyrano hat Erfahrung mit Krisenkommunikation in der Lebensmittelbranche. Oft stehen Emotionen gegen Fakten.
In den vergangenen Wochen gingen einmal mehr Skandalvideos aus Ställen durch die Medien. Warum wirken diese Bilder so stark auf die Zuschauer?
Springensguth: Weil die Menschen, von der landwirtschaftlichen Realität entfremdet sind. Sie kennen die Tierhaltung nur aus Bilderbüchern oder von Skandalbildern. Die Medien inszenieren diese so, dass sie beim Zuschauer negative Emotionen wecken. Verstärkt wird dies durch einen Trend in unserer Gesellschaft: Menschen bewerten vieles nicht mehr sachlich, sondern nach ethisch-moralischem Empfinden. Dagegen ist schwer anzukommen. Wer von einem Gericht verurteilt wird, kann in Berufung gehen. Bei einer moralischen Hexenjagd, z.B. im Internet, geht das nicht.
Wie sollte ein Landwirt reagieren, wenn Bilder aus seinem Stall publik werden?
Springensguth: Wer keine Rechtsverstöße zu verbergen hat, sollte die Stalltüren öffnen und zugeben: „Meine Tierhaltung sieht wirklich so aus.“ Dann kann sich eine sachliche Diskussion über Spaltenböden oder kupierte Schwänze ergeben. Allerdings kann sich ein Landwirt nicht alleine gegen die Medien durchsetzen. Er braucht dabei die Unterstützung eines Berufsverbandes.
Wie kann ein Verband den Landwirt unterstützen?
Springensguth: Gegen emotionale Bilder kommt man am besten mit emotionalen Bildern an. Diese muss ein Verband dort platzieren, wo auch die Tierrechtler ihre Botschaft platzieren. Dazu gehören z.B. soziale Medien und Talkshows. Stellen Sie sich vor, Frau Röring schildert bei Markus Lanz, wie sie und ihre Kinder nachts über den Hof laufen und Angst haben, auf Stalleinbrecher zu treffen. Das würde die jüngste Kampagne sofort in ein anderes Licht rücken. Zudem sollte der Verband die Schwachpunkte der Tierrechtsorganisationen klar benennen: Sie lassen oft Transparenz bei ihren Finanzen vermissen und nehmen Rechtsverstöße bei ihren nächtlichen Aktionen billigend in Kauf. Darauf sollte man sie festnageln. Das schwächt ihren Status als moralische Instanz.
Kann ein professioneller Umgang mit Skandalvideos das Image der Landwirtschaft verbessern?
Springensguth: Nicht allein. Eine Branche muss sich stets selbst überdenken und ein Leitbild für die Zukunft entwickeln, und zwar zusammen mit dem Verbraucher. Man sollte den Dialog mit der Gesellschaft suchen und zum Beispiel offen fragen: Ist es sinnvoll, weiterhin so günstiges Fleisch zu fordern? Nur dann können die Landwirte den Verbraucher in die Verantwortung nehmen, anstatt sich ständig in die Täterrolle drängen zu lassen.
Marie-Luise Klausmeyer, Claus Mayer. Eine Langfassung des Interviews finden Sie unter www.topagrar.com/heft+.