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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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Mehr Rückenwind für Getreide und Raps?

Lesezeit: 8 Minuten

Bioenergie wird immer stärker zum Preistreiber bei Getreide und Raps. Dadurch verschieben sich die Preisrelationen. top agrar analysiert, wie stark dieser Trend ist und ob Sie Ihre Fruchtfolge darauf ausrichten sollten.


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Keine Frage: Die letzten beiden Wirtschaftsjahre waren für Getreideerzeuger wirklich enttäuschend – besonders wenn man die Preise mit denen von 2007/08 vergleicht. Von den damaligen Spitzenwerten von zeitweise über 260 €/t für Brotweizen oder fast 500 €/t für Raps (netto, frei Erst­erfasser) können wir derzeit nur träumen.


Davon sollten Sie sich aber nicht blenden lassen. Denn Getreide und Ölsaaten bleiben auch künftig attraktive Kulturen. Die so genannten Megatrends sprechen eine klare Sprache:


Der Getreide- und Ölsaatenbedarf für die menschliche Ernährung wächst zwar nur noch langsam, aber dafür stetig. Jahr für Jahr kommen weltweit schließlich 75 bis 80 Mio. Menschen dazu, die ernährt werden müssen. Besonders einige Dritt- und Schwellenländer, die teils jetzt schon Getreide einführen müssen, verzeichnen spürbare Bevölkerungszunahmen.


Getreide und auch Ölssaaten wandern zunehmend in die Tiermägen. Mit wachsendem Wohlstand steigt vor allem in Schwellenländern wie China und Indien die Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln. Dafür sind zusätzliche Futtermengen notwendig, denn für ein Kilo Fleisch muss z. B. ein Mehrfaches an pflanzlichem Futter eingesetzt werden.


Die Erzeugung wächst hingegen nur langsam. Vor allem in Industrienationen ist der Flächenverbrauch für Siedlung, Gewerbe und Verkehr ein großes Problem – der Naturschutz blockiert ebenfalls Flächen. Und wer bisher ungenutzte Standorte in Schwarzmeerländern, Afrika und anderen Regionen in die Produktion nehmen will, muss dafür meistens viel Geld in die Hand nehmen. Außerdem geht man damit wegen der mangelnden politischen und wirtschaftlichen Stabilität oft ein großes Risiko ein.


Energie bringt den Markt in Schwung


Der bis auf Weiteres wichtigste Faktor für die mittelfristige Entwicklung an den Märkten ist der international wachsende Einsatz von Getreide und Raps für energetische Zwecke. Preisgünstige Alternativen zu den klassischen fossilen Energielieferanten sind schließlich gefragt. Der Biogas-Boom – bis zum Jahresende soll es bei uns annähernd 5 700 Anlagen geben – ist zwar ein überwiegend deutsches Phänomen. Biodiesel und -ethanol hingegen sind auch in vielen anderen Ländern der Welt kaum noch wegzudenken.


Bezogen auf die Saison 2010/11 beziffert der Internationale Getreiderat (IGC) den Getreidebedarf der Ethanolhersteller weltweit auf insgesamt ca. 138 Millionen Tonnen. Gegenüber 2009/10 wäre das zwar „nur“ ein Plus von knapp unter 6 %. Innerhalb der letzten fünf Jahre hätte sich der Bedarf damit aber nahezu verdreifacht.


Damit kein falscher Eindruck entsteht: Der Löwenanteil der globalen Getreideerzeugung (ca. 93 % im Wirtschaftsjahr 2010/11) dient nach wie vor der menschlichen Ernährung, sei es direkt oder „veredelt“ über den Tiermagen. „Aber die energetische Nutzung bindet Mengen, die früher quasi als vagabundierende Partien abgesetzt werden mussten“, sagt ein Analyst. Oft sei dies nur unter Preiszugeständnissen möglich gewesen, die auch auf den allgemeinen Markt ausstrahlten. Das sei heute anders.


Immer mehr Ethanol­getreide


Bezogen auf den Bedarf an Ethanolgetreide führen die USA vor allen anderen Produzenten. Hier die Vorschätzungen des IGC für 2010/11:


Die USA sollen etwa 119 Mio. t Getreide zu Ethanol verarbeiten (+ 4 % geg. 2009/10). Davon entfallen 117 Mio. t auf Mais. Das ist ein Drittel der US-Ernte.


In der EU wächst der jährliche Getreidebedarf der Ethanolwerke um mehr als 20 % auf fast 11 Mio. t – US-Analysten rechnen zwar nur mit 8 Mio. t, sie teilen in der Tendenz aber die IGC-Einschätzungen. Wei­zen dominiert (fast 60 % des Ethanol-Rohstoffs) vor Mais (gut 30 %) und anderem Getreide.


In China tritt den Rohstoffverbrauch der Ethanolwerke hingegen seit einiger Zeit auf der Stelle. Ursache dafür sollen politische Bremsmanöver Pekings sein. Der IGC beziffert den Bedarf auf rund 4,9 Mio. t Getreide, haupt­sächlich Mais.


Vierter im Bunde ist nach derzeitigen Hochrechnungen Kanada. 2010/11 sollen dort 2,7 Mio. t Getreide zu Ethanol verarbeitet werden (rund 8 % mehr als 2009/10).


Tatsache ist, das jede Tonne versprittetes Getreide den Weltmarkt entlastet und damit die Preise zumindest stützt. Je mehr die USA und andere traditionelle Exporteure zudem im Inland verarbeiten, desto besser für andere Anbieter, die den Weltmarkt ebenfalls im Visier haben.


Wie positiv sich gute Exportchancen auf die Preisentwicklung auswirken, haben wir selbst in den letzten Wochen zu spüren bekommen: Der Drittlandexport von EU-Weizen hat vor allem währungsbedingt spürbar zugenommen. Das hat auch auf der Erzeugerstufe für steigende Notierungen gesorgt. Dass das durchgehend so bleibt, ist aber nicht sicher.


Raps, Roggen und Mais sind gefragt


Es stellt sich damit vor allem die Frage: Wie stabil ist die Nachfrage nach Rohstoffen für die Bioenergie? Die Antwort ist einfach: Sehr stabil. Lassen Sie sich daher vom Geunke einiger „Experten“, die energetische Nutzung von Getreide und Ölsaaten werde über kurz oder lang an seine Grenzen stoßen, nicht verunsichern. Bei solchen Äußerungen handelt es sich in den meisten Fällen um sprichwörtliches „Pfeifen im Walde“ seitens der Mühlen und anderer Verarbeiter.


Es trifft zwar zu, dass bei uns und in vielen anderen Staaten mit Hochdruck an Bio-Treibstoffen der so genannten 2. Generation gearbeitet wird. Diese sollen aus anderen pflanzlichen Rohstoffen hergestellt werden als die derzeitigen Treibstoffe. Aber selbst Optimisten glauben, dass bis zur großflächigen Markteinführung noch etliche Jahre vergehen werden. Vorerst geht an Getreide und Raps als Rohstoffen deshalb kaum ein Weg vorbei. Was das für die Preise bedeutet bzw. mittelfristig bedeuten könnte, wollen wir an drei Beispielen verdeutlichen.


1. Raps: Raps hat sich an den meisten Standorten zu einem sehr attraktiven Produktionszweig entwickelt. Die Notierungen heben sich immer mehr von den Weizenkursen ab (vgl. Übersicht). Früher betrug die Preisrelation zwischen Weizen und Raps meistens 2 bis 2,1 zu 1. Heute beträgt sie schon 2,5 bis 2,6 zu 1, und sie könnte durchaus noch weiter werden.


Die Nachfrage nach Rapsöl hat kräftig zugenommen. Mittlerweile werden EU-weit pro Jahr etwa 9,8 bis 10 Mio. t verbraucht, hat das US-Landwirtschaftsministerium jüngst errechnet. Innerhalb eines Jahrzehntes hat sich der Bedarf damit fast verdreifacht.


War es früher vor allem die Lebensmittelindustrie, die die Preisrichtung beim Öl und damit auch bei den Rapssaaten vorgab, so sind es jetzt hauptsächlich die Biodiesel- bzw. RME-Produzenten. Annähernd 70 % des Rapsölverbrauchs in der EU werden schon dem industriellen Bereich zugeschrieben, hauptsächlich als Bio­diesel. Und Beobachter rechnen auch im weiteren Verlauf mit Wachstum beim Biokraftstoff, wenn auch vielleicht nicht mehr mit Deutschland in der Vorreiterrolle – die Steuergesetzgebung lässt grüßen.


Die meisten anderen EU-Länder hinken mit ihren Beimischungsquoten immer noch weit hinter den Vorgaben der EU her. Das heißt, es gibt zusätzliches Absatzpotenzial. Außerdem wird weltweit, vor allem in Staaten, die keine eigenen Öl- oder Gasvorkommen haben, händeringend nach alternativen Energielieferanten gesucht. Kein Wunder, dass viele Berater sagen: „So viel Raps anbauen, wie die Fruchtfolge hergibt!“


2. Roggen: Vor einigen Jahren schien der Roggen aus deutscher Sicht zu einem regelrechten Sorgenkind zu werden. Denn unsere Produktion bewegte sich weit über dem Bedarf, die staatlichen Interventionskäufe wurden eingestellt, und die Notierungen stürzten regelrecht ab. Davon ist jetzt kaum noch eine Rede.


Der Roggenmarkt ist nicht überversorgt. Deutschlands Mehlmühlen brauchen zwar nach wie vor pro Jahr (nur) etwa 650 000 bis 700 000 t einwandfreien Roggen. Und 200 000 bis 300 000 t werden vermutlich in den asiatischen Raum sowie zu anderen Abnehmern exportiert. Darüber hinaus haben sich aber in letzter Zeit weitere Absatzventile geöffnet:


Roggen hat, nicht zuletzt aus preislichen Gründen, endlich einen festen Platz in den Futterrezepturen. Unsere Mischfutterbranche kommt nach jüngsten Prognosen 2010/11 auf einen Bedarf von annähernd 1 Mio. t. Und etliche Mengen werden wohl auch direkt auf landwirtschaftlichen Betrieben vermahlen.


Zudem fließt relativ viel Roggen in die Ethanolproduktion ab. In der laufenden Saison sollen 1 Mio. t versprittet werden, heißt es in Fachkreisen. Das hat bei den Vorkontraktpreisen für Spielraum nach oben gesorgt und könnte den Markt auch im weiteren Verlauf in Schwung halten.


Neben den Ethanolwerken interessieren sich übrigens auch etliche Betreiber von Biogasanlagen für Roggen. Dieser wird entweder als Ganzpflanzensilage oder als normales Getreidekorn verwendet und ersetzt andere Substrate.


3. Mais: Die Mais-Notierungen spiegeln den Substratbedarf der Ethanolwerke und der Biogas-Erzeuger wider. Sie heben sich jetzt deutlich von den Weizenpreisen ab (vgl. Übersicht). Mittlerweile geht schon ein Fünftel der deutschen Maisflächen in die energetische Nutzung. Und künftig wird es vermutlich noch mehr sein.


Der Biogas-Boom geht nämlich vorerst weiter, solange das Erneuerbare-Energien-Gesetz so bleibt wie es ist. Das soll zwar zum 1.1.2012 angepasst werden, derzeit ist aber völlig offen, ob es dann gravierende Änderungen geben wird. Im kommenden Jahr peilen wir eventuell schon die 6 000er-Marke bei den Biogas-Anlagen an. Das belebt das Maisgeschäft – und zum Leidwesen vieler Viehhalter auch den Bodenmarkt.


Fakt ist: Je mehr Mais energetisch verarbeitet wird, desto mehr Spielraum nach oben erhält auch der Körnermais. Zum Nachteil der Mischfutterwerke und der Veredler, denen allmählich die preisgünstigen Alternativen ausgehen.


Jörg Mennerich

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