Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Waldumbau Seelische Gesundheit Steuern in der Landwirtschaft

Aus dem Heft

Milchpreis-Krise: Gehen Sie in die Offensive!

Lesezeit: 9 Minuten

Die Lage in der Milchviehhaltung spitzt sich zu. Mit diesen Tipps sichern Sie sich Ihr finanzielles Überleben.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Seit dem Frühjahr kennt der Milchpreis nur eine Richtung – nach unten. Wer jetzt nicht seine Finanzen auf den Prüfstand stellt, dessen Konto rutscht möglicherweise knietief ins Minus. In schwierigen Zeiten wie diesen hilft daher oft nur ein Gespräch mit der Bank.


Bevor Sie allerdings Ihren Banker aufsuchen, sollten Sie zunächst überschlagen, wie groß Ihr Finanzbedarf ist. Als Faustzahl können Sie sich merken: Derzeit fehlen den meisten Betrieben mind. 5 bis 6 Cent je Kilogramm gegenüber „normalen“ Jahren. Für einen Betrieb mit 80 Kühen ist das ein Umsatzrückgang von 45 000 € pro Jahr. Wenn Sie keine Rücklagen besitzen, kalkulieren Sie vorsichtshalber mit 50 000 €.


Liquiditätsplan erstellen.

Manche Banken verlangen nach Monaten aufgeschlüsselte Liquiditätspläne. Wenn Sie sich gut mit Excel-EDV-Anwendungen auskennen, können Sie diesen selber aufstellen. Eine kostenlose Alternative finden Sie im Internet auf der Seite der LEL Schwäbisch Gmünd (www.lel-bw.de Rubrik Downloads, Programm: Liquid 3.03). Wenn der Plan steht, fängt die Arbeit aber erst an. Dann stellt sich die Frage: Wie bleibe ich zahlungsfähig? In der Regel haben Sie folgende Optionen:


Kontokorrentkredit ausreizen: Sie können das laufende Konto in Anspruch nehmen, um Ihren Liquiditätsengpass in den Griff zu bekommen. Das ist aber nur für kurzfristige Probleme eine Lösung und ist darüber hinaus sehr teuer, da die Banken hohe Zinsen dafür verlangen. Überziehen Sie außerdem keinesfalls das Limit von sich aus. Das ist nicht nur noch teurer, Sie handeln sich möglicherweise zusätzliche Schwierigkeiten ein. Im Notfall bitten Sie die Bank, das Limit heraufzusetzen.


Tilgung aussetzen: Sie können die Tilgung für hausbankeigene Kredite für ein oder zwei Jahre aussetzen. Bei entsprechender Begründung haben die Banken damit kein Problem. Das verschafft zunächst deutlich Luft. Sie zahlen dann in diesem Zeitraum nur die Zinsen. Die im Kreditvertrag ursprünglich vereinbarte Zinsbindung bleibt bestehen. Die Summe, die zum Ende der Zinsbindung bzw. zum ursprünglich planmäßigen Ablauf des Darlehens dann noch offen bleibt, ist somit um die ausgesetzte Tilgung höher. Man könnte diesen Betrag auch als „endfälliges Darlehen“ bezeichnen. Dessen Rückzahlung müssen Sie dann neu verhandeln.


Bedenken Sie: In den meisten Fällen werden die Zinssätze über dem aktuellen Zinsniveau liegen. Möglicherweise erkaufen Sie sich somit die Liquidität durch die Tilgungspause für etwa 3 bis 5 % Zinsen.


Auffangdarlehen nutzen: Für die Finanzierung größerer Investitionen haben viele Landwirte in der Vergangenheit oft Förderdarlehen von der Landwirtschaftlichen Rentenbank in An-spruch genommen. Diese sind zwar sehr günstig, Ihnen stehen aber keine tilgungsfreien Jahre zu.


Als Alternative könnte Ihre Hausbank die Rückzahlung mit einem sogenannten Tilgungs-Auffangdarlehen für einen Zeitraum von z. B. ein bis zwei Jahren finanzieren. Hierfür würden dann zunächst nur Zinsen anfallen. Die Konditionen sollten Sie auf jeden Fall vor Abschluss des Auffangdarlehens klären.


Liquiditätshilfedarlehen beantragen: Zur Überbrückung der finanziellen Engpässe stellt die Landwirtschaftliche Rentenbank Kredite aus dem Programm Liquiditätssicherung bereit. Betroffene Futterbaubetriebe können entsprechende Darlehen über ihre Hausbank beantragen, wenn sie einen Umsatz- bzw. Ergebnisrückgang von mindestens 30 % nachweisen. Die Rentenbank fördert Betriebsmittel und andere notwendige Ausgaben für den Hof. Auch der Kapitaldienst für bereits bestehende Darlehen kann aus diesen Mitteln bedient werden.


Sie können eine Laufzeit von vier, sechs oder zehn Jahren wählen als auch ein tilgungsfreies Anfangsjahr aushandeln. Die Konditionen entsprechen den Zinssätzen für Junglandwirte.


Vermögen verkaufen: Wenn alle Stricke reißen, darf ein Verkauf von Betriebs- oder Privatvermögen kein Tabu sein. Aber Achtung: Denken Sie an die Zukunft! In manchen Fällen ist auch ein geregelter Ausstieg aus der Landwirtschaft die bessere Alternative.


Welche Effekte Sie mit diesen Maßnahmen erzielen können und welche Gefahren gleichzeitig neue Kredite mit sich bringen, zeigen unsere beiden Beispiele.


Geschicktes Umschulden verschafft Luft


Wer alte Kredite umschuldet, kann gerade jetzt günstigere Konditionen und möglicherweise sogar ein tilgungsfreies Jahr aushandeln. Um die aktuelle Krise zu überstehen, müssen Sie nicht nur alle Ausgaben Ihres Betriebes auf den Prüfstand stellen, sondern auch über Umschuldungen oder tilgungsfreie Jahre nachdenken.


Das wird auch Fritz Meier bewusst (alle Namen frei erfunden). Er bewirtschaftet einen Betrieb mit 80 Kühen plus Nachzucht. Obschon der Milchpreis in den vergangenen Jahren immer wieder von einem Auf und Ab geprägt war, konnte er seine Ausgaben ohne zusätzliche Kredite stemmen.


Kein Wunder: Den Laufstall aus den 90er Jahren hat Meier fast abbezahlt und darüber hinaus belasten nur ein paar kleinere Kredite seine Bilanz. Insgesamt belaufen sich seine Verbindlichkeiten auf ca. 100 000 €. Hinzu kommt zwar noch ein Darlehen für die Photovoltaikanlage aus dem Jahr 2010 (265 000 €). Doch zum einen konnte er diesen Betrag bereits etwa zur Hälfte zurückzahlen. Zum anderen decken die Einnahmen aus dem Sonnenkraftwerk Zins und Tilgung des KfW-Darlehens.


Allerdings hat er mit der Bank eine relativ kurze Laufzeit von zehn Jahren für den Solarkredit vereinbart. Entsprechend hoch fällt die Tilgung aus. Daher bleibt ihm derzeit auch kaum etwas von der Einspeisevergütung übrig. Erst in ein paar Jahren, wenn er das Darlehen zurückgezahlt hat, wirft die Anlage Überschüsse ab.


In durchschnittlichen Jahren erzielt Meier, inkl. aller Zuschläge, rund 35 ct pro kg Milch, die sich mit einem Überschuss von rund 21 500 €/Jahr im Betrieb bemerkbar machen (Übers. 1).


Für das laufende Wirtschaftsjahr rechnet er mit einem Verlust von ca. 5 ct/kg Milch, was ein Minus von 35 500 €/Jahr auf dem Konto hinterlässt. Wenn er dann noch alle weiteren Ausgaben für den Betrieb berücksichtigt, sind es sogar rund 45 000 € (Übers. 2).


Ein Jahr überbrücken.

Marktexperten gehen davon aus, dass sich der Milcherlös mittelfristig wieder auf ein normales Niveau einpendelt. Meier muss somit den Engpass vermutlich für ein Jahr lang überbrücken. Am einfachsten wäre es für ihn, dass laufende Konto bis zum Limit von 50 000 € auszureizen. Allerdings wird er das Minus nicht so schnell wieder ausgleichen können. Das kommt ihm auf Dauer teuer zu stehen, denn für den Überziehungskredit verlangt die Bank 7 % Zinsen.


Meier wählt daher einen anderen Weg. Er vereinbart mit seiner Hausbank ein tilgungsfreies Jahr für seine laufenden Kredite. Das würde ihn für zwölf Monate um 19 500 € entlasten. Außerdem will er das Photovoltaik-Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau umfinanzieren, für das er ein Sonderkündigungsrecht besitzt. Derzeit zahlt er für das Darlehen 2,75 % Zinsen. Seine Hausbank bietet ihm aber günstigere Konditionen an (2 %). Zudem vereinbart er für das Ablösedarlehen ebenfalls ein tilgungsfreies Jahr, was ihn um 27 000 € in den kommenden zwölf Monaten erleichtert. Weiterer Vorteil: Meier handelt mit seiner Bank eine längere Rückzahlung für den Ablösekredit aus. Dadurch sinkt der Kapitaldienst und er kann nun einen Teil des Stromerlöses, den er bislang für die Rückzahlung benötigt hat, für seinen Betrieb nutzen. Mit diesen beiden Maßnahmen kann Meier die Unterdeckung von etwa 45 000 € für ein Jahr lang stopfen. Er hat sich so erst einmal Luft zum Durchatmen verschafft.


Warum Sie neue Kredite nur im Notfall in Anspruch nehmen sollten, lesen Sie auf der nächste Seite.


Fluch und Segen neuer Kredite


Frische Kredite helfen bei finanziellen Engpässen. Langfristig engen Sie den Spielraum aber weiter ein.


Für Betriebe mit hohen Verbindlichkeiten ist die Krise eine besondere Herausforderung. Das wird am Betrieb Leider deutlich. Vor drei Jahren hatten Vater und Sohn in einen neuen Laufstall für 150 Kühe investiert und zwei Melkroboter angeschafft. Die Kredite dafür summieren sich auf 850 000 €.


Den Leiders war klar, dass sie durch die hohen Verbindlichkeiten bei einem durchschnittlichen Milchpreis von 35 ct je Kilogramm (brutto) nur einen Geld­überschuss von knapp 30 000 €/Jahr erwirtschaften würden. Das sind bezogen auf die jährliche Milchmenge nur 2 ct/kg. Anders ausgedrückt: Bei sinkenden Preisen rutscht die Milchproduktion auf dem Hof Leider schnell ins Minus. Für schwierige Jahre wollten sie daher in guten Zeiten entsprechende Rücklagen bilden. Aber so weit kam es erst gar nicht, weil sie im neuen Stall nicht so schnell die in der Planung kalkulierte Milchleistung erreichten.


Zu allem Überfluss sackte genau zu dem Zeitpunkt der Milchpreis auf 30 ct/kg ab, als die Bank die erste Tilgung verlangte. Die Nerven liegen blank.


Die laufenden Konten bei der Bank und dem Handel haben die Leiders bereits mit rund 50 000 € ausgereizt. Außerdem müssen sie den fehlenden Milch-erlös auffangen. Diesen kalkulieren sie mit rund 70 000 € ein. Es klafft somit eine Liquiditätslücke von 120 000 € in der Bilanz.


Auch sie gehen in die Offensive und sprechen die Probleme bei ihrem Banker an. Der verlangt zwar zunächst einen detaillierten Liquiditätsplan für die kommenden Monate und eine langfristige Betrachtung der Liquidität unter normalen Preis- und Kostenverhältnissen. Die Arbeit hat sich für die Leiders aber gelohnt: Die Bank ist nach Durchsicht der Daten bereit, bei den eigenen Krediten die Tilgung zunächst für ein Jahr auszusetzen. Das entlastet den Betrieb um rund 52 000 €. Zudem gewährt die Hausbank den Leiders ein zehnjähriges Liquiditätshilfedarlehen in Höhe von 70 000 €, inklusive einem tilgungsfreien Jahr zu Beginn der Laufzeit.


Die Nachteile beachten.

Mit diesen Maßnahmen nimmt die Fremdkapitalbelastung bei den Leiders allerdings weiter zu. Nach dem tilgungsfreien Jahr steigt der Kapitaldienst zunächst auf rund 101 000 € im Wirtschaftsjahr 2016 und 2017. Bisher waren es ohne Zinsen bei den kurzfristigen Verbindlichkeiten rund 92 500 €.


Zwar läuft in naher Zukunft der Kälberstallkredit aus. Der Kapitaldienst sinkt dann auf etwa 88 500 € jährlich. Wenn die Leiders aber ihre Leistungen nicht weiter verbessern oder die Kosten in den Griff bekommen, fällt der Geld-überschuss auf etwa 20 000 € bzw. 1,5 ct/kg Milch. Bei einer erneuten Krise müsste die Familie möglicherweise Flächen verkaufen.-ro-

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Bestens informiert zur EuroTier 2024

Über 60 % sparen + Gewinnchance auf einen VW Amarok sichern!

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.