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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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Ökolandbau: Sind die Boom-Jahre vorbei?

Lesezeit: 7 Minuten

Immer weniger Landwirte stellen auf „Bio“ um. Das finanzielle Risiko ist vielen zu groß. Dennoch gibt es Betriebe, für die sich die Umstellung rechnet. top agrar stellt zwei Beispiele vor.


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Vor gut drei Jahren fiel bei Anja und Michael Cordts ein Entschluss: Sie wollten ihren Betrieb in Schnega im niedersächsischen Wendland (Kreis Lüchow-Dannenberg) auf Ökolandbau umstellen.


Der Betrieb, der seit der Hofübernahme 1998 von 60 auf inzwischen 155 ha gewachsen war, bot nach Ansicht der Cordts gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umstellung. Die Böden des Wendlands sind zwar ertragsschwach aber kartoffelfähig. Und die Betriebsleiter verfügen bereits über umfangreiche Erfahrungen mit der besonders artgerechten Tierhaltung, weil sie seit 15 Jahren für Neuland Ochsen mästen und vermarkten.


Kaum Umsteller trotz Bio-Boom:

Mit ihrer Entscheidung liegen die Cordts alles andere als im Trend. In den vergangenen Jahren haben nur wenige Betriebe auf „Bio“ umgestellt (siehe Übersicht 1). Das ist auf den ersten Blick sehr erstaunlich, denn die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln ist hoch.


Der Handel mit Bio-Produkten wächst kräftig. Im Jahr 2013 gaben die deutschen Verbraucher 7,6 Mrd. Euro für Bio-Lebensmittel aus, eine Steigerung von 7 % gegenüber 2012. Nicht einmal die jüngsten Skandale um falsch deklarierte und dioxinbelastete Bioeier haben den Absatz beeinträchtigt.


Leider profitieren die deutschen Ökobauern bisher kaum von diesem Boom. Immer mehr Bio-Lebensmittel werden importiert, weil hierzulande aktuell zu wenige Landwirte in den Ökolandbau einsteigen.


Woran liegt das? Die Antwort ist einfach: Die Umstellung scheint sich für viele nicht zu lohnen. Nach Auswertungen des Thünen-Instituts in Braunschweig haben die Biobauern viele Jahre lang höhere Einkommen erzielt als ihre vergleichbar strukturierten konventionellen Kollegen. Das hat sich in den vergangenen Jahren umgekehrt (siehe Übersicht 2). Ursache dieser Entwicklung sind die besseren Preise, die konventionelle Landwirte zuletzt für Getreide, Fleisch und Milch erzielt haben – zumindest im Vergleich zum Ökolandbau. Jedenfalls hat sich der Preisabstand zu Bioprodukten mehr oder weniger deutlich verringert.


Im laufenden Jahr sind die Preise für konventionelles Getreide und Raps deutlich gefallen. Es bleibt abzuwarten, ob sich dadurch die Preisabstände zwischen konventioneller und ökologischer Ware wieder vergrößern. Wenn dem so ist, würde der Ökolandbau im Vergleich zum konventionellen Landbau in Zukunft wieder rentabler werden.


Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass es in der deutschen Bio-branche viel Unmut über die auslän-dische Billig-Bio-Konkurrenz gibt – unabhängig davon, ob diese aus anderen EU-Ländern oder aus Drittstaaten kommt. Bio-Ware aus dem Ausland ist für den deutschen Lebensmittelhandel lukrativ, weil er die Produkte dort günstiger einkaufen kann. Ob dabei aber die Standards der EU-Ökoverordnung genauso eingehalten werden wie bei uns, darf zumindest angezweifelt werden.


Zwar hat auch die EU-Kommission dieses Problem mittlerweile erkannt und will die Öko-Verordnung entsprechend reformieren. Mit ihrem Vorschlag schafft sie zugleich aber auch viele neue Hürden für alle Biobauern. Sollte sie damit durchkommen, könnte der europäische Ökolandbau zurück in sein Nischen-Dasein vergangener Jahrzehnte gedrängt werden (siehe auch top agrar 5/2014, S. 52).


Für wen sich „Bio“ noch lohnt:

Kann sich ein Landwirt vor diesem Hintergrund überhaupt noch auf das Abenteuer Bio einlassen? ­Markus Mücke, Öko-Berater der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, beantwortet diese Frage so: „Natürlich, es kommt auf die Ausgangsvoraussetzungen an.“ Mit pauschalen Aussagen lasse sich die Frage „Bio oder nicht“ nicht beantworten. Wichtig sei, dass am Standort des Betriebs auch wirtschaftlich lukrative Kulturen wie Kartoffeln, Feldgemüse, Soja oder Körnermais angebaut werden können. Diese würden wiederum höhere Ansprüche an den Betriebsleiter stellen (siehe Interview S. 46).


Mücke empfiehlt den Landwirten, sich zunächst unverbindlich beraten zu lassen. Im Rahmen der „Bio-Offensive“ können Landwirte eine kostenlose Erstberatung anfordern und klären, ob sich der Ökolandbau auf ihrem Betrieb rechnen könnte (s. www.bio-offensive.de).


Die Cordts aus dem Wendland haben sich von den aktuellen ungünstigen Rahmenbedingungen jedenfalls nicht beeindrucken lassen. Schon nach dem ersten Telefonat mit Berater Mücke war klar: Weil sie auf ihren leichten Böden ohnehin schon relativ extensiv wirtschaften, würden die umstellungsbedingten Ertragseinbußen nicht so groß ausfallen. Auch die weiteren Voraussetzungen waren prima: Sie kannten sich mit dem Kartoffelanbau aus. Maschinen, Lagerhalle und Beregnungstechnik waren ebenfalls bereits vorhanden. Dank der Beregnung erwarteten sie auch gute Erträge und Qualitäten im ökologischen Ackerbau - ein weiterer Pluspunkt.


In den folgenden Monaten ließen sich die Cordts intensiv von der Landwirtschaftskammer und den Bioverbänden beraten, tauschten sich mit benachbarten Biobauern aus und besuchten Umstellungsseminare. Schnell war klar: Ob die Umstellung klappt, hängt nicht nur von ihrem Erfolg in Ackerbau und Tierhaltung ab, sondern auch von den Vermarktungsmöglichkeiten. Bislang gingen ihre konventionellen Kartoffeln ohne viel Aufwand in die Stärkefabrik und der Mais in eine Biogasanlage. In Zukunft würden sie sich intensiv um den Verkauf von Bio-Speisekartoffeln und Bio-Körnermais kümmern und viel Zeit am Telefon verbringen müssen.


Aber nicht nur bei der Vermarktung, sondern auch in der praktischen Arbeit würden die Cordts und ihr Mitarbeiter Lars Behn umdenken müssen. Dem Krankheits- und Schädlingsdruck im Ackerbau müssen sie nun mit Hacke und Striegel sowie mit langfristigen Anbaustrategien begegnen. „Gleichzeitig sollte man sich darauf einstellen, ein Beikraut auch mal zu akzeptieren“, erklärt Michael Cordts. Er weiß, dass die Lehrzeit zum Biobauern länger dauert als die beiden offiziellen Umstellungsjahre. „Gedanklich haben wir uns schon mindestens ein Jahr vor der Umstellung damit auseinandergesetzt“, erinnert er sich.


Wenn die Umstellung ein Erfolg werden soll, müssen Betriebsleiter und Mitarbeiter davon überzeugt sein und sich mental auf die neue Arbeitsweise einstellen. Für Cordts Mitarbeiter Lars Behn war das kein Problem. „Nur meine Arbeitsmütze tausche ich nicht gegen einen Strohhut“, machte er deutlich.


Die beiden Umstellungsjahre waren keinesfalls leicht für das Trio, vor allem der Ackerbau war arbeitsintensiver als gedacht. Sie mussten ihre Pflanzenbestände jetzt viel öfter kontrollieren, um den optimalen Zeitpunkt zum Striegeln und Hacken nicht zu verpassen. Mittlerweile ist das kein Problem mehr: „Wir sind jetzt schon viel besser im Rhythmus und wissen, wann was zu tun ist“, sagt Michael Cordts.


Flickenteppich bei den Prämien:

Weil man in den Umstellungsjahren zwar nach Öko-Kriterien wirtschaften muss, seine Erzeugnisse aber noch nicht mit Bio-Label verkaufen darf, ist diese Phase für viele Betriebe finanziell sehr belastend. Die Cordts lösten das pragmatisch: Sie verzichteten in den beiden Jahren auf den Kartoffelanbau und setzten dafür auf Getreidesaatvermehrung sowie Körnermais und Soja als Tierfutter. Hier gibt es für Umstellungsware kaum Preisunterschiede zu anerkannter Bio-Ware. Mit dieser Strategie kamen sie gut über die Runden.


Hinsichtlich der Förderung greifen die Bundesländer den Umstellungsbetrieben aber höchst unterschiedlich unter die Arme. Brandenburg zahlt seinen neuen Ökobetrieben in den ersten beiden Jahren nur 150 €/ha Acker- und Grünland, in Nordrhein-Westfalen sind es dagegen 520 €/ha (s. Übersicht 3). Ob es sachliche Gründe für diese Unterschiede gibt, darf getrost bezweifelt werden.


Die Cordts sind gut durch die ersten Jahre gekommen und seit dem 30. Juni offiziell Biobauern. Sie bieten jetzt auch Freiland-Hähnchen an. Das bringt viele neue Kunden direkt auf den Hof und schafft Anerkennung. „Seitdem auf unserem Auto ‚Biolandhof Cordts‘ steht, werde ich oft von Fremden gegrüßt. Bei so viel Zuspruch macht die Arbeit viel mehr Spaß“, freut sich Anja Cordts.


Und noch etwas hat die Cordts positiv überrascht: Der enge Zusammenhalt unter den Biobauern. Man trifft sich zum Erfahrungsaustausch, redet offen über Fehler und hilft sich gegenseitig. „Wir sind froh, dass wir den Betrieb umgestellt haben. Für uns war es richtig. Entscheidend war, das wir uns gut vorbereitet und ein tragfähiges Umstellungskonzept erarbeitet haben. Dann kann man den Schritt wagen“, ist Michael Cordts überzeugt.

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