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„Ohne meinen Kollegen hätte ich es nicht geschafft“

Lesezeit: 5 Minuten

Norbert Ruschmann stand mit seiner Biogasanlage kurz vor der Insolvenz und war auch gesundheitlich am Ende. Lesen Sie, wie er das Ruder herumgerissen hat.


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Das Blockheizkraftwerk (BHKW) dröhnt und läuft wieder auf Volllast. Für Norbert Ruschmann (Name geändert) klingt das wie Musik in den Ohren. „Jetzt macht es schon fast wieder Spaß, Biogas zu erzeugen“, sagt er mit einem müden Lächeln. Doch die Anspannung ist ihm noch anzumerken. Das Desaster um seine Biogasanlage hätte ihn fast den Hof gekostet.


Wie ist es dazu gekommen? Vor drei Jahren hatte Ruschmann die Leistung seiner 2006 gebauten Anlage auf 500 Kilowatt (kW) erhöht. Zunächst stimmten die Zahlen, auch weil Ruschmann seit 2009 zusätzlich den Güllebonus bekam. Aber schon damals war absehbar, dass die Kosten für den Mais immer weiter steigen würden. Deshalb sollte die Anlage künftig mit 80 % Gras gefahren werden. Dafür brauchte er aber einen dritten Fermenter, um das Gärsubstrat rührfähig zu halten. Kostenpunkt: ca. 100 000 €. Das Geld wollte ihm die Bank nicht leihen. Nach der Biogaskrise 2008 und ersten Anlageninsolvenzen waren die Banker vorsichtig geworden. Ruschmann blieb also nichts anderes übrig, als ohne zusätzlichen Fermenter auf Gras zu setzen. Prompt fielen zwei Rührwerke aus.


Nach dem Bau in die Krise:

Weil die Bank von ihrer Position nicht abrückte, lieh sich Ruschmann das Geld von einem befreundeten Berufskollegen. Der neue Behälter wurde im Mai 2011 fertig. Jetzt konnte er den Grasanteil auf fast 100 % erhöhen. Alles lief zunächst wie geplant.


Dann aber folgte eine regelrechte Pannenserie: Erst streikte plötzlich das BHKW. Das bedeutete ungeplante Reparaturkosten in fünfstelliger Höhe. Fast noch schlimmer: Durch den einwöchigen Stillstand fehlten Ruschmann mindestens 10 000 € an Einnahmen.


Zu allem Überfluss drohte auch noch der Landkreis damit, die Anlage stillzulegen, weil der dritte Fermenter angeblich ohne Genehmigung betrieben würde. „Du musst mit der Versicherung verhandeln und Unterlagen für die Behörde zusammensuchen, aber eigentlich solltest Du auch draußen das BHKW reparieren und die Ernte organisieren“, schildert Ruschmann die Mehrfachbelastung.


Nach einer Woche lief das BHKW zwar wieder, aber die Rücklagen im Betrieb waren aufgezehrt. Als nächstes fiel die Substratpumpe aus. Und wieder zwei Wochen später brach auch noch gerade erst ersetzte Kurbelwelle im BHKW – noch einmal ein Totalausfall.


Ruschmann war am Ende. „Mein Arzt diagnostizierte eindeutig einen beginnenden Burnout, ich wusste nicht mehr, wie es weitergehen soll“. Wenn damals ein Angebot gekommen wäre, die Anlage zu verkaufen. Er hätte es getan – auch mit hohen Verlusten.


Berufskollege hilft:

Doch dazu kam es nicht, weil ihm ein erfahrener Berufskollege zur Seite sprang. In sieben Schritten machten sie Ruschmanns Anlage gemeinsam wieder flott und wendeten die drohende Zahlungsfähigkeit ab.


1. Zunächst wurde die Anlage vorübergehend wieder auf Mais umgestellt. Der Berufskollege lieferte Ruschmann auch den Rohstoff und gewährte ihm für die fällige Zahlung ein Darlehen.


2. Der Berufskollege verhandelte auch mit der Service-Firma und erreichte, dass der Kurbelwellen-Schaden unter die Gewährleistung fiel.


3. Das kleinere der zwei BHKW wurde in das benachbarte Dorf umgesetzt und als Satelliten-BHKW betrieben. Die höhere um 2 Cent höhere Einspeisevergütung und der ganzjährige Wärmeverkauf brachten zusätzlich 5 000 Euro pro Monat in die Kasse. Allerdings kostete die Gasleitung von der Biogasanlage zum neuen BHKW-Standort 80 000 €. Aber auch dafür fanden die beiden Landwirte eine liquiditätsschonende Lösung: Ruschmann übernahm die Materialkosten und der Wärmekunde den Aufwand für das Verlegen der Leitung. Im Gegenzug erhielt er entsprechende Preisnachlässe für die Wärme.


4. Ruschmann beantragte den Luftreinhalte-Bonus. Das spülte weitere 3 000 € pro Monat in die Kasse.


5. Mit seinen bisherigen Wärmeabnehmern handelte er höhere Preise aus. Ergebnis: 500 € pro Monat mehr.


6. Er einigte sich mit dem Landkreis und reichte fehlende Unterlagen für die Genehmigung nach.


7. Und als letztes entschied sich Ruschmann, nicht mehr die Rohgülle von seinen Lieferanten abzuholen, sondern die Gülle vor Ort zu separieren. Jetzt füttert er statt Gülle Mist und die Separations-Feststoffe in die Anlage. Damit reduzierten sich die Transportkosten und er nimmt mit dem Trockenfermentationsbonus weitere 6 000 € monatlich ein.


Banken sind vorsichtig:

Inzwischen läuft die Anlage wieder rund. Ruschmann ist liquide und kann die fälligen Kredite an seine Lieferanten und Berufskollegen bedienen. In 12 Monaten will er die neuen Verbindlichkeiten größtenteils abgelöst haben. Doch überm Berg ist er noch nicht: „Die Situation ist immer noch sehr angespannt, es darf nichts größeres passieren.“


Gern würde er die zusätzlichen Verbindlichkeiten mit einem neuen langfristigen Kredit über seine Hausbank ablösen, um wieder Reserven für den Betrieb zu haben. Er weiß, dass jede kleine Reparatur, die er jetzt hinausschieben muss, viel größere Schäden verursachen und ihn aufs Neue in die Misere bringen kann.


Doch die Banken spielen nicht mit und verlangen neuerdings, dass 80 % der Substrate für zehn Jahre per Vertrag abgesichert sind. „Ich habe seit Jahren rund 50 Milchviehhalter, die mir überschüssiges Gras und Mais liefern. Wenn sie feste Verträge machen sollen, springen sie ab. Und kein Landwirt unterschreibt mir, dass er mir zehn Jahre die Gülle liefert“, macht Ruschmann deutlich.


Wegen seiner finanziellen Engpässe zählt er bei seiner Bank zu den Risikokunden und muss bei Kreditanträgen besondere Bedingungen erfüllen. So verlangt die Bank von Ruschmann zunächst einen kompletten Jahresabschluss mit den Anlagenergebnissen nach der Umstrukturierung, bevor es frisches Geld gibt. „Das ist viel zu spät“, schimpft Ruschmann. „Hier werden Ursache und Auswirkungen miteinander vertauscht!“


Aber er will trotzdem kämpfen. Wenn er das nächste Jahr ohne größere Zwischenfälle übersteht, hat er seine Biogasanlage für die Zukunft fit gemacht.


Hinrich Neumann

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