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Polen: Bei den vorsichtigen Optimisten

Lesezeit: 5 Minuten

Zehn Jahre nach EU-Beitritt und ein Jahr vor Quotenende: Wie schätzen polnische Landwirte und Milchproduzenten ihre Lage ein? Wir besuchten drei Betriebe in der Nähe von Posen.


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So stellt man sich Polen vor: Weite Felder, alte Alleen und viele Wegekreuze. Anfang Juni waren wir im Regierungsbezirk Wielkopolska (Großpolen), rund um die Stadt Pozna? (Posen) unterwegs. Wielkopolska ist eine der wichtigsten landwirtschaftlichen Regionen des Landes. Schwerpunkt ist der Ackerbau, dazu kommen dynamische Milchviehbetriebe. Ein weiterer, noch wichtiger Schwerpunkt der polnischen Milchproduktion liegt außerdem im Bezirk Podlasie, ganz im Nordosten.


Die Struktur der Betriebe in Polen ist auch zehn Jahre nach dem EU-Beitritt immer noch unterschiedlich, ihre Anzahl hoch. Karol Bujoczek, Chefredakteur von top agrar Polska, bringt es auf den Punkt: In Polen gilt jeder, der mehr als einen Hektar besitzt, in der Statistik automatisch als „Landwirt“ und hat dadurch einige Vorteile bei der Kranken- und Altersversicherung. Rund 1,35 Mio. „Betriebe“ beantragen EU-Direktzahlungen, die für viele Menschen oft überlebenswichtig sind. Vor allem im Südosten versuchen sich sehr kleine Betriebe so durchzuschlagen – sie haben kaum eine Alternative.


Nur 120 000 der Betriebe bewirtschaften mehr als 20 ha, bzw. 700 000 produzieren überhaupt Güter, die über ihren Eigenbedarf hinausgehen. Viele der Kleinen überlassen die Flächen größeren Nachbarn. Quasi als Pacht kassieren sie dann die EU-Beihilfe für die Fläche. In den landwirtschaftlichen Boomregionen wird allerdings seit einiger Zeit zusätzlich Pacht fällig. Der Bezirk Wielkopolska ist eine dieser Regionen. Hier sind die Höfe – nach der offiziellen Statistik – im Schnitt 13,5 ha groß.


Es gibt drei unterschiedliche Typen von professionellen Betrieben in Polen:


  • Staatliche Betriebe, aktuell etwa 40 Stück. Diese Güter übernehmen „strategische“ Aufgaben, wie einer der Leiter bei unserem Besuch erklärt. Sie haben überwiegend ihren Schwerpunkt in der Tierzucht. Die meisten von ihnen bewirtschaften mehr als 2 000 ha.
  • Genossenschaften, im Schnitt mit 500 bis 1 000 ha, die größte im Nordwesten bewirtschaftet sogar 13 000 ha. In ganz Polen gibt es etwa 300 dieser Genossenschaften, die in den letzten Jahren oft dynamisch gewachsen sind.
  • Familienbetriebe: Angefangen von den Kleinstbetrieben bis zu Familien- und Pachtbetrieben mit über 1 000 ha Fläche. Der Staat versucht, vor allem mittlere Familienbetriebe zu unterstützen. Die Regierung hat deshalb eine Obergrenze von 300 ha für Betriebe, die Fläche von der Treuhand kaufen, festgelegt.


Steigende Landpreise:

Wachstum wird auch für die polnischen Landwirte schwieriger. In einigen Regionen konkurrieren die wachsenden Betriebe um die Flächen. Der Landpreis ist stark gestiegen. In Ackerbauregionen wie Wielkopolska erreicht er 20 000 €/ha oder sogar mehr. Vor fünf Jahren kostete der Hektar hier noch weniger als die Hälfte.


Chefredakteur Bujoczek glaubt andererseits, dass zurzeit auch Spekulationen den Preis treiben. Ab 2016 fallen die Grenzen beim Landmarkt. Dann können auch Ausländer bzw. Firmen mit Sitz im Ausland Land erwerben. Bisher ist das polnischen Bürgern oder Gesellschaften vorbehalten. Der landesweite Durchschnitt liegt bei rund 8 000 bis 10 000 €/ha. Immer noch gehören der polnischen Treuhand große Flächen. Die Pächter haben zwar ein Vorkaufsrecht. Größere müssen aber beim Kauf einen Teil der Flächen abgeben – zugunsten der kleineren Betriebe in der Umgebung. 2012 trat das Gesetz in Kraft, mit dem der Staat das Wachstum begrenzen und Betriebe mittlerer Größe fördern will. Eine staatliche Regelung, die von wachsenden Betrieben scharf kritisiert wird. Und manche tricksen. Sie gründen Pseudogesellschaften, um die Flächen auf anderem Weg zu erwerben.


An anderer Stelle fördert die Regierung wiederum den Strukturwandel, vor allem im Südosten Polens. Aktuell gibt es im Rahmen der GAP-Reform 2014 – 2020 einen Vorschlag, der Betrieben unter 6 ha den Ausstieg erleichtern soll. Wenn sie ab 2015 (wenn das Gesetz in Kraft ist) ihre Fläche verkaufen, erhalten sie bis 2020 weiter EU-Direktzahlungen, z. B. als Alterssicherung. Polen will den kleineren Betrieben zusätzlich helfen: mehr Prämie für die ersten Hektare, gekoppelte Prämien für bis zu 30 Kühe.


Doch die Einkommenssituation der kleinen Betriebe bleibt schwierig. Wer den polnischen Durchschnittslohn von rund 1 000 € brutto erreichen möchte, braucht mindestens 20 ha und intensive Tierhaltung. Trotzdem arbeiten immer noch 12,6 % der erwerbstätigen Polen in der Landwirtschaft.


Viele junge Leute sehen kaum eine Perspektive auf dem Land. In den abgelegenen Regionen überaltern die Dörfer. Vor allem die dynamischen, gut ausgebildeten verlassen die ländlichen Regionen. Größere Betriebe, Landmaschinenwerkstätten oder auch die (wenigen) Lohnunternehmer finden hier nur noch schwer qualifizierte Mitarbeiter, trotz aktuell 12 % Arbeitslosigkeit. Und wenn sie gute Leute ausgebildet haben, können sie diese kaum im Land halten: Mehr als 2 Mio. Polen arbeiten mittlerweile im Ausland. Und das bei einer Gesamtbevölkerung von 38,5 Mio.


Dabei sind die generellen Aussichten der Landwirtschaft positiv: Seit dem EU-Beitritt hat sich viel getan, und die Mittel fließen weiter auch in die Landwirtschaft. Der „Länderbericht Polen“ des deutschen BMEL zitiert Experten mit der Einschätzung, dass Polen noch nie ein höheres Budget für die Landwirtschaft zur Verfügung hatte als heute. Das wirkt. Seit EU-Beitritt 2004 hat sich der Export der landwirtschaftlichen Erzeugnisse vervierfacht und Polen hat netto einen Exportüberschuss. Die Einkommen der Landwirte stiegen um 70 %.


Auch in die Infrastruktur wird kräftig investiert. Bei unserer Rundreise fahren wir durch adrette Dörfer mit intakten Straßen und Bürgersteigen. An vielen Häusern wird gearbeitet. Rund 89 % der Polen finden, dass die Zugehörigkeit zur EU von Vorteil ist. Und bei unseren Reportagen bringt es ein Landwirt auf seine Weise auf den Punkt: „Für uns war das der Umstieg vom Trabbi auf einen VW.“

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