Das Ergebnis des Volksbegehrens in Bayern ist kein Betriebsunfall. In NRW prüft der NABU bereits eine ähnliche Aktion. Und auch beim Tierschutz übernehmen die Gerichte immer stärker die inhaltliche Ausgestaltung. Dafür steht das Magdeburger Kastenstandurteil und möglicherweise bald auch die Normenkontrollklage zur Schweinehaltung des Landes Berlin beim Bundesverfassungsgericht. Hinzu kommt, dass der mächtige Lebensmittelhandel längst bestimmt, nach welchen Standards die Lebensmittel produziert werden. Und künftig wird das Augenmerk verschärft auf Themen wie Biodiversität liegen.
Die Agrarpolitiker laufen der Entwicklung hechelnd hinterher. Das zeigen die fast schon verzweifelten Bemühungen der EU, faire Handelsbedingungen in der Wertschöpfungskette zu verordnen oder die langen Geburtswehen des Staatlichen Tierwohllabels.
Die bisherigen Taktgeber und Entscheidungsträger, Bauernverbände und Agrarpolitiker, schaffen es immer weniger, die Zukunft der Landwirtschaft zu gestalten – zumindest nicht allein. Andere wollen direkt oder indirekt mitreden. Landwirtschaft und Ernährung sind inzwischen ein gesellschaftliches Thema. Die allermeisten Bürger werden auch in Zukunft nicht auf Fleisch verzichten. Aber sie wollen, dass es den Tieren bis zur Schlachtung gut geht – die Einstellung zum Tier hat sich geändert. Und die Sorgen über den Zustand von Natur und Umwelt treibt die Menschen um, sonst hätte das Volksbegehren nicht so viele Wähler gezogen.
Die Landwirte befürchten zurecht, dass sie bei diesen Veränderungen unter die Räder kommen. Höhere Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzstandards kosten Geld. Wer trägt diese Kosten: Die Steuerzahler, die Verbraucher oder am Ende doch die Bauern?
Söder wird helfen
Die Entwicklung in Bayern ist vorhersehbar: Ministerpräsident Markus Söder wird ein ambitioniertes neues Naturschutzgesetz vorlegen und gleichzeitig die Bauern mit mehr Geld für Agrarumweltmaßnahmen und Vertragsnaturschutz besänftigen. Das mag in Bayern gelingen, weniger zahlungskräftige Bundesländer könnten aber einfach nur das Ordnungsrecht verschärfen.
Für den Berufsstand heißt das: Er muss raus aus der Dauerkonfrontation mit den Tier- und Umweltschutzverbänden und Teilen der Politik. Er muss offensiv und aktiv vertrauensvolle und verlässliche Gesprächsebenen mit den NGO, den Grünen und all den anderen Kritikern aufbauen. Die Bauern in Westfalen mit ihrer Initiative „Offensive Nachhaltigkeit“ oder die DLG mit ihren „10 Thesen zur Zukunft der Landwirtschaft 2030“ sind schon auf dem richtigen Weg. Andere Verbände können hier noch deutlich zulegen.
Ziel muss es sein, dass die Landwirte und ihre heutigen Kritiker die Zukunft der Landwirtschaft gemeinsam gestalten. Wenn die Bauern auf die NGO zugehen und Kompromisse anbieten, dann müssen sie gleiches auch von den Umwelt- und Tierschutzverbänden erwarten. Nicht erfüllbare oder existenzgefährdende Maßnahmen oder billiges Bauern-Bashing müssen dann tabu sein. Ein Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigt, dass die Österreicher, Niederländer und Skandinavier das besser hinbekommen. Warum eigentlich?