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Rinderhalter stehen mit dem Rücken zur Wand

Lesezeit: 9 Minuten

D as darf doch nicht wahr sein! Für meine Altkühe habe ich nach Abzug der Vorkosten und in-klusive MwSt. nur knapp 260 DM pro Tier bekommen, entrüstet sich Landwirt Heinrich S. gegenüber un-serer Redaktion und legt zum Be-weis die Rechnung vor. Und das ist kein Einzelfall. Auch ein Jahr nach Beginn der BSE-Kri-se sind die Rindernotierungen rui-nös niedrig. Im Mittel aller Kate-gorien und Handelsklassen wurden bei uns Ende September/Anfang Oktober 2001 immer noch ca. 30 % niedrigere Schlachtpreise gezahlt als zwölf Monate zuvor (vgl. Über-sicht 1), während andere EU-Land-wirte besser dran sind. Ein Grund dafür: Länder wie Frankreich, Großbritannien und Holland übernehmen den größten Teil der BSE-Folgekosten. Bei uns hinge-gen werden diese meistens voll auf die Landwirte abgewälzt. Das schmälert die ohnehin niedrigen Erlöse zusätzlich. Handelsmargen ausgeweitet Doch dies sowie schleppende Exporte und die geringe Verarbeitungsquote sind zwar nachvollziehbare Begründungen da-für, dass die Notierungen für mittlere oder abfallende Schlachtrinder auf niedrigem Niveau verharren. Aber warum gilt das auch für fleischreiche Tiere? Landwirte in Deutschland sowie in Österreich fordern Antworten: Warum werden typbetonte Jungbullen, z. B. U-Qualitäten, für den Metzgerverkauf immer noch fast 20 % schlechter notiert als vor einem Jahr (mi-nus 11 % in Österreich), wenn doch Ver-braucher sogar mehr für Rindfleisch zah-len (vgl. top agrar 9/2001, Seite 127). BSE-Tests sind keine Erklärung für niedrige Jungbullenpreise. Vereinzelt wer-den zwar freiwillige Tests durchgeführt, die mit 80 bis 110 DM/Test zu Buche schla-gen können. Tiere unter 24 Monate müs-sen in Deutschland aber nicht getestet werden. Es fallen also keine Gebühren an. Und an den anderen Folgekosten (Ent-fernung von Risikomaterial etc.) allein kann es nicht liegen, dass die Spanne so groß ist. In Österreich werden diese Kos-ten voll vom Staat getragen. In Bayern und Baden-Württemberg, wo sich die Landes-kassen erheblich an den Kosten beteiligen, liegen die Belastungen nach Berechnun-gen eines südbayerischen Schlachthofes bei 150 bis 170 DM für schwere Jungbul-len. In Bundesländern ohne Beteiligung der öffentlichen Hand dürften die Fol-gekosten je nach Schlachtgewicht 50 bis 80 DM höher sein. Auch hier werden aber bei schwarzbunten Bullen 200 DM und bei Kreuzungstieren 250 DM nicht überschrit-ten. Die Aussage der ZMP Mehrbelas-tungen je Rind übersteigen 300 DM ist daher nicht haltbar (vgl. Kasten rechts). Wer übrigens glaubt, im Süden seien die Erzeugerpreise näher an der Vorjah-reslinie als in Ländern ohne Kostenüber-nahme, der irrt. Das Süd-Nord-Gefälle der Notierungen hat sich seit Anfang 2001 kaum verändert. Die finanzielle Unter-stützung kommt nur zu bestenfalls 20 % bei den süddeutschen Rinderhaltern an. Kritiker bezeichnen das als Abzocke-rei. Das Gerücht macht die Runde, die beiden marktbeherrschenden Unterneh-men Südfleisch und Moksel würden ihre Bilanzen auf Kosten der Erzeuger sanie-ren. Außerdem würden sie sich durch das Geld aus den Landeskassen erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen, da sie Rinderhälften billiger anbieten könnten als Konkurrenten aus anderen Regionen. Den Löwenanteil der größeren Spanne zwischen Ein- und Verkaufspreisen kas-siert aber der Lebensmitteleinzelhandel. Er profitiert dabei von seiner Marktmacht und davon, dass die Fleischbranche mit den Erzeugern nicht an einem Strang zieht. Es wird deshalb höchste Zeit, dass Brüssel und Berlin endlich Licht ins Kos-tenund Margendunkel bringen. Berlin lässt die deutschen Rinderhalter hängen Italienische, französische und andere Rinderhalter in der EU bekommen über-dies finanzielle Unterstützungen von ih-ren Regierungen (Liquiditätshilfen, Zins-verbilligungen etc.). Bei uns hingegen sind das eher Ausnahmen. Dabei mangelt es nicht an Ankündi-gungen, Rinderhaltern in Not unter die Arme greifen zu wollen. Aber entweder scheitern die Landwirte an den hohen An-tragshürden. Oder die Maßnahmen kom-men nicht in Gang, weil Bund und Länder sich nicht einigen können, wer denn die Kosten dafür trägt. Die Leidtragenden dieser Verzögerungstaktik sind in jedem Fall die Bauern. Seit November 2000 haben deutsche Rindfleischerzeuger durch die schlechten Erlöse über zwei Milliarden Mark verlo-ren, berichtete kürzlich der Deutsche Bauernverband (DBV). Für spezialisier-te Mäster ist das schon jetzt existenzbe-drohend (vgl. Kasten oben). Aber auch Milchviehbetriebe stehen zunehmend mit dem Rücken zur Wand. Schwache HF-Schlachtkühe erlösen unter 300 DM Milchviehhalter können nur durch gu-te Milchpreise die Minderereinnahmen für Altkühe und Kälber ausgleichen. Im Schnitt der letzten neun Monate betrug das Erlösminus gegenüber dem Vorjahr fast 415 DM pro R3-Kuh (350 kg SG) und 215 DM pro P2-Kuh (250 kg SG). Unter Berücksichtigung einer Remon-tierungsquote von 33 % sowie der antei-ligen Erlösrückgänge für Bullenkälber (minus 130 DM für HF-Tiere und minus 250 DM für Fleckvieh) ergeben sich für ei-nen Milchviehhalter mit einer Herde von 60 Kühen erhebliche Einnahmeverluste: Fleckviehbetrieben, die Schlachtkühe der Hkl. R verkaufen, fehlen insgesamt rund 15 850 DM in der Kasse (fast 265 DM pro Bestandstier). Bei einer Herdenleis-tung von 7 000 Liter Milch pro Tier ergibt das fast vier Pfennig/l. Landwirte mit HF-Kühen müssen beim Tierverkauf Einbußen von insgesamt 8 260 DM verbuchen (rund 138 DM/Be-standstier). Das entspricht zwei Pf/l Milch bei 7 000 l/Kuh. Doch der Jahresschnitt ist nur die hal-be Wahrheit. Im Herbst hat sich die Situation der Milchviehbetriebe ver-schärft. Anfang Oktober erzielten mittle-re R3-Schlachtkühe in Deutschland sogar 500 DM weniger als im Oktober 2000. Bei P2-Tieren betrug der Abstand zum letzten Jahr etwa 314 DM (vgl. Übersicht 2). Ei-nige Abnehmer zahlten für schwache Qualitäten nach Abzug der Vorkosten zu-letzt noch nicht mal 300 DM pro Tier (inkl. MwSt.). Ähnlich kritisch ist die La-ge am Kälbermarkt. Männliche HF-Tiere werden je nach Region ab Hof und ohne MwSt. für 100 bis 130 DM gehandelt. Milchviehhalter sitzen mit den Mästern in einem Boot. Alle beschäftigen folgen-de Fragen: Wie lange dauert die Durst-strecke? Warum stagnieren die Preise? Die Verarbeitung bereitet Probleme Eines ist klar: Wenn sich der gesamte Rindfleischabsatz in den letzten Monaten so entwickelt hätte wie das Thekenge-schäft, hätten wir vermutlich schon jetzt höhere Rinderpreise. Bei Frischfleisch (edle Teilstücke und Braten) sollen je nach Region mittlerweile wieder 85 bis 90 % der Vor-BSE-Mengen verkauft wer-den. Ladenmetzger sollen sogar mehr ab-setzen als im letzten Jahr. Der Frisch-fleischbereich ist jedoch nicht alles. Der wunde Punkt des Schlachtrinder-marktes ist nach Ansicht von Experten die immer noch äußerst ruhige Nachfrage der Verarbeitungsindustrie. Vor der BSE-Krise kauften hiesige Fleischwarenher-steller gut 30 % des gesamten Rindfleisch-aufkommens, vor allem Abschnitte sowie schwache Bullen- und Kuhqualitäten. En-de 2000 haben viele deutsche Fabriken je-doch Rindfleisch völlig aus ihren Rezep-turen gestrichen und bis heute gar nicht oder nur zum Teil wieder aufgenommen. Die Angst der Verarbeiter, bei einem er-neuten Aufflammen der BSE-Hysterie auf unverkäuflichen Produkten sitzen zu bleiben, sitzt noch sehr tief, berichtet ein Insider. Abnehmer aus anderen EU-Ländern sehen das offenbar anders. Billiges deut-sches Kuhfleisch wird z. B. nach Däne-mark, Schweden und Frankreich geliefert und vor Ort verarbeitet. In Frankreich, wo der Absatz vor zwölf Monaten fast gegen Null tendierte, soll er sich schon wieder auf dem Vor-BSE-Niveau eingependelt ha-ben. Dort haben die Verbraucher offenbar wieder Vertrauen in Rindfleischprodukte. Darauf wird man bei uns noch warten müssen. Experten betonen zwar, grund-sätzlich sei künftig mit einem Rückgang der positiven BSE-Testergebnisse zu rech-nen, da die kritischen Altersklassen (bis 1996/97 geborene Tiere) in absehbarer Zeit vom Markt verschwinden würden. Dann dürfte das Thema BSE weitge-hend aus den Schlagzeilen verschwinden und sich der Markt entspannen. Bis es so-weit ist, müssen aber erst noch die Altkü-he vermarktet und getestet werden, die von Landwirten in der Hoffnung auf bessere Erlöse bislang zurückgehalten wurden. Es handelt sich dabei um etwa 80 000 bis 100 000 Tiere in Deutschland, schätzt Dr. Herrmann Schlöder, Referent für Vieh und Fleisch im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL). Der Großteil davon wird voraussichtlich der BLE im Rahmen der Ankaufaktion II für über 30 Monate alte Rinder angedient und vor-erst eingelagert. Experten rechnen bis zum Jahresende denn auch mit einem An-wachsen der BLE-Lagerbestände an fast unverkäuflichem Kuhfleisch auf mindes-tens 40 000 t. Hinzu kommen zwischen 55 000 und 60 000 t Interventions-Jungbul-lenfleisch in Deutschland, EU-weit insge-samt sogar 400 000 bis 450 000 t. Der Drittlandsexport muss wieder anlaufen Das Anwachsen der Lagerbestände solle man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Kurzfristig entlasten Interven-tionskäufe in der EU zwar den Markt und stützen die Notierungen. Mittelfristig je-doch können hohe Vorräte den Preis-spielraum nach oben einengen. Das gilt besonders, wenn das Drittlandsgeschäft nur schleppend verläuft. Im Wirtschaftsjahr 2000/01 hat der Rindfleischexport der EU auf ganzer Li-nie enttäuscht. Denn traditionelle Abneh-merstaaten, vor allem in Nordafrika und im Nahen Osten, haben ihre Grenzen für EU-Rindfleisch geschlossen. Das Gleiche galt zeitweilig auch für Russland. Insge-samt wurden von Juli 2000 bis Juni 2001 in der EU nur Ausfuhrlizenzen für rund 480 000 t gezogen. Brüssel hätte nach den gültigen GATT-Vereinbarungen Erstat-tungen für 822 000 t gewähren können. Im laufenden Kalenderjahr dürften 450 000 bis 500 000 t Rindfleisch aus der EU in Drittländer geliefert werden. Im weiteren Verlauf sehen Optimisten je-doch wieder Licht am Horizont. Der Ex-port werde sich kräftig erholen, prognos-tizierte jüngst die EU-Kommission. Für 2002 rechnet sie mit einem Anstieg der Ausfuhren auf 710 000 t SG (plus 42 % gegenüber 2001), für 2003 sogar mit über 820 000 t SG. Das könnte den Markt deut-lich entlasten und das Damoklesschwert der hohen Interventionsbestände zumin-dest etwas entschärfen. Ob es so kommt, muss sich jedoch erst noch zeigen. Skeptiker warnen vor über-zogenen Hoffnungen. Russland, vor der BSE-Krise mit 49 % Hauptabnehmer der EU, kauft zwar wieder EU-Rindfleisch. Andere wichtige Absatzmärkte hingegen sind noch immer geschlossen. Ägypten, auf das sonst 18 bis 20 % der Exporte ent-fallen, hat kürzlich erst das Einfuhrverbot gegen die EU um vier Monate verlängert. Das bedeutet, dass sich das Drittlandsge-schäft vorerst nur in kleinen Schritten er-holen dürfte. Vieles hängt überdies von der Wäh-rungsparität zwischen dem Euro und dem US-Dollar ab. Sollte der Euro an Wert gewinnen, würde die Konkurrenzfä-higkeit der EU-Exporteure am Welt-markt schlechter. Nordamerikanische Mitbewerber dagegen könnten z. B. auf dem russischen Markt Boden gut machen. Vorerst ist das aber reine Spekulation. Jörg Mennerich

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