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Schnelleres Internet: Bauern helfen sich selbst

Lesezeit: 7 Minuten

In Eigeninitiative zum Highspeed-Internet. Wir zeigen Ihnen, wie das in ländlichen Regionen funktioniert.


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Wer kennt es nicht: Ein kleiner Satz mit den Worten „Wird geladen“ geschmückt von einem rotierenden Kreis, der den Ladevorgang einer Internetseite darstellt. In ländlichen Regionen können die Anwohner davon ein Lied singen. Rund 77% der Landwirte sind mit der Internetgeschwindigkeit nicht zufrieden. Das ergab das „Konjunktur- und Investitionsbarometer Agrar“, vom Deutschen Bauernverband, dem VDMA-Fachverband Landtechnik und der Rentenbank.


Schweinemäster Georg Freisfeld (45)aus Ascheberg in Westfalen war einer von ihnen. Aber er und seine Kollegen wollten sich nicht ihrem Schicksal ergeben. Sie haben eigenständig Glasfaseranschlüsse verlegt und freuen sich nun über ein Netz mit einer Up- und Download-Geschwindigkeit von bis zu 1000 Mbit/s. „Dass wir das schaffen, damit hätte niemand gerechnet“, schmunzelt er. Doch bis es soweit war, mussten sie viele Hürden überwinden.


„Die Grundidee hatten wir schon im Jahre 2015“, blickt Freisfeld zurück. Damals sollte eine Stromleitung durch die Felder in der Bauernschaft „Osterbauer“ gelegt werden. Das wollten sich die Landwirte aber nicht ohne eigenen Vorteil gefallen lassen und forderten daher die Energiegesellschaft auf, im Gegenzug direkt eine Glasfaserleitung mit zu verlegen. Diese ließ sich zwar auf den Deal mit den Anwohnern ein. Allerdings sollten sich die Bewohner an den dafür entstehenden Kosten beteiligen. „Damit waren wir einverstanden, bis wir den Kostenvoranschlag in den Händen hielten“, erzählt Freisfeld. Die Anwohner sollten insgesamt rund 38000 € für das Verlegen von 6 km Glasfaserkabel ohne jegliche Abzweigungen zu den Haushalten zahlen. Damit war das Projekt zum Scheitern verurteilt – aber die Idee vom Glasfaseranschluss ließ die Nachbarschaft nicht los.


Anreiz durch ähnliches Projekt:

„Wir haben uns von verschiedenen Anbietern Angebote erstellen lassen“, blickt Freisfeld zurück. „Die Kosten reduzierten sich zwar auf etwa 8000 € pro Haushalt, das war uns aber immer noch zu teuer.“ Das Ziel der Anwohner: Kosten senken. Zunächst ermittelten sie die Zahl der potenziellen Anschlüsse vor Ort. Danach setzten sie sich mit dem Bürgermeister zusammen, welcher am Anfang nicht gerade überzeugt war.


Ein ähnliches Projekt in einer Bauernschaft in Hamminkeln brachte sie dann auf den richtigen Weg. Auch dort wurde Glasfaser in Eigeninitiative verlegt – mit Erfolg. So profitierten die Anwohner von den dort gesammelten Erfahrungen und auch der Bürgermeister stimmte nun dem Glasfaserausbau zu.


Kosten kalkulieren:

Den Kontakt zur Anbieterfirma Muenet GmbH aus Rosendahl stellte der landwirtschaftliche Ortsverein mit Hilfe der Wirtschaftsförderer des Kreises Coesfeld her. Es gab aber eine Bedingung der Muenet: Nur wenn sich 70% der Anwohner für einen Glasfaseranschluss entscheiden, baut sie das Netz. Kosten: 1400 € für einen aktiven Anschluss, also ein Anschluss, den der Inhaber direkt nach dem Einbau mit einem Vertrag von 24 Monaten aktiviert. Dieser Betrag enthält die Kosten für das Material, wie beispielsweise die Leerrohre, das Kabel und die Verteiltechnik.


Zu jedem aktiven Anschluss können die Bewohner noch einen passiven Anschluss für 1000 € legen lassen. Das ist beispielsweise für Vermieter interessant oder Landwirte, die künftig ein Altenteil planen. Dazu kommen noch die Kosten für das Verlegen der Kabel.


Den Aschebergern war klar, dass sie nur Kosten sparen könnten, wenn sie die Erdarbeiten weitgehend selbst durchführen. „Die Kosten für den Einsatz von eigenen Maschinen, z.B. Schleppern oder Baggern, wollten wir auf alle umlegen“, so Freisfeld. Als Richtwert setzten sie den Satz des Maschinenringes an. Insgesamt kalkulierten die Ascheberger für die Erdarbeiten 570 € pro Haushalt.


Alle ins Boot holen:

Um dann alle Interessierten ins Boot zu holen, veranstalteten sie im Mai 2016 eine generelle Infoveranstaltung, bei der die Muenet und der Wirtschaftsförderer des Kreises die Funktionsweise von Glasfaser, aber auch mögliche Alternativen vorstellten. Bei einem zweiten Treffen sammelten sie dann Absichtserklärungen der Bürger ein, um zu schauen, ob die Bauernschaft überhaupt die Quote von 70% Zustimmung erreicht. Insgesamt 130 Haushalte entschieden sich für einen Glasfaseranschluss – immerhin 75%. Für eine bessere Organisation teilten die Initiatoren die Bauernschaft in fünf Areale, sogenannte Polygone auf. Je nachdem wie weitläufig diese waren, bestimmten sie pro Polygon zwei Hauptverantwortliche, die sich um die Planung kümmerten und als Ansprechpartner zur Verfügung standen. Später sammelten die Initiatoren in einer dritten Veranstaltung die unterschriebenen Verträge ein, klärten offene Fragen und präsentierten den Zeitplan des Ausbaus.


Der Baustart:

Bevor die Erdarbeiten richtig starten konnten, gründeten die Initiatoren einen Buddelverein und schlossen für diesen eine Haftpflicht-, eine Rechtsschutz- und eine Unfallversicherung ab. Kosten: je nach Versicherung und Mitgliederanzahl etwa 20 – 30 € pro Mitglied, welche bereits in den Buddelkosten enthalten sind. Damit waren alle eingesetzten Maschinen und die Arbeiter abgesichert.


Um genau zu planen, wo sie die Leerrohre verlegen, hat die Firma Muenet den Aschebergern Pläne zur Verfügung gestellt, in denen alle Wasser-, Gas- und Stromleitungen eingezeichnet sind. Für den gesamten Ausbau des Glasfasernetzes holten sie sich für den öffentlichen Grund eine Generalaufbruchgenehmigung der Gemeinde. Für den privaten Grund ließen sie sich von jedem Eigentümer einen Bauerlaubnisschein unterschreiben. Die Leerrohre verlegten sie in einer Tiefe von ca. 85 cm vorwiegend am Rand der Felder.


Das Glasfaserkabel blies die Muenet erst ein, als alle Leerrohre im Polygon verlegt waren. Mit Hilfe eines GPS-Signals zeichneten sie auf einer Karte genau auf, wo das Kabel verlegt wurde. Jeder Eigentümer erhielt im Anschluss an das Verlegen eine solche Karte im Maßstab einer Drainagekarte. „Damit weiß auch die nächste Generation, wo genau das Kabel liegt“, erklärt Freisfeld.


Ehrenamt reduziert Kosten:

Durch die ehrenamtliche Tätigkeit sparten die Osterbauern einen Teil der Kosten ein. Sie konnten sogar 10% der Buddelkosten an jeden Haushalt zurückzahlen.


Alle waren beim Ausbau involviert. Zirka sechs Arbeiter waren jeden Tag auf der Baustelle beschäftigt, nach Feierabend noch mehr. Um den Ausbau reibungslos zu organisieren, bildeten sie verschiedene Teams. Eins war für das Buddeln der Kopflöcher zuständig, ein weiteres arbeitete an den Grundstücken und bereitete dort die Übergabepunkte vor, wo der Pflug nicht mehr hin konnte. Etwa zwölf Haushalte standen wöchentlich auf dem Plan. „Der Ehrgeiz und das Engagement der Nachbarn war bemerkenswert. Einfach toll.“ Übrigens: Der Ausbau muss nicht komplett eigenständig erfolgen. In einigen Regionen bieten mittlerweile Lohnunternehmer die Erdarbeiten für etwa 900 ¤ pro Haushalt an. Vorteil: Die Arbeiten gehen zügiger voran.


Anschluss an den Haushalt:

Die Ascheberger haben sich für einen Fiber to the Home (FTTH) Anschluss entschieden. Das heißt, sie haben das Glasfaserkabel bis in die Wohnung gelegt – Kupferkabel brauchen sie nun nicht mehr. Das Kabel schließt die Muenet in der Wohnung an ein Anschlussgerät an, welches wiederum das Signal an einen glasfaserkompatiblen WLAN-Router weiterleitet. „Die meisten haben 50 oder 100 Mbit/s gebucht und zahlen dafür 45 ¤ pro Monat“, berichtet Freisfeld und ergänzt: „Der Unterschied ist gigantisch – vorher empfingen wir lediglich 1,2 Mbit/s.“ Eine Festnetzflatrate würde zusätzlich 5 ¤ pro Monat kosten.


„Vier Monate dauerte der Ausbau“, berichtet er stolz. Von der ersten Idee bis dahin verging natürlich deutlich mehr Zeit. Binnen eines Jahres lösten sie den Buddelverein wieder auf. „Wir haben mit viel Engagement geschafft, was viele nicht für möglich hielten“, erzählt Freisfeld. „Gerne geben wir unsere Erfahrungen auch an interessierte Landwirte weiter!“Kontakt:


franzis.ester-heuing@topagrar.com

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