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Serie:Zukunft Milch - Globaler Milchmarkt: In Asien geht die Post ab!

Lesezeit: 10 Minuten

Das Ende der Milchquote und die rasant wachsende Nachfrage in den Schwellenländern wird die Milchbranche in Europa verändern. Was auf Bauern und Molkereien zukommt, beschreibt Kevin Bellamy, Milchmarkt-Experte der Rabobank in Utrecht.


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Gebannt schauen die Milcherzeuger auf den 1. April 2015. Nach 31 Jahren endet dann die Milchquote. Aber schon heute ändert sich der Milchmarkt rasant. Nach Schätzungen der Rabobank wird die Nachfrage nach Milchprodukten in den nächsten fünf Jahren um durchschnittlich etwa 2,4 % pro Jahr wachsen. Ursache ist das weltweite Bevölkerungswachstum und die Zunahme des Pro-Kopf-Verbrauchs um 1 % pro Jahr.


Das Absinken der Milchpreise Anfang dieses Jahres lag deshalb auch nicht an einer schwächeren Nachfrage nach Milchprodukten, sondern daran, dass díe Milchproduktion weltweit noch schneller gewachsen ist. Dafür waren vor allem die guten Preise 2011 und günstige Witterungsbedingungen in den wichtigsten Produktionsregionen verantwortlich.


Der Konsum von Milchprodukten wächst besonders in den Schwellenländern. In den USA und Europa sind die Zuwächse dagegen klein. Teilweise stagniert der Verbrauch sogar, weil der Pro-Kopf-Verbrauch bereits hoch ist und die Bevölkerung nur noch langsam wächst.


Konsum legt um 6 bis 7 % zu.

Im Vergleich dazu entwickeln sich die Märkte in den Schwellenländern geradezu rasant. In Asien ist der Konsum von Milchprodukten um jährlich 6 % gewachsen, in Südamerika sogar um 7 % (Übersicht 1). Ursache dafür ist hauptsächlich der Anstieg des verfügbaren Einkommens der Verbraucher, ausgelöst durch den wirtschaftlichen Boom.


Die zunehmende Beschäftigung von Frauen und der Wunsch nach einer besseren Ernährung treibt die Nachfrage nach Milchprodukten für Säuglinge und nach Getränken auf Milchbasis voran. Die globale Verbreitung westlicher Gerichte mit Käse verstärkt diesen Trend.


Interessant ist auch, dass die Nachfrage dort am schnellsten wächst, wo die Milch knapp ist. Trotz aller Bemühungen von Molkereikonzernen, die Milchproduktion in China zu steigern, ist es den Chinesen bislang nicht gelungen, den zusätzlichen inländischen Bedarf aus eigener Kraft zu decken.


Indien braucht mehr Milch.

Das Gleiche in Indien: Im größten Milcherzeugerland der Welt steigern das Bevölkerungswachstum und die Verstädterung die Nachfrage nach Milchprodukten. Doch das weitgehend nicht organisierte Angebot (70 % der Milch wird nicht an Molkereien vermarktet) kann die Nachfrage kaum bedienen.


Obwohl die indische Regierung massiv auf die Selbstversorgung bei Milch und Milchprodukten drängt, wird sie angesichts der Nachfrageentwicklung künftig wohl häufiger die Schleusen für den Import öffnen müssen als in der Vergangenheit. Das zeigt sich auch daran, dass sich gegenwärtig Teile des indischen Parlamentes bemühen, ausländische Direktinvestitionen in den Lebensmitteleinzelhandel zu erlauben. Wenn das klappt, verstärkt sich automatisch der Druck, Markenprodukte aus der Milchverarbeitung zu importieren.


Auch in anderen Milchimport-Regionen lässt sich die Erzeugung nur schwierig ausweiten. In Nordafrika und im Nahen Osten fehlt eine nachhaltige Wasserversorgung. Und auch in Russland waren die Bemühungen, die Produktion wieder auf das alte Niveau vor der Wende zu steigern, bislang nicht erfolgreich.


Die gewaltigen Marktpotenziale in China, Indien und Russland lassen die großen internationalen Molkereikonzerne natürlich nicht kalt. Interessant ist, dass die meisten ihren Sitz in Industrieländern haben, die zugleich Nettoexport-Regionen für Milchprodukte sind. Diese Unternehmen mobilisieren zurzeit in hohem Tempo alle Ressourcen, um der wachsenden Nachfrage auf den neuen Märkten zu begegnen und einen Fuß in die Tür zu bekommen.


Die Herausforderung ist gewaltig. Das jährliche Wachstum der weltweiten Nachfrage nach Milch um 2,4 % entspricht der aktuellen Jahresmilchproduktion von Neuseeland. Diese Menge muss jedes Jahr zusätzlich erzeugt werden, wenn die Trends so bleiben, wie sie sind.


EU: 7,5 % mehr Milch bis 2020.

Keine Frage, die EU hat noch Reserven, die Milchproduktion auszuweiten, vor allem wenn 2015 die Quote gefallen ist. Aber schon heute gibt es nicht ausgeschöpfte Potenziale. Viele Mitgliedsstaaten unterschreiten die gegenwärtig verfügbare Quote. Andere Länder und Regionen, wie Österreich, die BeNeLux-Staaten, Nordspanien, Irland, Deutschland und Westfrankreich fahren dagegen die Produktion hoch. Hier dürfte die Erzeugung nach Wegfall der Quote noch weiter zunehmen. Aber auch hier wird mangels landwirtschaftlicher Flächen, Kapitals, Verarbeitungskapazitäten oder Marktzugänge ein Punkt erreicht, an dem weiteres Wachstum schwierig wird.


Die Rabobank schätzt, dass die europäische Milchproduktion von 2015 bis 2020 um insgesamt 7 bis 8 % ansteigen wird. Weil die heimische Nachfrage aber um deutlich weniger als 1 % pro Jahr zunimmt, dürfte der größte Teil der zusätzlichen Milch in den Export gehen.


Auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Milchproduzenten wird das wahrscheinlich wenig Einfluss haben. Es wird immer teurer sein, Milch in einer Region zu erzeugen, in der Kühe überwiegend in Ställen gehalten und mit importiertem und konserviertem Futter versorgt werden müssen. Hinzu kommen weitere Faktoren, wie das Erbrecht und der Wettbewerb um Land, die einen Einfluss auf die Rentabilität haben und das Erreichen von Größenvorteilen erschweren.


Den Preis bestimmen andere.

Beim Verkauf für den Weltmarkt wird der Preis in der Regel durch die Wettbewerber mit den niedrigeren Kosten bestimmt. Das macht es für europäische Unternehmen schwerer, mitzuhalten.


Die gute Nachricht für die hiesigen Milcherzeuger ist aber, dass es die Milchregionen mit den niedrigen Kosten allein gar nicht schaffen werden, so viel Milch zu erzeugen, wie zusätzlich nachgefragt werden wird. Zumal auch in Neuseeland, Australien oder Südamerika die Kosten steigen, wenn zum Beispiel die Weideflächen knapp werden und die Pachtpreise nach oben gehen.


Bestes Beispiel ist dafür Ozeanien: Trotz der fantastischen Saison 2011/2012, als Neuseeland und Australien ihr Milchangebot um 20 % bzw. um 5 % erhöhten, werden beide großen Exporteure wahrscheinlich zunehmend eingeschränkt werden: In Neuseeland wird das Land knapp und in Australien sind der Ausweitung der Milcherzeugung durch das trockene Klima enge Grenzen gesetzt.


Südamerika, die andere bedeutende Niedrig-Kosten-Region, zeichnete sich in den letzten Jahren zwar durch eine rasche Zunahme des Angebots aus. Aber hier schauen Erzeuger und Verarbeiter noch immer mit Sorge auf die politische und ökonomische Stabilität ihrer Länder, bevor sie investieren. Und auch dort sind zuletzt die Produktionskosten gestiegen.


Nordamerika hat ebenfalls die Milch-erzeugung kontinuierlich ausgebaut. Amerikanische Molkereikonzerne nehmen zunehmend Exportmärkte in den Blick, um neue Einnahmequellen zu erschließen. Deshalb haben die US-Exporte zuletzt ständig zugelegt und im vergangenen Jahr einen Anteil von 13 % an der Gesamtproduktion erreicht.


Noch ist unklar, wie sich das neue US-Landwirtschaftsgesetz, das 2013 verabschiedet werden soll, auf die Gesamtproduktion auswirkt. Weil die bestehenden Marktordnungsmaßnahmen die Milcherzeuger 2009 nicht vor dem Preisabsturz schützen konnten, hat die mächtige Agrarlobby mit der US-Regierung eine Versicherung für Mindestmargen ausgehandelt. Diese Regelung soll aber mit Produktionsbegrenzungen verbunden werden, damit die Kosten für das Programm kalkulierbar bleiben. Das würde in den USA die für den Export verfügbaren Milchmengen deutlich begrenzen.


Produkt-Mix ändert sich.

Die neuen Verbraucher in Indien und China fragen ganz andere Produkte nach als unsere Verbraucher im Westen. Milchprodukte für Säuglinge, Folgeprodukte für Kleinkinder, Mischgetränke aus Saft und Milch und Gesundheitsprodukte sind ein Renner und haben die höchsten Wachstumsraten (siehe Übersicht 2). Auf die klassischen Milchprodukte Butter, Trinkmilch und Käse stehen Chinesen, Inder und andere dagegen weitaus weniger. Die Wachstumsraten für diese Produkte werden dort deshalb niedrig bleiben.


Der Run auf Säuglingsnahrung und Babyfolge-Produkte macht Molkenpulver, Milcheiweiß-Konzentrate und Laktose immer interessanter. Die positive Preisentwicklung dieser Produkte in den letzten Jahren hat schon heute die Profitabilität von Käsewerken entscheidend verbessert. Wenn sich die ungleiche Entwicklung zwischen dem zunehmenden Käseangebot und der steigenden Nachfrage nach Molke und Laktose fortsetzt, wird Molke weiter an Wert gewinnen, während die Renditen für Käse sinken (siehe Übersicht 3).


Märkte bleiben volatil.

Bei allen positiven Aussichten bleibt ein Wermutstropfen: Die Milchpreise werden in Zukunft stärker und möglicherweise auch schneller schwanken als bisher. Ursache sind die Veränderungen in den globalen Lieferketten, die steigende Zahl der Versorgungsmöglichkeiten, Klimaschwankungen oder Turbulenzen auf den Finanzmärkten.


Der Milchsektor ist deshalb gefordert, effektive Mechanismen zu entwickeln, um mit diesen Schwankungen umzugehen. So müssen die Unternehmen nicht nur die Auswirkungen der Schwankungen von Angebot und Nachfrage bewältigen, sondern auch die der gleichzeitig ablaufenden Währungsschwankungen.


Entscheidend wird sein, wie es gelingt, die wachsenden Preisschwankungen in Zukunft abzupuffern. Zum einen entwickelt sich inzwischen allmählich ein Terminhandel an den Börsen. Zum anderen können auch die Molkereien ihren Beitrag durch eine vorausschauende Preisgestaltung leisten. Vorausgesetzt, sie verfügen über eine hinreichende Liquidität. Bislang haben aber vor allem die Genossenschaften die Preishochs und -tiefs voll an ihre Mitglieder weitergegeben. Alternativ könnten sie die Auszahlungspreise in Hochphasen frühzeitig deckeln, um dann im Preistief die fallenden Preise nicht in Gänze an ihre Erzeuger weitergeben zu müssen.


Wie reagieren?

Der sich rasch wandelnde Milchmarkt stellt vor allem die größeren Molkereien vor große Herausforderungen. Sie müssen den Heimatmarkt pflegen und gleichzeitig die neuen Wachstumsmärkte erschließen. Das heißt, in heimische oder verwandte Märkte investieren und zugleich an Strategien, Produkten und Kompetenzen für die Eroberung der neuen Wachstumsmärkte arbeiten.


Das Zeitfenster scheint dafür nicht allzu groß: Weil viele potenzielle lokale Partner in den Schwellenländern bereits Kooperationen eingegangen sind oder übernommen wurden, entwickelt sich gerade bei europäischen Unternehmen verstärkt die Einsicht, dass jetzt schnell gehandelt werden muss. Wie stark der Markt boomt, zeigt sich daran, dass auch große Getränkekonzerne wie Coca-Cola oder PepsiCo in den Sektor einsteigen.


Molkereien, die sich bereits auf den Märkten von Schwellenländern etabliert haben, haben vor allem die Sorge, nicht genügend Milch zu bekommen. Sie setzen deshalb verstärkt auf vertikale Integration. Teilweise steigen sie selbst in die Erzeugung ein oder binden die Milcherzeuger über vertragliche Vereinbarungen oder Genossenschaften langfristig an das Unternehmen.


Eine Chance für Deutschland?

Keine Frage: Auch für die deutschen Milcherzeuger und ihre Molkereien bieten sich Chancen, weiter zu expandieren. Sie werden allerdings in einem harten internationalen Wettbewerb stehen und von starken Preisschwankungen nicht verschont bleiben.


Einige Erzeuger werden sich schneller entwickeln als andere. Vor allem die Genossenschaftsmolkereien müssen Mechanismen entwickeln, wie diejenigen, die ihre Milcherzeugung stark ausdehnen, ihrem Abnehmer mehr Kapital in Form von Anteilen zur Verfügung stellen.


Die Unternehmen, die sich im Wesentlichen auf etablierten heimischen Märkten bewegen, müssen Instrumente finden, wie sie die zu verarbeitende Milchmenge an ihre Absatzpotenziale anpassen, um ein Überangebot zu verhindern. In diesen Fällen sind Vertragsquoten oder ein A- und B-Milchpreissystem überlegenswert.


Deutschland wird aber auch weiterhin auf den Export angewiesen sein. Unter unseren Produktionsbedingungen können wir dort aber nur niedrigere Margen realisieren als zum Beipiel die Neuseeländer mit der ganzjährigen Weidehaltung.


Klar ist: Wer die Märkte in Schwellenländern bearbeiten will, muss sein Unternehmen darauf ausrichten. Das heißt: Mit Partnern vor Ort zusammenarbeiten und neue Produktlinien entwickeln, um den Bedürfnissen der neuen Konsumenten auch gerecht zu werden. Und es bedeutet auch, ungewohnte Rechtssysteme und größere Ausfallrisiken in Kauf zu nehmen. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

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