Der Wissenschaftliche Beirat hat mit seinem Gutachten zur Tierhaltung massive Reaktionen ausgelöst. Vier Punkte werden v. a. kritisiert:
- Es werde nicht genug gewürdigt, dass sich im Tierschutz in den vergangenen 20 Jahren viel getan habe.
- Die Erwartungen des Beirats bezogen auf die künftige Tierwohl-Nachfrage seien viel zu optimistisch.
- In offenen Märkten könne man keine höheren Tierschutzstandards und höheren Preise durchsetzen.
- Und wenn es künftig nationale Tierschutzprämien als Ausgleich für höhere Standards gebe, drohe eine neue Abhängigkeit von staatlichen Subventionen – jetzt nur an anderer Stelle.
Das muss nun diskutiert werden. Die Bauern sind besorgt, zu Recht. Wer sich anschaut, was die Gesellschaft fordert und wie der Verbraucher beim Einkauf handelt, erkennt schnell, dass das nicht zusammenpasst. Und der Lebensmittelhandel tut sich mit neuen Ansätzen auch schwer. Das zeigen die Geburtswehen der Initiative Tierwohl
Wie jetzt politisch diskutiert wird, war absehbar: Die Agrarkritiker und die Grünen bejubeln das Gutachten, die Bauernverbände verdammen es. Und jetzt? In die Tonne mit dem Gutachten?
Das wäre zu kurz gedacht. Die Frage, wie wir die wirtschaftliche Realität und die gesellschaftlichen Erwartungen so zur Deckung bringen, dass Bauern und Bürger damit leben können, ist die entscheidende agrarpolitische Frage der Zukunft. Hieran müssen alle – auch der Berufsstand – offen und selbstkritisch mitarbeiten.
Die Wissenschaft muss Impulse geben, wie sich die Branche weiterentwickeln kann. Sie muss sagen, was das kostet und wann wir was umsetzen können. Dann kann die Gesellschaft mit den Bauern darüber diskutieren, ob sie bereit ist, dafür das Geld auf den Tisch zu legen. Genau diese breite Diskussion will der Beirat. Leider ist das im politischen Getöse untergegangen.
Der Beirat muss sich v. a. vorhalten lassen, dass die über 400-seitige Langfassung des Gutachtens viel differenzierter ist als die knapp 80-seitige Kurzfassung. Diese spitzt unnötig zu und wirkt einseitiger, als es vielleicht beabsichtigt war. Da hätte der Beirat mehr politisches Fingerspitzengefühl zeigen müssen. Es wäre schade, wenn wegen dieser handwerklichen Fehler die Kernfragen des Gutachtens nicht diskutiert würden.