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top agrar-SerieVollkosten - Milch: So senken Sie Ihre Kosten

Lesezeit: 9 Minuten

Im Preistal, kurz vor dem Ende der Quote, geht es für die ­Milchviehhalter mehr denn je darum, die eigenen Kosten zu kennen – und im Griff zu halten.


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Damit hat EU-Agrarkommissar Hogan alle überrascht: „Ich bin mir sicher, dass man im Milchsektor noch immer ordentliche Gewinne machen kann“, gab er den europäischen Milchbauern kurz vor dem Ende der Quote mit auf den Weg. Hogan sprach dabei von Milchpreisen von ca. 35 ct/kg. Er rechnet damit, dass die Erzeugerpreise mittelfristig um diesen Wert schwanken werden. Von einer Milchkrise will der Kommissar deshalb nichts hören.


Manch ein Landwirt wird sich da gefragt haben, woher der Kommissar seine Informationen bekommt. In weiten Teilen Deutschlands liegen die Auszahlungs­preise zurzeit an der 30-Cent-Marke oder darunter. Und die wenigsten Milchviehhalter können mit 35 Cent ihre Vollkosten decken. Fakt ist auch, dass sich am Markt noch keine wirklichen Anzeichen einer kommenden Trendwende erkennen lassen.


Vielen Milcherzeugern bleibt daher nur eins: Sie müssen ihre Kosten in den Griff bekommen. Dass es dafür Potenzial gibt, belegen die Zahlen der landwirtschaftlichen Beratung in ganz Deutschland. Im Norden ermittelt Johannes Thomsen von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein jährlich die Produktionsdaten von über 1 000 Milchviehbetrieben. Im Jahr 2014 produzierte das beste Viertel dieser Betriebe den Liter Milch für satte 7 Cent weniger als das schlechteste Viertel. In den neuen Bundesländern das gleiche Bild: Andreas Gottensträter vom Beratungsunternehmen Koesling Anderson hat den Überblick über mehrere hundert Betriebe. Hier beträgt der Unterschied sogar 9 Cent. Und im Süden veröffentlicht Dr. Gerhard Dorfner von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) jährlich die Ergebnisse der Betriebszweig­abrechnung (BZA) Milch. Zwischen dem besten und dem schlechtesten Viertel lagen hier gewaltige 15 Cent Kostenunterschied. 6 der 15 Cent sind dadurch zu erklären, dass im unteren Viertel mehr Betriebe mit Anbindeställen vertreten sind, die höhere Arbeitskosten haben. Doch wie erklären sich die verbleibenden 9 Cent?


„Das einzelbetriebliche Management hat einen viel größeren Einfluss auf die Kosten als es der Standort, die Rasse oder die Haltungsform jemals haben werden“, ist Dorfner überzeugt. Für alle, denen die aktuellen Milchpreise schwer zu schaffen machen, ist das eine gute Nachricht. Das heißt, dass die meisten Betriebe noch Potenzial haben, sich besser aufzustellen. Wo diese Potenziale liegen, ist jedoch von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Wer seine Kosten senken möchte, wird daher nicht darum herumkommen, sie zunächst genauer auszurechnen.


Einen ersten Überblick können sich Landwirte beispielsweise mit dem Deckungsbeitragsrechner der LfL Bayern verschaffen (s. Heft+). Darüber hinaus bieten in Bayern sowie in den meisten anderen Bundesländern die Landwirtschaftskammern oder Landesanstalten für Landwirtschaft Unterstützung bei der Erstellung einer BZA an. Mit wenig Aufwand können Landwirte mittels der BZA berechnen, wo ihre Kostentreiber liegen (s.a. Reportage S. 60 unten). Wie unterschiedlich die Kostenstrukturen – und damit die Einsparpotenziale – auf den einzelnen Betrieben sein können, zeigen folgende vier typische Beispiele (alle konstruiert), die für viele Betriebe mit ähnlichen Strukturen stehen könnten (s. Übers. 1).


Tief im Süden Deutschlands stehen im Anbindestall von Landwirt Ludwig Hobmaier 40 Fleckvieh-Kühe. Er kommt auf eine Grundfutterleistung von 2 615 kg ECM (4 % Fett, 3,4 % Eiweiß) pro Kuh und Jahr und eine Gesamtleistung von 7 276 kg. Weil er mit seinen Fleckvieh-Kälbern und -Schlachtkühen gute Preise erzielt, nimmt er pro Kuh und Jahr 600 € an Nebenerlösen ein – was rund 10 ct zusätzlich zu jedem verkauften Liter Milch ausmacht. Ein weiterer Pluspunkt: Der Anbindestall ist schon lange abbezahlt, sodass er dafür keinen Zinsdienst leisten muss. Hobmaier hat noch 15 Jahre bis zur Rente und möchte bis dahin eigentlich von seinen Milchkühen leben können. Er fragt sich, bis zu welcher Schmerzgrenze er den aktuellen Milchpreisverfall zumindest kurzfristig aushalten kann, ohne über eine vorzeitige Betriebsaufgabe nachdenken zu müssen. Er rechnet daher alle Kosten zusammen, denen auch wirkliche Ausgaben im aktuellen Wirtschaftsjahr zugrunde liegen. Dazu gehören alle variablen Kosten sowie einige Fest- und Faktorkosten, die Hobmaier laufend bezahlen muss, die sogenannten „ausgabewirksamen Fest- u. Faktorkosten“.


Noch nicht hinzu rechnet Hobmaier seine Abschreibungen sowie seinen Lohnansatz, weil diese zunächst keine realen Ausgaben darstellen. Er kommt somit zu seiner „kurzfristigen Liquiditätsschwelle“: Bis zu diesem Milchpreis bleibt Hobmaiers Girokonto „flüssig“ – er hat aber an seiner Arbeit noch keinen Cent verdient und keine Abschreibungen gedeckt. Er errechnet einen Wert von 24,4 ct. Allerdings rechnet er als pauschalierender Betrieb alle Kosten und Einnahmen inklusive Mehrwertsteuer. Weil die von den Molkereien angegebenen Milchpreise jedoch Netto-Preise, also ohne Mehrwertsteuer, sind, muss Hobmaier von den 24,4 ct noch 10,7 % abziehen. Das wären dann 22,0 ct. Bis zu diesem Preis könnte er kurzfristig durchhalten, ohne dass eine baldige Zahlungsunfähigkeit droht.


Hobmaier will aber weder umsonst arbeiten noch seinen Stall dem Verfall überlassen. Um regelmäßig in Technik und Reparaturen investieren zu können, muss er auch seine Abschreibungen mit dem Milch­geld decken. Für sein Eigenkapital setzt er außerdem 2 % Zinsen an – wenn er weniger erwirtschaften kann, würde er sein Geld lieber auf die Bank bringen, so Hobmaiers Kalkül. Richtig ins Gewicht fallen im Anbindestall aber die Arbeitskosten: Etwa 70 Stunden pro Kuh und Jahr muss Hobmaier anpacken. Weil seine Arbeit anspruchsvoll ist und er zudem das komplette Unternehmerrisiko trägt, rechnet Hobmaier mit einem Stundenlohn von 17,50 €, was einer Belastung von 16,9 ct pro Kilo Milch entspricht. Deswegen kommt er auf einen vollkostendeckenden Netto-Milchpreis von 40,1 ct. Dabei sind die Nebenerlöse schon von den Kosten abgezogen.


Wesentlich stärker drückt der Schuh bei Hobmaiers jungem Nachbarn Huber, der 60 Braunvieh-Kühe im Laufstall mit Melkroboter hält. Zwar produziert dieser seine Milch mit Vollkosten von 39,9 ct nicht teurer als Hobmaier, doch liegt seine kurzfristige Liquiditätsschwelle bei 27,6 ct – damit braucht er fast 6 ct mehr als Hobmaier, um auch kurzfristig über die Runden zu kommen. Woran liegt das? Zum einen bringt Hubers Braunvieh weniger Nebenerlöse. Unter dem Strich sind das 5 ct/kg weniger. Zum anderen hat Huber seinen Stall erst vor wenigen Jahren neu gebaut und zu 70 % über die Bank finanziert. Dafür will sie monatlich Zinsgeld sehen – Milchkrise hin oder her. Auch das macht 2 ct/kg aus. Nochmals zwei Cent mehr kostet der Melkroboter an Strom. Seine Stärken spielt Hubers Laufstall dafür in der Arbeitswirtschaft aus: Pro Kuh muss er gerade einmal 31 Stunden pro Jahr arbeiten – bei gleichem Lohnansatz ein Vorteil von fast 10 ct gegenüber dem Anbindestall!


Ist die Milch aus einem modernen Laufstall also kaum günstiger als die aus einem alten Anbindestall? Das kommt auf die jeweilige betriebliche Situation an. Huber muss für seinen Laufstall noch rund 5 ct/kg an Zinsen und Abschreibungen für seinen Stall-Neubau berappen. Hobmaier hingegen möchte seine Anbindehaltung in 15 Jahren ohnehin aufgeben und nicht mehr in einen neuen Stall investieren. Deswegen – und weil sein Fleckvieh mehr Nebenerlöse erzielt – kann er mit 40,1 ct seine Vollkosten decken.


Hoch im deutschen Norden sind die Herden größer und die Kühe meist schwarzbunt. So auch bei (der ebenfalls fiktiven) Betriebsleiterin Katharina Hansen mit ihren 120 Holstein-Kühen. Sie hat einen Melker angestellt und erzielt mit ihren Holstein-Kühen ähnlich magere Nebenerlöse wie Huber mit seinem Braunvieh, weswegen ihre kurzfristige Liquiditätsschwelle bei 27,7 ct/kg netto liegt. Dafür hat sie Vorteile in der Arbeitswirtschaft: Durch die große Herde muss sie in jede einzelne Kuh weniger Arbeit investieren. Weil ihr außerdem ihr Melker zur Hand geht, muss sie für sich selbst nur einen Lohn von 5,4 ct ansetzen. Deswegen stehen bei ihr unter dem Strich Vollkosten von 35,9 ct/kg.


Völlig anders sieht die Rechnung bei der ostdeutschen Milch e.G. aus. 685 schwarzbunte Kühe stehen dort in dem Stall aus DDR-Zeiten mit einem 20 Jahre alten Melkzentrum. Sie geben um 8 750 kg Milch pro Jahr, bringen aber nur Nebenerlöse von 4 ct/kg. 98 % der Arbeit erledigen Mitarbeiter auf Stundenbasis, weswegen die Löhne von 6 ct/kg hier zu den variablen Kosten zählen – und damit zur kurzfristigen Liquiditätsschwelle. Insgesamt brauchen die Genossen damit 34,2 ct/kg, um ­liquide zu bleiben. Da sie bei der Umsatzsteuer optieren, sind all diese Werte bereits netto gerechnet. Weil die 34,2 ct/kg aber bereits die Arbeitskosten enthalten, ist der Schritt zu den Vollkosten von 37,1 ct/kg nicht so weit.


Wie die Kosten senken?

Für alle vier Betriebe ist eines klar: Auf Dauer können sie bei den aktuellen Milchpreisen nicht durchhalten. Wer nicht einfach auf bessere Zeiten hoffen will, dem bleibt nichts anderes, als seine Kosten noch besser in den Griff zu bekommen. Oft liegen die größten Reserven in der Grundfutterleistung. Anbindehalter Hobmaier rechnet z. B. aus, dass seine Kühe aktuell 11,5 kg TM pro Tag zu sich nehmen. Könnte er diesen Wert um nur 1 kg verbessern, indem er beispielsweise das Futter täglich einmal mehr anschiebt, so würde die Grundfutterleistung um 630 kg ansteigen. Weil er so mehr Milch produzieren würde, ohne seine Kosten merklich zu steigern, würden seine Vollkosten pro Liter sofort um einen halben Cent sinken. Sein Nachbar Huber setzt zunächst bei der Futterqualität an: Er möchte sein Grünfutter künftig früher schneiden und so den Energiegehalt seiner Grassilage um 0,5 MJ NEL/kg TM erhöhen. Dadurch verspricht er sich eine um 400 kg verbesserte Grundfutterleistung – und eine Kostenersparnis von ebenfalls 0,5 ct/kg.


Dem typischen ostdeutschen Betrieb, wie ihn die Milch e.G. darstellt, rät Berater Gottensträter dazu, alle Bereiche anzupacken: Zunächst würde er an der Qualität der Grassilage arbeiten. Dies lasse sich durch eine angepasste Nachsaat und Düngung, einen besser gewählten Schnittzeitpunkt sowie die Vermeidung von Silierfehlern erreichen. Weil dabei die Erträ­ge steigen und die Verluste sinken, wird das Grundfutter kaum teurer, der Energiegehalt lässt sich aber um ca. 0,2 MJ NEL/kg TM anheben und hierdurch die Milchleistung um ca. 250 kg steigern.


Danach würde Gottensträter die Herdengesundheit angehen: Wer Krankheiten genau dokumentiere und analysiere, der könne diese oft durch einfache Änderungen bei Tierüberwachung und -behandlung, Fütterung oder bei den Stallverhältnissen in den Griff bekommen. So würden sich z. B. bei der Milch e.G. nicht nur die Tierarztkosten auf ca. 1,2 ct senken, sondern auch die Abgangsquote reduzieren und Kälberverluste auf unter 10 % drücken lassen. Wer schließlich noch den Einsatz von Kraft- und Sonderfuttermitteln gezielter an den Bedarf der Kühe anpasst und Sojaschrot durch Rapsschrot ersetzt, habe seine Vollkosten bereits um rund 2,5 Cent gesenkt. Langfristig lasse sich durch den Einsatz von Spitzengenetik bei der Besamung die Leistung nochmals um 500 – 1 000 kg verbessern und dabei die Kosten um rund 1 bis 2 ct/kg absenken, so der Berater.


Auf welche leicht umsetzbaren Strategien zur Kostensenkung Landwirte aus ganz Deutschland setzen, lesen Sie in den folgenden Reportagen.Claus Mayer

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