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Trockengelegt – Brenner vor dem Aus?

Lesezeit: 8 Minuten

Das deutsche Branntweinmonopol hat viele Stürme überstanden. Jetzt kommt das Ende: 2013 zunächst für Verschlussbrennereien, 2017 dann auch für Obst- und Kleinbrenner. Lohnt sich das „Verspriten“ dann noch?


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Wenn Martin Empl seine Brennerei betritt, beschleicht ihn Wehmut. Wie es aussieht, kann der Landwirt aus Augsburg die Produktionsanlage, mit der er bisher jährlich 3 000 hl Rohalkohol aus Feuchtmais gebrannt hat, künftig nicht mehr nutzen.


Denn sogenannte Verschlussbrenner, die Getreide, Mais und Kartoffeln zu Alkohol unter Aufsicht der Zollverwaltung brennen, können dieses Jahr letztmals Rohalkohol an die staatliche Monopolverwaltung liefern. Danach ist Schluss. Und Empl hat sein Brennkontingent für 2013 bereits ausgeschöpft.


Experten gehen davon aus, dass die meisten der noch knapp 500 verbliebenen landwirtschaftlichen Verschlussbrennereien die Herstellung von Alkohol beenden. Viele dieser Brennereien sind genossenschaftlich organisiert, sodass mehrere tausend landwirtschaftliche Betriebe davon betroffen sind.


Kein Garantiepreis mehr:

Das Brennen von Getreide und Kartoffeln war bis-her wirtschaftlich interessant, weil in Deutschland die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein einen Garantiepreis für Rohalkohol bezahlte. Dieser wurde auf Basis der Vollkosten ermittelt und war nach der Höhe des Brennrechtes gestaffelt. Zuletzt zahlte das Monopol durchschnittlich 130 €/hl. Damit war der Garantiepreis etwa doppelt so hoch wie der Marktpreis in der EU. Aufbereiteter Agraralkohol kostete zuletzt 75 €/hl.


Der EU-Kommission ist dieses System wegen seiner produktionsbezogenen Beihilfen schon lange ein Dorn im Auge. Dennoch wurde das deutsche Branntweinmonopol immer wieder verlängert. Ende dieses Jahres ist damit aber endgültig Schluss. Ab 2014 müssen sich die Brenner am freien Markt bewähren. Sie sind dann zwar nicht mehr an ihr Kontingent gebunden und dürfen soviel Rohalkohol erzeugen, wie sie wollen. Dafür können sie diesen aber nur noch zu Marktpreisen verkaufen.


Als Ausgleich für den Wegfall ihrer Brennrechte und als Umstiegsbeihilfe erhalten die Verschlussbrennereien vom Staat fünf Jahre lang einen Ausgleichsbeitrag von 51,50 €/hl Brennrecht. Das entspricht aktuell etwa der Differenz zwischen staatlichem Garantiepreis und Marktpreis.


Die Beihilfe ist nicht zweckgebunden, sodass die Brennereien das Geld auch zum Aufbau anderer Betriebszweige verwenden können, zum Beispiel für die Energieerzeugung (s. Reportage S. 38).


Viele hören auf.

Weil die Beihilfe befristet ist, werden wohl nur wenige landwirtschaftliche Korn- und Kartoffelbrenner weiter Alkohol erzeugen. „Für die industrielle Verwertung sind die meisten von uns zu klein und für die Direktvermarktung von Spirituosen zu groß“, beschreibt Martin Empl, der dem Bundesverband deutscher Kartoffelbrenner vorsitzt, das Dilemma.


In der Tat haben die landwirtschaftlichen Brenner beim Rennen um die Kostenführerschaft entscheidende Nachteile. So bewegen sich industrielle Hersteller in ganz anderen Größenordnungen. Die Euro-Alkohol GmbH im westfälischen Lüdinghausen erzeugt zum Beispiel jährlich 180 000 hl Korn- und Getreidedestillate und vermarktet diese weltweit. Die größten landwirtschaftlichen Brennereien erreichen gerade mal 10 000 hl.


Hinzu kommt ein weiteres Problem. Landwirtschaftliche Brennereien können nur Rohalkohol mit einem Ethanolgehalt von rund 85 % herstellen. Dieser Rohstoff muss jedoch noch großtechnisch gereinigt und aufbereitet werden, bevor er als Neutralalkohol („Primasprit“) mit mindestens 96 % Ethanol für die Lebensmittelverarbeitung oder industrielle Verwertung nutzbar ist.


Bisher hat diesen Part die Bundesmonopolverwaltung in ihren drei Aufbereitungsanlagen in München, Nürnberg und Wittenberg übernommen. Die Anlage in Wittenberg wurde bereits an das Chemieunternehmen Brüggemann verkauft, das inzwischen mit einigen Brennereien Abnahmeverträge für Rohalkohol abgeschlossen hat. Das Werk in Nürnberg ist stillgelegt und dient nur noch als Lager. Nur die Anlage in München läuft noch.


Reinigungsanlage kaufen?

Eine Gruppe von 62 landwirtschaftlichen Brennereien aus Niedersachsen und Bayern überlegt aktuell, die Reinigungsanlage in München gemeinsam zu pachten und zu betreiben. Dahinter steckt die Überlegung: Nur wer selbst reinigt und aufbereitet, kann auch aktiv vermarkten und Marktsegmente mit hoher Wertschöpfung besetzen.


Ein Haken ist die Größe der Anlage. Um die Reinigungskosten auf 12 bis 14 €/hl zu drücken, müssten die Betreiber deren Kapazität von 300 000 hl pro Jahr auslasten. Zum Vergleich: Die Rohalkoholanlieferung aller Verschlussbrenner in Deutschland lag zuletzt bei rund 600 000 hl.


Zudem wächst auf der Vermarktungsseite der Wettbewerb. Die SüdzuckerTochter „CropEnergies“ hat kürzlich angekündigt, am Standort Zeitz 27 Mio. € in den Bau einer Veredlungsanlage zur Herstellung von hochwertigem Neu-tralalkohol in Lebensmittelqualität zu investieren. Die Inbetriebnahme der Anlage mit einer Kapazität von 600 000 hl Neutralalkohol ist für 2015 geplant. Das entspricht etwa der Menge, die bisher das Monopol erzeugt hat.


Finanziell dürfte die Investition für den Bioethanol-Riesen kein Problem sein. CropEnergies brennt allein in Zeitz jährlich 3,6 Mio. hl Ethanol aus Getreide und Rübensirup und hat damit im abgelaufenen Geschäftsjahr 87 Mio. € Gewinn gemacht.


Dass der Bioethanolhersteller attraktive Renditen erwirtschaftet, hat mit der Verwertung der Schlempen zu tun. CropEnergies trocknet und pelletiert diese und vermarktet sie als hochwertiges Eiweißfuttermittel mit 29 % Rohprotein unter dem Namen Protigrain.


Auch hier können die meisten landwirtschaftlichen Brennereien nicht mithalten, weil ihre Anlagen für das Trocknen der Schlempen zu klein sind. Lediglich Brennereien, die selbst über eine Viehhaltung mit Flüssigfütterung oder eine Biogasanlage verfügen, können die Schlempen rentabel verwerten.


20 bis 25 €/hl fehlen.

Eine gute Verwertung der Nebenprodukte allein wird aber nicht reichen, damit landwirtschaftliche Brenner am Markt bestehen können – zumindest dann, wenn sie für den Massenmarkt produzieren. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn sich Hersteller von Agraralkohol zu Erzeugergemeinschaften zusammenschließen, was der Gesetzgeber im neuen Agrarmarktstrukturgesetz ausdrücklich erlaubt.


Bei den aktuellen Marktpreisen für Alkohol und Getreide ist das Brennen für landwirtschaftliche Verschlussbrenner nicht wirtschaftlich. Allein der Rohstoff Getreide belastet bei Preisen von 20 €/dt den Liter Rohalkohol mit 52 bis 54 €/hl. Aufbereitung und Transport kosten weitere 16 bis 18 €/hl. In der Summe entspricht das bereits fast dem aktuellen Erlös für Rohalkohol.


Der komplette Aufwand für das Brennen von den variablen über die festen Kosten bis hin zum Arbeitsaufwand ist damit aber noch nicht abgedeckt. „Wir bräuchten mindestens 20 bis 25 €/hl mehr, als der aktuelle Marktpreis hergibt, um unsere Anlagen wirtschaftlich betreiben zu können“, folgert Empl.


Andererseits ist noch nicht klar, wie sich der Alkoholmarkt nach Ende des Monopols entwickelt. Einige Brenner hoffen, dass die Marktpreise steigen und spezielle Segmente knapp und teurer werden könnten. Sie wollen deshalb zunächst die Entwicklung abwarten und erst in ein oder zwei Jahren eine Entscheidung treffen, ob sie weiterbrennen oder ihre Anlagen verschrotten.


Marktbeobachter gehen aber davon aus, dass bäuerliche Erzeuger von Agrar-alkohol nur dann Chancen haben, wenn sie Marktnischen besetzen und Premiumprodukte mit hoher Wertschöpfung erzeugen. Das kann die Herstellung besonderer Rohprodukte (z. B. reiner Kartoffelalkohol) oder von Spirituosen-Spezialitäten (z. B. Wodka) mit Direktvermarktung sein.


Obstbrenner liefern bis 2017.

Doch auch auf dem Markt für regionale Spezialitäten dürfte es künftig enger werden. Denn das Ende des Branntweinmonopols zwingt auch die rund 18 000 noch aktiven Abfindungsbrenner in Deutschland, sich noch stärker am Markt zu orientieren.


Abfindungsbrenner sind Obst- und Kleinbrenner, die aus Obst und Getreide brennen dürfen und dafür einen niedrigeren Steuersatz eingeräumt bekommen (siehe Kasten „Diese Brenner trifft es“). Die Menge an Alkohol, die sie nicht selbst vermarkten können, dürfen sie bisher ans staatliche Monopol liefern. Dafür bekommen sie einen Garantiepreis, der etwa doppelt so hoch ist wie der für die Verschlussbrennereien. Der staatliche Ankauf der überschüssigen Alkoholmengen läuft jedoch 2017 aus. Nur die Steuerermäßigung soll bleiben.


Nach Angaben des Bundesverbandes der Obst- und Kleinbrenner verarbeiten die Abfindungsbrenner bisher rund 40 % des von ihnen erzeugten Rohalkohols zu Spirituosen, die restlichen 60 % liefern sie ans Monopol. Das heißt: Die Obstbrenner müssen in den Direktabsatz einsteigen oder diesen steigern, wenn sie weiter brennen wollen. Denn am Massenmarkt haben sie wegen der höheren Produktionskosten pro Liter Alkohol noch weniger Chancen als die Verschlussbrennereien.


Hubert Fröhlich, Vorsitzender des Fränkischen Klein- und Obstbrennerverbandes, geht davon aus, dass nur ein Teil der Betriebe diesen Weg gehen wird. „Etwa 10 % meiner Kollegen bereiten sich auf den freien Markt vor, der Rest wartet ab“, beschreibt Fröhlich die Situation in seinem Verband. Viele ältere Brenner werden nach Fröhlichs Einschätzung nicht mehr mit der Direktvermarktung beginnen, weil dies sehr viel Energie und Investitionen erfordert.


Trotzdem ist die Stimmung unter den Obst- und Kleinbrennern viel zuversichtlicher als bei den Verschlussbrennern. „Wir gehen davon aus, dass wir bis 2017 einen guten Übergang in den freien Markt finden werden“, sagt Gerald Erdrich, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Klein- und Obstbrenner. Die Abfindungsbrenner seien schon frühzeitig in die Direktvermarktung eingestiegen und hätten den Selbstvermarktungsanteil in den letzten Jahren bereits um 10 % gesteigert, begründet Erdrich seinen Optimismus.


Viele investieren.

Die Investitionsbereitschaft unter den Brennern scheint tatsächlich hoch zu sein. Verbandsvertreter berichten, dass die Hersteller von Brennereizubehör zurzeit volle Auftragsbücher haben.


Große Hoffnungen setzt Erdrich auf die Gründung von Erzeugergemeinschaften. „Zusammen lassen sich neue Produkte, wie Apfelbranntwein oder Apfelessig, leichter entwickeln und vermarkten als allein“, ist der Verbandsgeschäftsführer überzeugt. Welche Möglichkeiten sich hier auftun, zeigt das Beispiel der Edelbrandgenossenschaft im badischen Sasbachwalden (siehe Reportage S. 38).


Zudem braucht es künftig auch Zusammenschlüsse, um den Vor- und Nachlauf zu verwerten. Diese machen etwa 30 % der Alkoholausbeute eines Brandes aus und eignen sich wegen ihrer Zusammensetzung nicht für die Herstellung von Spirituosen. Die Abfindungsbrenner haben sie deshalb bisher weitgehend ans Monopol geliefert.


„Wenn Erzeugerorganisationen künftig diese Mengen sammeln und z. B. zu Brennspiritus aufbereiten, dann lässt sich daraus noch eine gewisse Wertschöp-fung erzielen“, so Werner Albrecht, Experte für Agraralkohol im Bundes-landwirtschaftsministerium. Andernfalls müssten Brenner diese Alkoholfraktion künftig als Abfall entsorgen.


Klaus Dorsch

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