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Lesezeit: 6 Minuten

Milch


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Das hätte sich Milchviehhalter Bernhard Brüning vor einem Jahr nicht träumen lassen. Der brutale Absturz der Milchpreise hat ihn fast zahlungsunfähig gemacht. Nur seine Rücklagen haben ihn gerettet.


Mit 100 Kühen und ordentlicher Leistung fühlte sich der Betrieb Brüning eigentlich gut für die Zukunft aufgestellt – doch dann lief der Milchmarkt aus dem Ruder.


Bei einem Milchpreis von 24 Ct/kg Milch (brutto) zu Beginn des Wirtschaftsjahres 2009/10 reichte das monatliche Milchgeld nicht mehr aus, um die laufenden Betriebs- und Privatausgaben zu decken. Jeden Monat fehlten ab Mai rund 10 000 €! Die Liquidität schmolz wie Schnee in der Sonne (Übersicht 1, S. 38).


Die erschütternde Bilanz: Bis Ende November 2009 hatte sich trotz geringer Fremdkapitalbelastung und guter Produktionstechnik ein Liquiditätsminus von knapp 70 000 € aufgebaut. Der Betrieb wäre ohne Rücklagen nicht mehr zahlungsfähig gewesen.


Erst die vorgezogene Auszahlung der Betriebsprämie im Dezember konnte die Liquiditätslücke deutlich mindern. Insgesamt wurde das Wirtschaftsjahr 2009/10 mit einem Liquiditätsminus von gut 5 000 € abgeschlossen. Der Schock sitzt Brüning noch in den Knochen. Deshalb möchte er für das nächste Wirtschaftsjahr besser vorbereitet sein. Aber wie?


Zwei Szenarien für 2010/11


Zusammen mit seinem Betriebsberater verschafft sich Brüning einen Überblick über die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben im Wirtschaftsjahr 2010/11. Wie sich die Betriebskosten und der Milchpreis entwickeln werden, können die beiden dabei kaum abschätzen. Um auf der sicheren Seite zu sein, rechnen sie bei sonst gleichen Kosten mit zwei Extremszenarien:


Im pessimistischen Fall fällt der Milchpreis mit starken saisonalen Ausschlägen. Der erreichte Durchschnittspreis liegt bei 25 Ct/kg brutto.


In der optimistischen Variante steigt der Milchpreis im Laufe des Jahres kontinuierlich an und liegt im Schnitt bei 35 Ct/kg brutto.


In beiden Szenarien sind die Zahlungen aus dem Sonderprogramm Landwirtschaft (Kuh- und Grünlandprämie) bereits enthalten. Auch die 2010 beginnende Abschmelzung der Betriebsprämien und die höhere Modulation sind in die Kalkulation eingegangen. Brüning wird dadurch rund 1 160 € Prämien gegenüber dem Vorjahr verlieren.


Situation bleibt angespannt


Die schlechte Nachricht vorweg: Die Liquiditätssituation bleibt in jedem Fall angespannt. Kommt es hart auf hart und stürzt der Milchpreis ähnlich drastisch ab wie 2008/09, wächst die Liquiditätslücke weiter an. Dann bleibt am Ende des Wirtschaftsjahres 2010/11 ein Fehlbetrag von knapp 33 000 €. Vor allem im Jahr 2010 klafft zeitweise eine erhebliche Zahlungslücke von bis zu 80 000 €.


Und: Selbst wenn sich der Milchpreis, wie in der zweiten Variante, wieder fängt und im Schnitt auf ein Niveau von optimistischen 35 Ct/kg brutto steigt, verbessert sich die Liquiditätssituation nicht grundlegend. Sie bliebe vor allem im ersten Halbjahr 2010/11 massiv angespannt. Bis zur Auszahlung der Betriebsprämie im Dezember 2010 würde der Betrieb trotz guter Leistungen und anziehender Preise ein Liquiditätsminus von gut 30 000 € anhäufen. Allenfalls ein Milchpreis über 40 Ct/kg könnte ein Zahlungsdefizit in dieser Zeit verhindern. Ein solches Preisniveau erscheint aus heutiger Sicht aber äußerst unwahrscheinlich.


Festgelder aufgelöst


Brüning wird klar, dass weiterhin akuter Handlungsbedarf besteht. Deshalb stellt er eine geplante Aufstockung der Milchviehhaltung und anstehende Maschineninvestitionen zurück. Die dafür angesparten Festgelder in Höhe von rund 100 000 € benötigt er, um die kommenden Zahlungslücken zu stopfen.


Als sich Anfang 2009 die Milchkrise anbahnte, hatte er schon Teile dieses Geldes auf sein Tagesgeldkonto umgebucht und so kurzfristig verfügbar gemacht (siehe Kasten: Sofortmaßnahmen). Die Mobilisierung dieser Reserve ersparte dem Betrieb in den Monaten bis zur Auszahlung der Betriebsprämie hohe Kontokorrentzinsen.


Darüber hinaus vereinbart er mit dem Finanzamt, die Steuervorauszahlung zu stunden. Dennoch: Es wird lange dauern, bis Brüning sich von der aktuellen Situation erholt hat. Das wird am positiven Preisszenario deutlich. Gut 60 000 € Liquiditätsstand im April 2011 gäben zwar wieder Luft zum Atmen, wären aber auch dringend erforderlich.


Denn bei rund 70 000 € Abschreibungen und 11 000 € Tilgung muss Brüning einen Liquiditätsüberschuss in dieser Höhe erwirtschaften, um nicht weiter von der Substanz zu zehren. Um langfristig gesund zu bleiben und 15 000 bis 20 000 € Eigenkapital pro Jahr zu bilden, wären sogar rund 80 000 € Überschuss notwendig. Dies entspricht im Rechenbeispiel einem Milchpreis von 37 Ct/kg brutto bzw. einer Leistungssteigerung von knapp 500 kg/Kuh.


Ohne Reserven geht es auf Dauer nicht


Ein solches Preisniveau liegt derzeit in weiter Ferne. Deshalb sollte Brüning sich neben der kurzfristigen Sicherung der Liquidität unbedingt auch mit der mittel- und langfristigen Rentabilität seines Betriebes auseinandersetzen. Betriebe, die dauerhaft Eigenkapital verlieren, können auch die besten finanziellen Sofortmaßnahmen nicht retten!


Brüning hat außerdem gemerkt, wie wichtig eine „eiserne Reserve“ ist. Während sein Nachbar mit der Bank um eine Erweiterung des Kontokorrentrahmens und eine Umschuldung verhandeln musste, konnte Brüning die bisherigen Auswirkungen der Krise am Milchmarkt bis jetzt aus eigener Kraft bewältigen.


Das soll auch in Zukunft so bleiben, denn die Preisausschläge werden auf dem Weg zum Weltmarkt eher zunehmen, was zu großen Einkommens- und Liquiditätsschwankungen führt. Allein bei Brüning liegen zwischen der pessimistischen und der optimistischen Variante über 90 000 € Spannbreite im Jahr 2010/11 (Übers. 2).


Auch Milchviehhalter werden daher in guten Phasen Rücklagen bilden müssen. Als Faustzahl für die Höhe sollten 30 bis 50 % eines durchschnittlichen Jahresgewinnes in Form von Festgeldern oder Wertpapieren angestrebt werden. Wer Rücklagen aufbauen will, braucht allerdings auch entsprechend gute Preise. Bleibt zu hoffen, dass diese bald wieder kommen.


Wir halten fest


Für Milchviehhalter sind die vergleichsweise ruhigen Marktbedingungen endgültig vorbei. Angesichts der weiterhin angespannten Lage sollten die Betriebsleiter ihre Liquidität vorausschauend im Auge behalten und sich auf kommende Engpässe rechtzeitig vorbereiten. Denn selbst wenn die Milchpreise langsam wieder anziehen sollten, kann es in vielen Betrieben bis zum Jahresende noch eng werden, da die Reserven vielerorts aufgebraucht sind. Neben entschlossenen Sofortmaßnahmen, sollten Milchviehhalter aber auch langfristige Konsequenzen aus der aktuellen Situation ziehen. Auch für Sie wird eine vorausschauende Liquiditätsplanung und ein gutes Rücklagenmanagement auf Dauer unverzichtbar.


Dabei können sie von Sauenhaltern lernen, die seit Jahrzehnten mit stark schwankenden Preisen zurechtkommen müssen. Wie der Ferkelerzeuger Lammers in guten Jahren Speck ansetzt, lesen Sie ab der nächsten Seite.


Wilfried Richarz, LWK NRW

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