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Unterschreiben Sie nicht jede Erklärung!

Lesezeit: 6 Minuten

Manch ein Landwirt hat noch die Situation aus dem Jahr 2002 vor Augen, als etliche Landhändler und Genossenschaften kurz vor der Ernte ohne Vorankündigung diverse Zusicherungen rund um das Getreide verlangten. Die Palette der erwarteten Garantien war breit gestreut: Erzeuger sollten beispielsweise zusichern, dass die Rohware bestimmte Gehalte an Mykotoxinen oder Schwermetallen nicht überschritt, nicht von gentechnisch verändertem Saatgut stammte, frei von jeglichen Exkrementen war oder der Transport nur in abgedeckten Fahrzeugen erfolgte. Die Haftungszusagen überschritten die gesetzlichen Bestimmungen teilweise erheblich. Was den Handel dazu veranlasste, lesen Sie im Kasten Risiken auf die Erzeuger abgewälzt. Garantieerklärungen sind kein Thema mehr Gemessen an der Aufregung, die die geforderten Erklärungen verursachten, ist am Ende recht wenig daraus geworden. Denn die Landwirte spielten nicht mit und verweigerten die Unterschrift. Gleichzeitig kamen Warnungen vom Bauernverband sowie den Haftpflichtversicherern, die die Erklärungen aus Sicht der Landwirte für rechtlich äußerst bedenklich hielten. Handel und Genossenschaften mussten klein beigeben und einsehen, dass ihre Vorstellungen teils weit über das Ziel hinausschossen. Daher wird man die Schnellschüsse des letzten Jahres zu dieser Ernte kaum wiederholen. Dennoch ist das Thema Qualitätsvereinbarungen keineswegs vom Tisch. Deshalb hier noch einmal: Landwirte müssen bei Garantieerklärungen sehr vorsichtig sein. Denn wer etwas garantiert, muss dafür einstehen und kann sich nicht darauf berufen, ihn treffe kein Verschulden. Haben Sie als Landwirt zusätzliche Garantieerklärungen für die Beschaffenheit der Ware übernommen, so sind Sie von der Pflicht zum Schadensersatz nicht mehr befreit, wenn ein Mangel auftritt. Auch Gewährleistungs- und Haftungsbeschränkungen, die eventuell in Kauf- oder Lieferverträgen vereinbart wurden, greifen bei einer Garantieerklärung nicht mehr. Außerdem gerät der Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung in Gefahr: Wenn Sie die Haftung durch die Garantieübernahme erweitern, riskieren Sie, dass die Versicherung nicht eintritt. Für den Schaden aus einer nicht eingehaltenen Zusicherung zahlen Sie dann selbst. Blockade gegen sämtliche Zusicherungen ist falsch Am besten wäre es natürlich, nichts zu unterschreiben. Doch Getreideerzeuger manövrieren sich am Markt selbst ins Abseits, wenn sie jegliche Kommunikation zur Qualitätssicherung verweigern. Nach Ansicht der Marktbeteiligten werden Erzeuger daher um die eine oder andere Erklärung nicht herumkommen. Wie weit können Landwirte hier gehen? Um Rechtssicherheit zu behalten, sollten Sie wirklich nur solche Eigenschaften erklären, von denen sie sicher wissen, ob sie eingehalten sind. Hier einige Punkte, die in der Praxis immer wieder diskutiert werden: ? Sie können nicht garantieren, dass Ihr Getreide nicht von gentechnisch verändertem Saatgut stammt. Sie können zwar erklären, dass Sie solches weder eingekauft noch wissentlich eingesetzt haben. Aber ob die Saat entsprechende Verunreinigungen enthielt oder Ihr Getreide durch Einträge von Versuchsflächen usw. beeinträchtigt wurde, können Sie nicht beurteilen. ? Für die Freiheit z. B. von Pestizidrückständen können Sie Ihre Hand nicht ins Feuer legen. Sie wissen nur, dass Sie die bei uns zugelassenen Pflanzenschutzmittel gemäß den gesetzlichen Anforderungen eingesetzt haben. ? Ob und welche Gehalte an Fusarientoxinen (DON, Zealarenon) oder beispielsweise Schwermetallen (aus Lufteinträgen, Überschwemmungen) das Getreide enthält, können Sie ohne kostenaufwändige Laboruntersuchung nicht wissen und daher nicht für die Einhaltung bestimmter Höchstwerte garantieren. Zumal für die Fusarientoxine bisher kein verbindlicher Grenzwert und keine einheitliche Bestimmungsmethode definiert wurde. ? Die Freiheit von Fremdbestandteilen wie z. B. Exkrementen ist beim Getreideverkauf aus der Ernte heraus nicht zu garantieren. Anders ist die Situation, wenn Sie das Erntegut bei eigener Lagerung entsprechend reinigen können. ? Die Verwendung von Z-Saatgut ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Nachbau darf verwendet werden. Hier geht es um Ihre Produktionsmethode, die sich nicht unbedingt in der Produktqualität niederschlägt. Wenn Ihr Handelspartner aber den Einsatz von Z-Saatgut zur Beschickung besonderer Qualitätsprogramme wünscht (zum Beispiel wegen der Sortenreinheit), könnten gesonderte Vereinbarungen mit Preiszuschlägen getroffen werden. ? Klärschlamm darf laut Gesetz zur Düngung eingesetzt werden. Die Frage danach können Sie von rechtlicher Seite her entsprechend Ihrer Düngepraxis bedenkenlos mit ja oder nein beantworten. Zunehmend wünschen die Endabnehmer allerdings, dass Getreide ohne Klärschlamm erzeugt wird. Möglicherweise verschlechtern Sie also mit der Angabe Ihre Position als Handelspartner. Über allem stehen aber die Kernfragen: Welche Zusicherungen fordern Handel und Genossenschaften? Zu welchen Erklärungen sind die Landwirte bereit und in der Lage, ohne Kopf und Kragen zu riskieren? Lösungsvorschläge vom Bauernverband Um einen Kompromiss zwischen den Interessen beider Seiten zu finden, hat sich der DBV auf Ebene einiger Landesverbände mit dem genossenschaftlichen und teils auch dem privaten Handel an einen Tisch gesetzt. Das Ziel: Praktikable Lösungen zu finden, die aus Sicht der Landwirte rechtlich unbedenklich und auch von den Haftpflichtversicherern abgesegnet sind. Dabei wurden ausdrücklich keine Garantien erarbeitet, sondern Vereinbarungen zur Qualitätssicherung. Die wesentlichen Inhalte der richtungsweisenden Lösungen aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zeigt der nebenstehende Kasten. Landwirten aus Regionen, in denen die Verbände bisher nichts Vergleichbares vereinbart haben, ist zu empfehlen, sich beim Getreideverkauf an den vorgestellten Lösungen zu orientieren. Die Marktpartner sollten das akzeptieren. Wie gehts mit der Qualitätssicherung weiter? Auf längere Sicht werden Getreideerzeuger aber mit Beschaffenheitsvereinbarungen nicht aus dem Schneider sein. Vielmehr sind die Weichen in der Nahrungsmittelbranche bereits auf Rückverfolgbarkeit und Herkunftsnachweis gestellt. Der Weg dazu führt über die Dokumentation. Und die Vorbereitungen laufen längst: Beispielsweise erarbeitet der Landvolkverband in Niedersachsen ein Muster, das in der einfachsten Form Aufzeichnungen über den Anbau (Ackerschlagkartei) sowie über die Lagerung und den Transport beinhaltet. Die beim Erfasser gezogenen Rückstellproben ermöglichen es dann, den Bogen zurück zum Erzeuger zu spannen und praktisch jede Lebensphase des Getreides nachzuvollziehen. Auch andere Systeme sollen u.a. die Anforderungen an die Prozessdokumentation erfüllen. Das Korn mit Lebenslauf ist also keine Zukunftsmusik, sondern bereits greifbar. Kritisch darf gefragt werden, wer die Kosten der zusätzlichen Aufwendungen trägt, die mit Qualitätssicherungssystemen in der Getreideproduktion verbunden sind. Angemessen wäre es, wenn sie durch Preiszuschläge honoriert würden. Unfair wäre es, wenn der fehlende Beipackzettel wieder nur ein Argument für Abzüge wäre. Dann müssten sich die Abnehmer auch fragen lassen, ob es ihnen logistisch überhaupt möglich ist, in den Lägern einzelne Partien mit und ohne Herkunftsnachweis getrennt unterzubringen oder wie es mit der Qualitätssicherung und Beprobung bei Importen z. B. aus Drittländern aussieht. Ina Schellbach

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