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Waldbauern liefern Strom und Wärme für 2 000 Haushalte

Lesezeit: 4 Minuten

D as Paradebeispiel für eine Gemeinde, die vom Einstieg in die erneuerbaren Energien profitiert hat, ist die 4 500- Seelen-Stadt Güssing im Burgenland/Österreich. Im südöstlichen Zipfel an der Grenze zu Ungarn und der Slowakei gelegen, gehörte die Region 1988 zu den ärmsten in Österreich mit hoher Abwanderungs- und Arbeitslosenquote. Damals mussten wir erkennen, dass wir sehr viel Geld für Öl, Gas und Strom ausgeben. Mit der Nutzung heimischer Rohstoffe wollten wir dem entgegenwirken und das Geld in der Region behalten, erinnert sich Reinhard Koch, Landwirt und heute Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für Erneuerbare Energie (EEE) in Güssing. Auf Initiative von Koch und seinen Berufskollegen begann der Einstieg 1991 mit einem Werk zur Herstellung von Biodiesel, um den vor Ort anfallenden Raps besser zu verwerten. 1993 folgte dann ein Nahwärmekonzept für die Stadt. Wir haben mit Energieeinsparungsmaßnahmen vor allem bei den öffentlichen Gebäuden begonnen und konnten damit zunächst den Energieverbrauch halbieren, berichtet Koch. Alle öffentlichen Gebäude sind angeschlossen Mit dem EU-Beitritt Österreichs und damit dem Zugang zu neuen Fördermitteln entstand 1996 ein Biomasseheizwerk. Initiiert hatte es unter anderem der Burgenländische Waldbesitzerverband. Ziel war es, minderwertiges Holz, das nicht für die Industrie geeignet ist, zu nutzen. Als Erfolgsmodell bezeich- net Koch, dass in dem Verband rund 4 000 Kleinwaldbesitzer zusammengefasst wurden. Die Durchforstung und die Holzernte steuert der Waldbesitzerverband heute zentral. Über ein Nahwärmenetz von insgesamt 24 Kilometer Länge versorgt das Heizwerk heute mit zwei Kesseln von 3 und 5 MW Leistung 260 Objekte. Ein Ölkessel mit 6 MW deckt die Spitzenlast ab. Rund 45 % der Haushalte sowie alle öffentlichen Gebäude sind angeschlossen. Unterstützt wird die Heizleistung von etwa 500 m2 Solarthermiefläche auf mehreren Häusern. Die Güssinger haben sich auf diesem Erfolg nicht ausgeruht. 2002 folgte als Pilotprojekt ein Biomasse-Heizkraftwerk, in dem Holz vergast wird. Dieses Gas erzeugt in einem Blockheizkraftwerk 4,5 MW Wärme und 2 MW Strom. Die Wärme fließt auch in das Nahwärmenetz, der Strom wird ins öffentliche Netz ein- gespeist und zu Konditionen des österreichischen Ökostromgesetzes (derzeit 14,5 Cent je kWh) vergütet. Dieses Heizkraftwerk wird wissenschaftlich begleitet von der Universität Wien. Arbeitsplätze und Wert- schöpfung vor Ort Wie steht die Region heute, rund 15 Jahre nach dem Energiewechsel, da? ? Das preisgünstige Wärmeangebot sowie der Bedarf an Fachkräften hat dazu geführt, dass sich rund 50 Betriebe in den vergangenen 15 Jahren angesiedelt haben und etwa 600 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Die Arbeitslosigkeit ist von 8 auf unter 6 % gesunken. ? Ein Beispiel: In einem neuen Industriegebiet haben sich zwei Parkettindustriebetriebe angesiedelt, die von der Wärme für die Holztrocknung profitieren. Im Gegenzug liefern sie günstige Holzabfälle, die in den Biomasseheizwerken verbrannt werden. ? Rund 7 Mio. E bleiben jetzt in der Region, die sonst jährlich für Energieausgaben abgeflossen wären. ? Das Energiekonzept hat Güssing 2004 den Preis für die innovativste Gemeinde Österreichs eingebracht. ? Die Region hat internationale Bedeutung bekommen. Ein Beispiel: Das Heizkraftwerk mit der Holzvergasung hat Automobilhersteller wie Daimler- Chrysler, Volvo, VW und Renault dazu bewogen, ein Forschungsprojekt für alternative Treibstoffe aus Biomasse zu starten. Interessanterweise ist die Industrie von sich aus auf die Gemeinde zugegangen. ? Wöchentlich besuchen rund 350 Fachleute, Politiker, Schüler und Journalisten die Stadt, um sich über das Energiekonzept zu informieren. ? Aus einer ersten Initiative ist heute das Europäische Zentrum für Erneuerbare Energien mit 15 Mitarbeitern entstanden. Von hier aus werden nicht nur Weiterbildungsmaßnahmen, sondern auch internationale Forschungsprojekte zum Aufbau von alternativen Energiekonzepten gesteuert. ? Ein neuer Wirtschaftszweig, der Ökotourismus, ist entstanden. Das hat nicht nur den Bau eines neuen Hotels ermöglicht, sondern auch die Qualifikation von Frauen zu staatlich geprüften Fremdenführerinnen. Das Vorbild Güssing hat auch Nachbargemeinden zum Umdenken gebracht. Rund 35 Anlagen mit insgesamt 62 MW thermischer Leistung sind im Südburgenland entstanden, zählt Alexandra Kopitar, Projektkoordinatorin im EEE, auf. Damit stehen nirgendwo in Österreich so viele Energieanlagen. Ein Beispiel ist die 500 kW-Biogasanlage in Strem, die ohne Gülle nur nachwachsende Rohstoffe wie Mais oder Kleegras verarbeitet. Die Wärme wird ebenfalls nach Güssinger Vorbild in ein Nahwärmenetz eingespeist. Hinrich Neuman

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