Leserbrief einer ungeliebten Pflanze
Was habt Ihr eigentlich gegen mich? Bin ich zu groß? Versperre ich Euch die Sicht auf Eure geliebte Kulturlandschaft? Oder bin ich schlicht zu erfolgreich? Wenn der Weizen längst am Ende ist, wachse ich noch weiter, bis weit in den Herbst hinein. Zum Dank sprecht Ihr von „Vermaisung der Landschaft“ und „Maiswüsten“.
Das finde ich respektlos. Fast 6 700 Jahre habe ich immer das getan, was Ihr von mir verlangt habt. Mais, das heißt Menschenpflanze. So haben mich die Mayas in Südamerika genannt. Nicht zu Unrecht, finde ich. Meine Stärke ist meine Vielseitigkeit. Menschen und Tiere mögen mich gleichermaßen. Kein Kinobesucher ohne Popcorn, kein Bulle ohne Maissilage und kein Schwein ohne CCM. Und jetzt braucht Ihr meine Energie auch noch für Strom und Sprit, weil Ihr keinen Bock mehr auf Atomenergie habt und das Öl knapp wird.
Klar, mach ich doch gerne. Ich brauche dafür nur Wasser, Sonne und etwas Dünger, den ich vollständig verwerte und so gut wie nichts von dem guten Stickstoff ins Grundwasser lasse. Das können Euch nicht alle Kulturpflanzen versprechen. Wenn Ihr mir Gärrest und Gülle gebt, brauche ich nicht mal Mineraldünger.
Ich bin sehr robust und meistens gesund, weil ich ein besseres Immunsystem habe als Getreide, Gemüse und Kartoffeln. Wenn ich klein bin, müsst Ihr mich aber gegen Unkraut schützen. Später ist mir das egal.
Und ich wachse mit meinen Aufgaben. Jedes Jahr bringe ich 3 bis 5% mehr Ertrag, ohne dass Ihr an meinen Genen herumpfuschen müsst. Über etwas mehr Dankbarkeit würde ich mich freuen.
Eure Maispflanze!
Anton Baumann,
88239 Wangen