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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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Was das Greening kostet

Lesezeit: 11 Minuten

Die Diskussion über die Ausgestaltung des Greenings gewinnt an Schärfe. Wie hart die Vorschläge die deutschen Landwirte treffen würden, zeigt unsere Analyse.


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Das Greening der Direktzahlungen erregt die Gemüter. Die Naturschützer sind begeistert. Unnütz, nicht zeitgemäß und viel zu teuer, meinen dagegen die meisten Landwirte. Dennoch wird das Greening wohl kommen – und die Betriebe im Einzelfall hart treffen.


Was steht auf dem Spiel?

Wie das Greening letztendlich aussieht, lässt sich heute im Detail noch nicht sagen. Die agrarpolitische Diskussion ist noch in vollem Gange (siehe Kasten Seite 25). An drei Grundelementen hält die Kommission bislang hartnäckig fest:


  • Ökologische Vorrangflächen: Landwirte müssen 7 % ihrer Ackerfläche für ökologische Zwecke zur Verfügung stellen. Wer die nicht hat, muss Fläche stilllegen.
  • Eine Fruchtfolge aus mindestens drei Früchten. Jede einzelne Kultur muss mindestens 5 % der Ackerfläche einnehmen, darf aber 70 % nicht überschreiten.
  • Darüber hinaus greift ab 2014 ein einzelbetriebliches Grünlandumbruchverbot. Bis zu 5 % Abnahme pro Betrieb möchte EU-Agrarkommissar Ciolos tolerieren. Das gilt in einer ganzen Reihe von deutschen Bundesländern allerdings schon heute.


Wenn Sie eine dieser Grundregeln verletzen, droht Ihnen die Kürzung Ihrer Direktzahlungen. Geht es nach der EU-Kommission, verlieren Sie auf jeden Fall den Anspruch auf die Greening-Prämie (30 % der Direktzahlungen). Die genaue Höhe ist noch ein strittiger Punkt. Nach jüngsten Aussagen der Kommission ist ein Totalverlust der Gesamtprämie zwar nicht mehr zu befürchten. Die Sanktionen sollen aber bis zu dem doppelten der Greeningprämie betragen können.


Grund genug für uns, die einzelbetrieblichen Auswirkungen des Greenings unter die Lupe zu nehmen: Wie könnten die Betriebsleiter reagieren? Und was würden diese Maßnahmen kosten? Lohnt es sich sogar, auf das Greening und damit auf einen Teil der Direktzahlungen zu verzichten? Wir haben für zwei besonders stark betroffene Betriebe, einen Milchviehhalter und einen Ackerbauern, nachgerechnet.


Betriebe im Greening-Check:

Milchviehhalter Petersen wirtschaftet auf der schleswig-holsteinischen Geest. Er hält 120 Kühe im Boxenlaufstall und bewirtschaftet 119 ha Fläche, davon 65 ha Ackerland auf leichten Böden. Ein Betrieb, wie er für die Milcherzeugung im nördlichsten Bundesland typisch ist.


Das Problem: Wegen der Flächenknappheit – für Neupachten werden nicht selten 800 €/ha gezahlt – baut Petersen auf den Ackerflächen ausschließlich Mais an. Damit verletzt er die Greening-Bedingung, mindestens drei Früchte anzubauen. Zusätzlich zur erforderlichen Fruchtfolgeerweiterung müsste Petersen 4 % seiner Ackerfläche in ökologische Vorrangflächen überführen. Die fehlenden 3 % erbringt er bereits durch Feldrandgehölze und andere anrechenbare Landschaftselemente.


Unser zweiter Landwirt, nennen wir ihn Müller, bewirtschaftet einen Marktfruchtbetrieb in der Hildesheimer Börde: Auf 120 ha Ackerfläche, allesamt beste Lössböden, fährt der Landwirt die Fruchtfolge Zuckerrüben – Winterweizen – Winterweizen – Wintergerste. Damit hält er die Fruchtfolge-Bedingungen des Greenings bereits ein.


Was hier beißt, sind die 7 % ökologische Vorrangflächen. Diesbezüglich hat der Betrieb nichts zu bieten, was man anrechnen könnte. Warum sollte man auch freiwillig solche Sahneböden aus der Produktion nehmen?


Was kostet das Greening?

Um zu ermitteln, wie viel Geld beim Greening auf der Strecke bleibt, haben wir analysiert, welche Anpassungsmöglichkeiten die Betriebe haben und wie viel weniger sie dadurch am Ende eines Jahres verdienen. Dazu muss man Annahmen treffen, wie die Betriebsleiter auf die Greening-Auflagen reagieren würden.


Im Milchviehbetrieb von Petersen entsteht durch das Greening eine Futterlücke, denn der Maisanbau muss zur Aufnahme zweier weiterer Früchte und zur Integration der ökologischen Vorrangflächen eingeschränkt werden. Mais kann nur noch auf 70 % der Ackerfläche (45,5 ha) angebaut werden. Auf den verbleibenden 30 % der Ackerfläche baut Petersen dann Roggen-Ganzpflanzensilage und 5 % Ackergras an. 2,6 ha (= 4 % der Ackerfläche) werden als ökologische Vorrangflächen aus der Produktion genommen und jährlich einmal gemulcht.


Petersen entschließt sich, die Futterlücke durch Zukauf von Maissilage zu schließen. Rechnerisch sind das ca. 387 t Frischsubstanz (FS) Mais zu einem Preis von 39 €/t FS frei Hof. Damit ließe sich das Leistungsniveau der Herde halten. Eine Reduzierung des Viehbestandes ist für Petersen keine Alternative.


Das Ergebnis ist ernüchternd: Wie Übersicht 1 zeigt, entgehen dem Betriebsleiter rund 8 300 € Einkommen infolge gestiegener Kosten der Grundfutterbeschaffung. Zur Einordnung: Das sind 70 €/ha Betriebsfläche oder knapp 130 € je ha Ackerfläche. Damit frisst das Greening rund 10 % des Betriebsgewinns eines durchschnittlichen Wirtschaftsjahres.


Petersen könnte die Greening-Kosten noch etwas drücken, wenn er ertragsschwächere Flächen aus der Produktion nähme. In den Berechnungen wurde angenommen, dass durchschnittlich ertragsreiche Flächen aus der Produktion gehen.


Gar nicht erst mitmachen?

Petersen rechnet nach: Bei Nicht-Einhaltung des Greenings würde er mit Sicherheit die Greening-Prämie (30 % der Direktzahlungen ab 2014) verlieren und vielleicht sogar Teile der Grundprämie in Form der restlichen 70 % aufs Spiel setzen. Bei einer angenommenen Prämienhöhe von rund 300 €/ha und 119 ha Betriebsfläche beläuft sich die Greening-Prämie für den Betrieb auf 10 700 € pro Jahr. Als nüchterner Rechner kommt Petersen schnell zu dem Schluss, dass sich die Einhaltung der Greening-Auflagen auf jeden Fall empfiehlt: 8 354 € pro Jahr weniger zu verdienen, ist immer noch besser, als 10 700 € Greening-Prämie zu verlieren.


Was aber, wenn die Prämie ab 2014 deutlich abgesenkt werden würde? Mit spitzem Bleistift errechnet Petersen die kritische Prämienhöhe, bei deren Unterschreitung sich die Einhaltung des Greenings nicht mehr lohnen würde. Ergebnis, erst ab einem Rückgang auf 234 €/ha wären die Kosten des Greenings genauso hoch wie der totale Verlust der Greening-Prämie. Erst wenn die neuen Zahlungsansprüche ab 2014 einen Nennwert von weniger als 234 €/ha hätten, müsste der Milchviehhalter überlegen, auf das Greening zu verzichten. Und das wohlgemerkt nur im Fall, dass die Politik Greening- und Grundprämie nicht verknüpft.


Das Greening wäre für Petersen verträglicher, wenn der Betrieb, wie einige EU-Agrarminister und EU-Abgeordnete fordern, lediglich zwei und nicht drei Kulturen nachweisen müsste. In diesem Fall reduzieren sich die Greeningkosten auf rund 7 000 € pro Jahr, da Petersen auf den Ackergrasanbau verzichten könnte (Alternative 1, in Übersicht 1, Seite 22). Noch besser wäre eine komplette Befreiung von der breiteren Fruchtfolge für Betriebe mit 50 % Grünland und mehr (Alternative 2). In diesem Fall würde Petersen etwas Grünland zupachten oder einen Teil seines Maisanbaus an einen Kollegen auslagern, um den Grünlandanteil im Betrieb auf über 50 % zu steigern und von der Ausnahmeregelung zu profitieren. Durch den Wegfall der Fruchtfolge-Auflagen sänken die Greeningkosten auf rund 4 500 € pro Jahr.


Auch Ackerbauern bluten:

Nicht wesentlich besser geht es Petersens Berufskollegen Müller. Der Ackerbauer aus der Börde müsste 7 % seiner Fläche (8,4 ha) in ökologische Vorrangfläche überführen. Im ungünstigsten Fall müsste er dafür eine entsprechend große Ackerfläche mehrjährig stilllegen und den Umfang seiner Früchte proportional einschränken (siehe Übersicht 2). Für die Stilllegung würde er auf jeden Fall eine eher ertragsschwache Fläche auswählen. Nimmt man an, dass auf dieser Fläche die Deckungsbeiträge 20 % unter dem betrieblichen Durchschnitt liegen, ergeben sich für den Betrieb Greeningkosten in Höhe von rund 6 400 €/Jahr. Das sind gut 50 € pro ha Betriebsfläche.


Wie reagieren?

Für Müller erscheint das jedoch völlig inakzeptabel. Er möchte mit seinem Betrieb wachsen – und nicht die Produktion einschränken. Und überhaupt: Was wäre, wenn er wie viele seiner Kollegen in anderen Regionen jeden Hektar seiner Flächen für die Tierhaltung bräuchte? Wäre dann nicht die Zupacht die naheliegendste Option?


Um das 7 %-Ziel einzuhalten, müsste der Landwirt 9 ha dazu pachten (7 % von 129 ha). Mit seinem Vorhaben wäre Müller wohl nicht der Einzige. Deshalb rechnet er mit hohen Kosten für die Zupacht. Er kalkuliert mit einem Pachtpreis von 800 €/ha und prognostiziert so 7 200  €/ha Einkommensverlust pro Jahr.


Hier bleibt eine spannende Frage, ob für ökologische Vorrangflächen eine Maximalentfernung zum Stammbetrieb definiert wird. Falls nicht, würde der Landwirt aus der Börde versuchen Grenzböden am Hang des Harzes zu pachten. Er würde argumentieren, dass auch die erosionsmindernde Wirkung der Stilllegung der Hangflächen deutlich höher sei.


Nur eine Schallmauer setzt sich der Landwirt. Maximal 715 €/ha (ohne Flächenprämie) ist er bereit für entsprechende Pachtflächen zu zahlen. Denn andernfalls könnte er besser seinen Ackerbau einschränken und 7 % seiner Flächen stilllegen.


Damit ist er noch besser dran als viele Tierhalter. Da viele jeden Hektar ihrer Flächen für ihre Vieheinheiten brauchen, ist für sie eine Stilllegung oft keine ernsthafte Option.


Leguminosen als Lösung?

Ernüchternde Zahlen. Deshalb werden zurzeit viele Alternativen zum Kommissions-Vorschlag diskutiert. Die deutsche Agrar-ministerkonferenz hat unter anderem den Anbau von Leguminosen auf 15 % der Ackerfläche anstelle der 7%igen Stilllegung vorgeschlagen.


Müller rechnet für die naheliegendste Frucht, die Ackerbohne, nach. Bei einem Ertragsniveau von 50 dt/ha – selbst für Müllers gute Lössböden ein eher optimistischer Wert – und einem ebenso optimistischen Ackerbohnenpreis von 22 € je dt ergibt sich bei variablen Kosten von 847 €/ha ein Deckungsbeitrag in Höhe von ca. 253 €/ha. Die Bohne würde auf 15 % der Ackerfläche (18 ha) vermutlich den Stoppelweizen verdrängen, um den guten Vorfruchtwert in der darauf folgenden Wintergerste ausnutzen zu können. Die Wintergerste dankt es mit 6 dt je ha Mehrertrag.


Dennoch bleibt unter dem Strich bei dieser Greening-Alternative ein Verlust von gut 7 200 €/Jahr (Übersicht 2, Seite 24). Damit ist sie noch deutlich teurer als die 7%ige-Flächenstilllegung. Mit dem Vorschlag der Agrarminister wäre dem Landwirt also nicht geholfen.


Und der Vertragsnaturschutz?

Anders sieht es da schon mit der Forderung der Agrarminister nach einer Anrechnung von Flächen aus dem Vertragsnaturschutz aus. Für Müller könnte sich vor allem die Teilnahme an einem Blühstreifenprogramm lohnen, wie es etwa das Land Niedersachsen anbietet. Das Programm bietet eine Prämie von 540 € je ha Blühstreifen und fordert im Gegenzug die Etablierung von einjährigen Streifen mit verschiedenen standortangepassten Blütenpflanzenarten. Unter Berücksichtigung der Kosten für Bodenbearbeitung, Saat und Mulchen ergibt sich ein Deckungsbeitrag von ca. 380 €/ha.


Geht man davon aus, dass die Blühstreifen in die Fruchtfolge integriert werden und auf 7 % der Ackerfläche zu einer entsprechenden Einschränkung der Weizen- und Gerstenfläche im Betrieb führen (der Zuckerrübenanbau bleibt unberührt), ergibt sich ein Verlust von rund 3 300 €/Jahr (Übersicht 2, Seite 24).


Für Müller wäre damit die Teilnahme am Blühstreifenprogramm die Anpassungsalternative mit den geringsten finanziellen Einbußen. Für viele andere Ackerbauern und Veredlungsbetriebe vermutlich ebenso. Die Anrechenbarkeit von Vertragsnaturschutzfläche könnte somit zu „blühenden Landschaften“ führen. Fraglich bleibt allerdings, ob die Länderhaushalte, aus denen die Kofinanzierung kommen muss, das auf Dauer hergeben.


Greening als kleineres Übel?

Auch für Müller bleibt die Einhaltung der Greening-Auflagen das kleinere Übel. Würde er auf das Greening verzichten, entginge ihm mindestens die Greening-Prämie in Höhe von 10 800 €/Jahr (bei 120 ha Fläche und einer angenommenen Prämienhöhe von 300 €/ha). Das ist mehr als der Verlust in allen untersuchten Anpassungsalternativen.


Auch für Müller haben wir die Gleichgewichtsprämie ab 2014 berechnet, bei deren Unterschreitung über einen Verzicht auf das Greening (in der Variante Flächenstilllegung) nachzudenken wäre: 179 €/ha. Bei dieser Prämienhöhe wäre der Verlust an Greening-Prämie genauso hoch wie der Erwerbsverlust durch Einhaltung der Greening-Auflagen.


Unterm Strich zeigen die Berechnungen, wie deutlich die derzeit diskutierten Greeningvorschläge die Betriebe im Einzelfall treffen können. Hier kommt es vor allem auf die Details der Ausgestaltung an. Gibt es die vorgeschlagenen Ausnahmeregelungen für kleinere Betriebe? Sind ähnliche Sonderregelungen auch für größere Grünlandbetriebe möglich? Reichen womöglich zwei unterschiedliche Kulturen für eine breitere Fruchtfolge?


Fragen über Fragen:

Und überhaupt: Wie weit dürfen z. B. Pachtflächen entfernt liegen, um als ökologische Vorrangfläche anerkannt zu werden? Was ist mit dem Vertragsnaturschutz? Und warum gelten Ökobetriebe als per se „gegreent“?


Hier steckt der Teufel wie immer im Detail. Von den Details der Ausgestaltung hängt am Ende ab, wie weh das Greening tun wird (siehe auch Standpunkt Seite 26).


Einen Punkt haben wir in unserer Kalkulation übrigens nicht in Euro und Cent beziffern können: Der bürokratische Aufwand von Ihnen als Landwirt für das Ausfüllen von Formularen und zeitfressende Kontrollen. Es werden wohl wieder ein paar Stunden mehr dazukommen.

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