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Was kostet Weidemilch?

Lesezeit: 7 Minuten

Fast alle Verbraucher wünschen sich Kühe auf der Weide. Zum Nulltarif ist die Weidemilch allerdings nicht zu haben. Prof. Dr. Falk Mißfeldt und Arne Speck von der Fachhochschule Kiel haben die Kosten durchgerechnet.


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Jahr für Jahr stehen weniger Kühe auf der Weide. Größere Herden, zunehmende Pachtpreise, fehlende Arrondierungen und eine geringere Milchleistung sind dafür verantwortlich. Bei vielen Verbrauchern steht die Weidehaltung allerdings hoch im Kurs. Deshalb springen Umwelt- und Tierschutzverbände auf diesen Zug und fordern zum Teil sogar, die Weidehaltung zur Pflicht zu machen.


Und auch der Lebensmitteleinzelhandel wirbt gerne mit Kühen auf der Weide und erwartet von den Molkereien entsprechende Angebote. Kein Wunder also, dass einige Molkereien über Weidemilchprogramme nachdenken oder diese bereits anbieten.


Solche Überlegungen führen bei den Milchviehhaltern nicht selten zu kontroversen Diskussionen. Die einen sagen: „Ihr habt die Kühe sowieso draußen und bekommt dafür auch noch Geld“, während die anderen behaupten, dass die diskutierten Zuschläge für die Weidemilch viel zu gering sind. Klar ist: Das Beweiden ist pro Energieeinheit günstiger als die reine Silagefütterung im Stall. Aber das ist nur ein Aspekt der Kostenbetrachtung. Es gibt weitere relevante Einflussgrößen, die berücksichtigt werden müssen. Deshalb ist wichtig, alle Kosten der Weidehaltung vollständig zu kalkulieren.


120 Tage Weidegang:

Wir haben das für den Beispielsbetrieb von Bernd Meyerhans (Name von der Redaktion geändert) mit 120 Kühen, ganzjähriger Abkalbung und arrondierten Grünlandflächen getan. Der Betrieb hat 71 ha Grünlandflächen. Er pauschaliert. Das heißt, alle Kosten und Erlöse sind mit Mehrwertsteuer ausgewiesen.


Meyerhans weiß, dass seine Molkerei darüber nachdenkt, im nächsten Jahr ein Weidemilchprogramm anzubieten. Wenn er daran teilnehmen will, muss er seine Kühe an mindestens 120 Tagen im Jahr für jeweils sechs Stunden auf die Weide treiben. Der Milchviehhalter fragt sich, bei welchen Zuschlägen es sich für ihn lohnt, seine Kühe wieder nach draußen zu treiben?


Weniger Silage:

Meyerhans prüft, wie sich in seinem Betrieb die Abläufe und Kostenstrukturen bei Umstellung auf Weidegang ändern. Im ersten Schritt kalkuliert er den Anpassungsbedarf bei der Maschinenausstattung. Er stellt fest, dass er auch in Zukunft alle Maschinen benötigt, weil sich lediglich der Umfang der Silagegewinnung verändert. An den Kostenstrukturen ändert sich ebenfalls nichts: Sämtliche Maschinen werden weiterhin unterhalb der Abschreibungs-Schwelle eingesetzt und mit festen Beträgen pro Jahr abgeschrieben.


Allerdings muss Meyerhans einen Teil seiner Grünlandflächen einzäunen und die Wasserversorgung auf der Weide sicherstellen. In seinem Betrieb fallen dabei relativ hohe Zaunkosten an, weil er viele kleinstrukturierte Grünlandflächen hat, die er zum Schutz von Knicks (Hecken) bzw. anderen Rand- und Pufferstreifen vollständig einzäunen muss. Auf Betrieben mit größeren Grünlandflächen ohne schützenswerte Landschaftselemente können diese Kosten auch deutlich niedriger ausfallen.


Darüber hinaus muss Meyerhans einen Treibeweg schaffen und diesen regelmäßig trittsicher befestigen (z. B. mit Rindenmulch). Um die Kühe abends schnell zusammentreiben zu können und dafür entsprechend mobil zu sein, will er sich ein Quad (kleines vier­­rädriges Geländefahrzeug) anschaffen. Umgelegt auf die verkaufte Jahresmilchmenge schlagen die Investitionen zusammen mit 0,32 ct pro kg verkaufter Milch und Jahr zu Buche (Übersicht 1).


Mehr Arbeit, mehr Fläche:

Meyerhans will die Kühe nachts und vormittags bis gegen 10 Uhr im Stall lassen und dort mit der gewohnten TMR füttern. D.h., die Kühe müssen nur einmal am Tag (abends) in den Stall getrieben werden. Insgesamt fallen Mehrkosten vor allem für das Zusammentreiben der Kühe, die regelmäßige Kontrolle und Reparatur der Zäune, die Wasserversorgung sowie für Betriebsstoffe und Haftpflicht für das Quad an. Dem stehen allerdings Kosteneinsparungen gegenüber, weil Meyerhans dann weniger Gülle ausbringen und auch weniger Futter im Stall vorlegen muss (Übersicht 2).


Der Hauptkostentreiber ist allerdings der zusätzliche Futterflächenbedarf pro Kuh. Dieser ergibt sich durch den Verlust produktiver Futterfläche für die notwendigen Treibewege und insbesondere durch die hohen Futterverluste aufgrund von Trittschäden, Kot- und Urinflächen, Disteln und Brennnesseln. Meyerhans kalkuliert mit einem zusätzlichen Flächenbedarf von 0,075 ha/Kuh. Das summiert sich bei 120 Kühen auf beachtliche 9 ha, für die der Milchviehhalter die Pachtkosten abzüglich der Direktzahlungen anrechnen muss.


Darüber hinaus steigen mit jedem zusätzlichen Hektar Pachtfläche automatisch die flächenabhängigen Gemeinkosten wie Beiträge zur Berufsgenossenschaft, für Verbände und Beratung, aber auch die Beiträge zur landwirtschaftlichen Krankenkasse. Dafür setzt Meyerhans pauschal 40 €/ha an. Unterm Strich belasten diese jährlichen Mehr- und Minderkosten für Arbeit und Fläche die Wei­demilchproduktion mit weiteren 0,36 ct pro kg verkaufter Milch und Jahr (Übersicht 2).


Grundfutter wird günstiger.

Der Weidegang hat natürlich Auswirkungen auf die Kosten der Grundfuttererzeugung. Meyerhans will weiter den 1. Grünlandschnitt komplett als Silage (80 ha) ernten, vom 2. Schnitt noch 50 ha und vom 3. Schnitt nur noch 30 ha. Den Rest will er beweiden. Um trotzdem auf die vorgeschriebenen 120 Tage Weidegang zu kommen, muss er die Kühe dann allerdings bis Ende September/Anfang Oktober auf die Weide lassen.


Auf den beweideten Flächen wird nach dem 1. Schnitt keine Gülle mehr eingesetzt, sodass Mehrkosten für einen höheren Einsatz von Kalkammonsalpeter (KAS) anfallen. Außerdem müssen die beweideten Flächen nachgemäht werden. In der Summe ergeben sich für Meyerhans nur noch relativ bescheidene Einsparungen durch die Weidehaltung in Höhe von 1 700 €/Jahr bzw. rund 0,17 Cent/kg verkaufter Milch (Übersicht 3). Die Maisfläche ist in dieser Kalkulation nicht berücksichtigt, da in beiden Varianten der Umfang des Maisanbaus und dessen Kosten konstant sind.


Leistung sinkt:

Das Grundfutter wird zwar leicht günstiger. Gleichzeitig sinkt aber auch die Milchleistung, weil die Kühe auf der Weide weniger gut ausgefüttert werden als bei ganztägiger Stallhaltung. Zudem verändert sich die Grasqualität während der Weidesaison ständig. Meyerhans erwartet, dass seine Kühe etwa 5 kg/Kuh und Weidetag bzw. 600 kg/Kuh und Jahr weniger Milch geben werden.


Das ist auch realistisch, wie zum Beispiel schleswig-holsteinische Betriebszweigabrechnungen von Weidebetrieben im Vergleich zu Milchviehbetrieben mit ganzjähriger Stallhaltung zeigen. Bei 105 melkenden Kühen (15 Kühe stehen im Schnitt des Jahres trocken) und 120 Weidetagen sind das 63 000 kg weniger Milch, die Meyerhans bei Weidehaltung weniger an Milch hätte.


Damit fehlen ihm bei einem Netto-Auszahlungspreis von 27,1 ct/kg (30,0 ct/kg brutto) jedes Jahr knapp 19 000 € Milchgeld. Bei einer geringeren Milchleistung benötigen die Kühe allerdings auch rund 1,25 kg weniger Kraftfutter pro Kuh und Weidetag. Die durch die geringere Milchmenge eingesparten variablen Melkkosten für Strom, Reparaturen des Melkstands und Verbrauchsmaterial fallen dagegen kaum ins Gewicht. Darüber hinaus hat der Weidegang häufig positive Effekte auf Gesundheit, Fruchtbarkeit und das gesamte Wohlbefinden der Kühe. Diese Effekte sind aber mangels verfügbarer verlässlicher Daten derzeit nicht in Euro und Cent zu bewerten.


Weniger Leistung kostet:

Unterm Strich muss Meyerhans bei Umstellung auf Weidegang und einem Netto-Auszahlungspreis von 27,1 ct/kg aufgrund der rückläufigen Milchleistung mit Mehrkosten von 1,44 Cent pro kg Milch und Jahr (brutto) rechnen. Unterstellt man einen höheren Netto-Auszahlungspreis von 31,6 ct/kg, liegen die Mehrkosten bei 1,76 ct/kg (brutto). Bei einem sehr guten Netto-Milchpreis von 36,1 ct/kg sind es brutto schon 2,07 ct pro kg Milch zusätzlich (Übersicht 4).


Weidemilch kostet: Insgesamt muss Meyerhans je nach Milchpreis für seinen Betrieb mit deutlichen Mehrkosten für die Weidehaltung rechnen, die brutto zwischen knapp 2,0 und 2,6 ct/kg Milch liegen (Übersicht 5). Dabei gilt die grobe Faustzahl: Wenn der Milch­auszahlungspreis um 5,0 ct/kg steigt, nehmen die Kosten für die Produktion von Weidemilch um rund 0,3 ct/kg zu und umgekehrt.


Wichtig ist: Die Kosten für die Produktion von Weidemilch schwanken von Betrieb zu Betrieb in weiten Grenzen. Das hängt ganz wesentlich von der Ausgangssituation ab. An einer betriebs­individuellen Kalkulation führt daher kein Weg vorbei.-sp-

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