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Weservertiefung: Salz bedroht Weidetiere

Lesezeit: 6 Minuten

Mit dem Ausbaggern der Weser sollen größere Schiffe Bremerhaven und Brake erreichen können. Weil damit mehr Salz ins Tränkewasser gelangt, kämpfen die Landwirte dagegen – sogar vor Gericht. Die Hafenwirtschaft aber bleibt hartnäckig.


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Die Wesermarsch im nördlichen Niedersachsen ist eine besondere Region. Der Fluss Weser ist eine Lebensader in der knapp 34000 ha großen Region, über die die unter dem Meeresspiegel liegenden Flächen in Richtung Nordsee entwässert werden. Im Sommer nutzen die Landwirte über die „Zuwässerung“ von Weserwasser die Gräben als Tränke für das Vieh.


Das geht seit Jahrhunderten so. Der Landkreis mit knapp 1000 Landwirten hat einen Grünlandanteil von 87% an der landwirtschaftlichen Nutzfläche – einem der höchsten in Deutschland. 90% der Kühe stehen auf der Weide.


Doch das sensible Gleichgewicht ist in Gefahr. Denn ein Teil der Kommunen in der Wesermarsch, Hafenwirtschaftsverbände und Unternehmen wollen die Wirtschaftskraft der Region stärken, indem sie die Häfen Brake und Bremerhaven für größere Schiffe befahrbar machen. Dazu soll die Weser auf einer Länge von ca. 65 km ab der Mündung bis zu einer Tiefe von 13,5 m ausgebaggert werden – etwa einen Meter tiefer.


Mehr Salz aus der Nordsee


Das Problem dabei: Mit der Vertiefung der Weser gelangt mehr salziges Nordseewasser in den Fluss und damit in die Gräben. „Für Tiere ist ein Gehalt von maximal 1,0 g Salz/l unbedenklich“, erklärt Landwirt Dierk Dettmers aus Rodenkirchen. Er bezieht sich dabei auf Zahlen des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.


Mittlerweile jedoch liegt der Salzgehalt wegen früherer Weservertiefungen sowie der immer geringeren Niederschlagsmengen im Sommer an einigen Tagen bei bis zu 12 g/l: Für Tiere hoch toxisch. Vorübergehend haben die Landwirte die Tiere mit Trinkwasser getränkt, was aber zu hohen Kosten und logistischem Aufwand führt.


Seit 2005 liegen die Vertiefungspläne auf dem Tisch. Dafür macht sich vor allem die Hafenwirtschaft stark. Sie argumentiert, dass der globale Welthandel auf eine tideunabhängige Erreichbarkeit der bremischen und niedersächsischen Häfen für die internationale Schifffahrt angewiesen sei.


2011 genehmigte ein Planfeststellungsbeschluss den Ausbau der Außenweser (von der See bis Bremerhaven) sowie der Unterweser bis Bremen. Gegen diesen Beschluss zogen die drei Landwirte Leenert Cornelius, Dierk Dettmers und Ralf Degen sowie der Naturschutzverband BUND vor Gericht. Mit Erfolg: Mit Urteil vom August 2016 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig erklärt.


Seitdem strebt die federführende „Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes“ (WSV) ein neues Verfahren an. Dazu hat die Planfeststellungsbehörde bei der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) den alten, nicht umsetzbaren Planfeststellungsbeschluss im Januar 2021 aufgehoben. Die „Fahrrinnenanpassung der Außen- und Unterweser (Nord)“ soll stattdessen von dem 2020 in Kraft getretenen „Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich“ (kurz: Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz, MgvG) profitieren. Das MgvG zählt das Weser-Projekt zu den besonders wichtigen Maßnahmen „zur Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger“, die nun schneller geplant und durch Bundestagsbeschluss umgesetzt werden können.


Lösung steht noch aus


Auch wenn die Umsetzung laut Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung noch einige Jahre dauern wird, drängen die Landwirte jetzt auf eine Lösung. Diese soll auch die Versalzung kompensieren, die durch vorherige Weservertiefungen bereits eingetreten ist. Zur Lösung steht der „Generalplan Wesermarsch“ im Raum, den die beteiligten Wirtschaftsverbände und Kommunen seit Jahren diskutieren. Damit ist eine neue Zuwässerung für die nördliche Wesermarsch angedacht, die salzärmeres Wasser weiter flußaufwärts als bisher in die Gräben leiten soll.


Feststeht bislang aber nur, dass das zuständige niedersächsische Umweltministerium derzeit mit den Wirtschafts- und Unterhaltungsverbänden verhandelt und sich um eine Bund-Länder-Finanzierung bemüht. Offen ist auch, wer den Generalplan umsetzen soll und wer die Kosten für Betrieb und Instandhaltung der nötigen Gewässer und Durchlässe trägt.


Landwirte wollen Ausgleich


Seit Juli 2021 spricht das Umweltministerium zwar von einem „Erweiterten Generalplan“, der alle bisherigen Pläne zur Absenkung des Salzgehaltes zusammenführen soll. Doch vieles sind nur Absichtserklärungen. Wie schon in den vergangenen 17 Jahren warten die Landwirte auf eine konkrete Lösung. Ein Vorbild für sie sind die Obstbauern und Landwirte an der Elbe, die einen „Elbvertrag“ ausgehandelt haben. Zentrales Element dabei ist der Salzgehalt. Dettmers, Degen und Cornelius könnten sich einen entsprechenden „Weservertrag“ vorstellen.


Um ihrem Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen, haben sich die Landwirte im Jahr 2021 mit 76 Briefen an verschiedene Landes-, Bundes- und EU-Behörden gewendet und ihrem Unmut Luft gemacht. Sie fordern darin, dass die Kompensationsmaßnahmen vor der Weservertiefung finanziert und ausgeführt sein müssten.


Auch der Kreislandvolkverband Wesermarsch fordert die Landespolitik auf, gemeinsam mit den betroffenen Wasserverbänden vor Ort und dem Bund eine Lösung umzusetzen, bevor mit der erneuten Weservertiefung begonnen wird. Der Generalplan Wesermarsch sei dagegen ein Ausgleich für die vorangegangenen Weservertiefungen und ebenfalls schnellstmöglich umzusetzen, unabhängig von der aktuell geplanten Weservertiefung.


Der Wirtschaftsverband Weser mit Sitz in Bremen hat das Vorgehen scharf kritisiert: „Polemik und Partikularinteressen bringen uns nicht weiter“, heißt es in einer Stellungnahme, die der top agrar-Redaktion vorliegt.


Ein Weservertrag, ähnlich wie bei der Elbe, sei ein möglicher und sinnvoller Schritt. Im Rahmen des Generalplans Wesermarsch seien Maßnahmen zur Zu- und Entwässerung weiter südlich in Planung und könnten durch den Bund kofinanziert werden. Das würde die Zukunft der Landwirtschaft sichern.


Ohne Weseranpassung läge die Finanzierung aber in weiter Ferne. Zudem rechnet der Verband damit, dass der Salzgehalt um weniger als 1 g/l zunimmt. Allerdings stünden hierzu noch Untersuchungen aus.


Auch die Behauptung der Landwirte, Hafen-Arbeitsplätze vernichten Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, sei haltlos. Gerade Brake sichere als wichtiger Hafen für Getreide und Futtermittel landwirtschaftliche Arbeitsplätze in der Wesermarsch und in ganz Niedersachsen. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Hafens Brake und der damit in Verbindung stehenden Region sicherzustellen, sei die Weseranpassung notwendig. Der Container-Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven könnte diesen Spezialhafen für Futtermittel, Getreide, Stahl, Holz oder Düngemittel nicht ersetzen.


Der Kampf geht weiter


Das wiederum bestreiten die drei Landwirte und führen einen Umschlagsverlust in Brake von 39% in den letzten zwei Jahren an.


Unterm Strich steht die gesamte Region vor einem Dilemma: Soll erst die Weservertiefung kommen oder erst die Kompensation?


Doch egal, ob Ausbaggerung, Generalplan oder die Klärung der Finanzierung: Das alles könnte noch Jahre in Anspruch nehmen. „Wir Bauern sind die Leidtragenden, weil wir wegen des hohen Salzgehaltes schon heute mit einer gesellschaftlich geforderten und sinnvollen Sommerweidehaltung gegen Verordnungen und Gesetze verstoßen“, sagt Dettmers mit Blick auf den hohen Salzgehalt im Tränkewasser.


Bereits heute gibt nach Beobachtung der Landwirte bei den Kühen wegen des Salzgehalts vermehrt Fehlgeburten. „Wir brauchen eine schnelle Lösung“, fordert Cornelius. Mit allen Mitteln wollen sie verhindern, dass die Hafenwirtschaft die erneute Weservertiefung vor einer Schadenskompensation durchführt.


Schon das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hatte den Bauern im Jahr 2016 bestätigt, dass eine Versalzungskompensation vor jeder weiteren Weservertiefung zu erfolgen hat. Dieses Vorgehen ist für die Landwirte unabdingbar – aufgrund ihrer leidvollen Erfahrung vieler Jahre, in der Zusagen selten eingehalten wurden.


Ihr Kontakt zur Redaktion:hinrich.neumann@topagrar.com

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