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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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Wie viel Bioenergie können wir uns leisten?

Lesezeit: 5 Minuten

Die Dürre in den USA hat die Teller-, Trog- oder Tank-Debatte neu entfacht. Mit großer Leidenschaft wird gestritten. Doch was stimmt wirklich? Ein Blick auf die Fakten!


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Da sind sie wieder, die alten Gespenster: Während in den USA 12 % der Maisernte in der sengenden Hitze vertrocknen, warnen die Experten vor Hungerkrisen in Afrika.


Die Sorge kommt nicht von ungefähr. Wer gerade einmal einen Dollar Tageseinkommen hat und davon 70 Cent und mehr für Nahrungsmittel ausgibt, für den sind Preissprünge von mehr als 100 % schlichtweg existenzbedrohend.


Weltweit sind davon noch immer rund eine Milliarde Menschen betroffen. Und das ist neben dem ethischen Dilemma ein knallhartes realpolitisches Problem: Die Angst vor Hungeraufständen und politischen Verwerfungen. Vielen Politikern sind die Massendemonstrationen infolge der Nahrungsmittelkrise 2007/08 (Tortilla-Krise) noch gut in Erinnerung. Die 2011 rasant gestiegenen Lebensmittelpreise gelten als ein Mitauslöser für die Umstürze im Zuge des arabischen Frühlings.


Die böse Bioenergie?

Viele Politiker und Organisationen machen es sich jetzt einfach: Die Bioenergie ist schuld. Schnell sind sie mit populistischen Forderungen bei der Hand.


So stellen Greenpeace, die Grünen und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) den Biokraftstoff E-10 offen infrage. Und auch in den USA wird heftig über die Ethanolproduktion aus Mais gestritten. Der Bundesverband Bioenergie hält munter dagegen und meint, dass die Bioenergie keinen Einfluss auf Mangelernährung und Hunger in Entwicklungsländern hätte. Die wahren Ursachen seien vielmehr Armut, schlechte Regierungsführung, Korruption, Wetterextreme und Bürgerkriege.


Fakt ist, dass beide Sichtweisen nicht ganz falsch sind, aber eben auch nicht ganz richtig: Inzwischen gibt es zahllose wissenschaftliche Studien und Standpunkte (siehe auch Interviews Seite 20 und 21). Die Kernfrage der Diskussion bleibt aber immer die gleiche: Wie können wir eine wachsende Weltbevölkerung mit Nahrung und Bioenergie versorgen?


Ein Überblick zu den fünf wichtigsten Streitpunkten:


1. Wie hoch ist der Anteil der Bio­energie aktuell?


Tatsächlich gehen inzwischen 40 % der amerikanischen Maisernte jedes Jahr in die Biospritproduktion – eine gewaltige Menge. Global betrachtet ist der Anteil der landwirtschaftlichen Produktion, die in die Energieerzeugung wandert, aber noch sehr gering. Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation (FAO) werden weltweit auf rund 30 Millionen Hektar Energiepflanzen angebaut. Das ist ungefähr soviel wie die Fläche Deutschlands und entspricht gerade einmal rund 2 % der weltweiten Agrarfläche.


Wie Übersicht 2 (Seite 20) zeigt, werden gegenwärtig ca. 6 % (rund 144 Mio. t) des weltweiten Getreides für Biokraftstoffe verbraucht. Der überwiegende Teil dient als Nahrungsmittel (47 %), 34 % werden zu Futtermitteln verarbeitet. Betrachtet man ausschließlich die europäische Getreideernte, sind die Relationen noch eindeutiger. Nach Angaben der EU-Kommission landen fast 60 % des hiesigen Getreides im Tiermagen und nur 3,2 % im Tank.


2. Wie viele Lebens-mittel brauchen wir?


Die Haupttriebfedern an den Weltagrarmärkten sind das Bevölkerungswachstum und die sich verändernden Konsumgewohnheiten. Laut Prognosen der FAO, werden 2050 rund 9 Mrd. Menschen auf der Welt leben. Und diese werden dank höherer Einkommen mehr und vor allem höherwertigere Lebensmittel konsumieren (Übersicht 1). Asiaten und Afrikaner kaufen zunehmend Milch und Fleisch. Das führt dazu, dass immer mehr Getreide und Soja für Futterzwecke benötigt wird.


3. Wie viel Bioenergie wird nachgefragt?


Ausgesprochen schwierig zu kalkulieren ist, wie sich die Nachfrage nach Nachwachsenden Rohstoffen für die industrielle und energetische Verwertung entwickeln wird. Fest steht nur: Sobald die Verwertung ab einem bestimmten Rohölpreis interessant wird, ist das Nachfragepotenzial gewaltig. Denn gemessen am Energiebedarf sind die Dimensionen des Energiesektors sehr viel größer als die des Nahrungsmittelsektors.


Prof. Dr. Folkard Isermeyer, Präsident des Johann Heinrich von Thünen-Instituts rechnet vor, dass bisher weltweit rund 10 % des globalen Energieverbrauchs für Wärme, Strom und Kraftfahrzeuge aus Bioenergie stammen (vor allem Verbrennung von Holz). Wollte man diesen Anteil mit Ethanol, Biodiesel und Biogas auf 20 % verdoppeln, wären hierfür allein rund 500 Mio. ha zusätzliche Fläche erforderlich. Das entspräche rund 30 % der weltweiten Ackerfläche.


4. Kann die Produktion Schritt halten?


Die Zahlen zeigen, schon die wachsende Nachfrage nach Lebensmitteln stellt die Landwirtschaft vor eine enorme Herausforderung. Die FAO schätzt, dass die Weltagrarproduktion bis 2050 um rund 60 % steigen könnte. Den Löwenanteil von 75 % werden dabei Entwicklungs- und Schwellenländer wie z. B. Brasilien übernehmen müssen. Industrienationen wie Deutschland werden in den Augen der FAO-Experten dagegen nur ein Viertel der Produktionszuwächse beisteuern.


Das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens fallen Ertragssteigerungen bei niedrigerem Ausgangsniveau leichter. Und zweitens können gerade in diesen Teilen der Welt bisher noch ungenutzte Flächen in die Bewirtschaftung gebracht werden. Wie Übersicht 3 zeigt, ist die Hauptstellschraube für die Steigerung der Produktionsmengen das Ertragsniveau. Die FAO-Forscher prognostizieren bis 2050 einen Anstieg der Getreideerträge von derzeit rund 3,3 t/ha auf 4,3 t je ha. Das entspräche fast 80 % des Wachstums in der Pflanzenproduktion. Die restlichen Prozentpunkte ermöglichen eine höhere Anbauintensität (13 %), und eine Ausdehnung der Anbauflächen (9 %). Dabei kommt es, gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern, auch darauf an, Lager- und Ernteverluste zu verringern.


5. Was bleibt für den Tank?


Die prognostizierten Entwicklungen bleiben eine Wette auf die Zukunft. In wieweit z. B. der Klimawandel oder politische Konflikte die Karten neu mischen, lässt sich in den Modellen der Forscher nur schwer erfassen. Als sicher gilt, Wasserknappheit, Hitzestress und Engpässe bei Betriebsmitteln werden in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen.


Es besteht aber weitgehender Konsens, dass die Produktion sehr wohl mit der wachsenden Nachfrage nach Lebensmitteln mithalten könnte und vielleicht auch etwas für die Bioenergie bliebe. „Könnte“ heißt, das Potenzial an natürlichen Ressourcen wie Fläche, Wasser und Nährstoffen wie Phosphor und Kali ist vorhanden. Allein die Versorgung der bald 9 Mrd. Menschen mit Nahrung erscheint aber als eine enorme Herausforderung. Matthias Schulze Steinmann

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