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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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Wir brauchen ein gesundes Wachstum «

Lesezeit: 7 Minuten

In viehstarken Regionen muss auch weiterhin Wachstum möglich sein, fordert der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV). Den notwendigen Spielraum soll eine Branchenvereinbarung sichern. top agrar sprach mit WLV-Präsident Franz-Josef Möllers über die Chancen und Probleme.


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top agrar: Herr Möllers, es gibt doch einen geltenden Rechtsrahmen für den Bau von Ställen. Wozu brauchen wir dann noch eine Branchenvereinbarung?


Möllers: Wir brauchen zusätzliche Leitplanken, denn die aktuelle Situation ist absolut unbefriedigend. Baugenehmigungen ziehen sich häufig in die Länge. Das kostet die Betroffenen viel Geld. Vor allem wachsen die Probleme mit Anwohnern. Diese wollen wir möglichst vermeiden, und zwar frühzeitig.


top agrar: Warum muss die Landwirtschaft die Initiative ergreifen?


Möllers: Weil es unsere Aufgabe als Verband ist, unsere Mitglieder bei der Entwicklung ihrer Betriebe zu unterstützen. Dies müssen wir in mehrfacher Hinsicht tun: Zum einen geht es ganz konkret da­rum, die Betriebe zu unterstützen, die gerade bauen wollen. Zum anderen wollen wir aber auch dafür sorgen, dass unsere Landwirtschaft insgesamt auf mehr Akzeptanz stößt. Die erreichen wir, wenn wir sehr früh aktiv auf die Behörden und Anwohner zugehen und mit ihnen über geplante Stallbauten sprechen. Das vermeidet unnötige Frontstellungen.


top agrar: Welche Partner sollen bei der Branchenvereinbarung mit ins Boot?


Möllers: Die Kommunen und die Bauern. Das heißt: Die Genehmigungsbehörden der Kreise, Städte und Gemeinden, der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband und die Landwirtschaftskammer.


top agrar: Wie läuft das organisatorisch? Müssen alle Kreise mitmachen?


Möllers: Anfang 2011 soll eine Rahmenvereinbarung für ganz Westfalen-Lippe stehen. Darin verpflichtet sich der Berufsstand, neue Stallbauprojekte vor dem offiziellen Bauantrag mit den Kommunen zu beraten. Im Gegenzug verzichten die Kommunen darauf, die Tierhaltung über die Aufstellung von Bauleitplänen zu steuern. Die Rahmenvereinbarung ist ein Angebot an unsere Kreisverbände. Diese entscheiden je nach Problemlage, ob, und wenn ja, wie sie die Vereinbarung für ihr Zuständigkeitsgebiet umsetzen.


top agrar: Eine Vereinbarung funktioniert nur dann, wenn alle Seiten davon profitieren. Was haben die Landwirte davon und wo gewinnen die Kommunen?


Möllers: Erstens bekommen die Landwirte mehr Planungssicherheit. Wenn ein Bauvorhaben einvernehmlich „vorbesprochen“ ist, wird es im Genehmigungsverfahren keine Überraschungen geben. Das spart Zeit und Geld. Zweitens werden die Anwohner so wenig wie möglich beeinträchtigt, weil Standort und Ausstattung des Stalls so gewählt werden, dass zum Beispiel Geruchsbelastungen weitgehend reduziert werden. Und drittens profitieren auch die Landräte und Bürgermeister. Vor Ort gibt es weniger Konflikte und politischen Handlungsbedarf. Zeitraubende und teure Bauleitplanungen, die zudem oft nicht gerichtsfest sind, können sie sich damit sparen.


top agrar: Gibt es schon Rückmeldungen von den Bürgermeistern und Landräten?


Möllers: Ja, aus dem Kreis Borken, dem veredlungsstärksten Kreis in Westfalen. Dort haben sich Landrat, Bürgermeister und Landwirtschaft bereits darauf verständigt, in den kommenden Wochen eine solche Branchenvereinbarung zu erarbeiten. Ich bin sicher, dass das Schule machen wird und andere Kreise dann schnell nachziehen werden.


top agrar: Und was halten Ihre Berufskollegen davon?


Möllers: Ich spüre breite Zustimmung. Der Druck im Kessel wächst. Wenn größere Stallbauten anstehen, gibt es immer häufiger unschöne Begleitmusik. Schnell entstehen Bürgerinitiativen, Anlieger schließen sich zu Interessensgemeinschaften zusammen und protestieren. Wenn wir das ungesteuert weiterlaufen lassen, gefährden wir das mühsam aufgebaute positive Image der Landwirtschaft. In dieser Hinsicht sitzen alle Landwirte in einem Boot. Wenn wir in der Veredlung weiter erfolgreich sein wollen, muss es auch künftig Wachstum geben, aber ein gesundes, das in unserer Gesellschaft auf breite Akzeptanz stößt.


top agrar: Fallen alle Stallbauvorhaben eines Kreises unter die Branchenvereinbarung, unabhängig davon, ob sie gewerblich oder landwirtschaftlich sind? Oder geht es hauptsächlich um „kritische Ställe“?


Möllers: Es sind in erster Linie die gewerblichen Wachstumsschritte, über die gesprochen werden muss. Aber nicht nur. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es landwirtschaftliche Bauvorhaben gibt, bei denen es Sinn macht, frühzeitig die Genehmigungsfähigkeit abzuklopfen.


top agrar: Die betrieblichen Verhältnisse und die jeweiligen Standorte sind sehr unterschiedlich. Lässt die Branchenvereinbarung genug Spielraum für individuelle Lösungen?


Möllers: Das muss sie! Sonst ist sie zum Scheitern verurteilt. Es kann nur vor Ort geklärt werden, ob ein Stall am gewünschten Standort zu realisieren ist. Das gilt auch für die Fragen, welche Größe noch verträglich ist und ob Maßnahmen zur Reduzierung der Geruchsbelastung sinnvoll oder notwendig sind. Der neue Ansatz ist, dass man diese Fragen vor dem offiziellen Bauantrag klärt, und zwar gemeinsamen mit allen Betroffenen. Das können übrigens auch Berufskollegen sein. Wenn ein neuer Stall den Nachbarn die Entwicklungsperspektiven für die Zukunft nimmt, ist das ein Problem. Hier gilt es, den in unserem Leitbild formulierten Wert der Verbundenheit glaubwürdig zu leben.


top agrar: Sie wollen also in der Branchenvereinbarung nicht festlegen, wie viel zusätzliche Vieheinheiten ein Kreis noch verträgt? Oder gar Obergrenzen für einzelne Betriebe festzurren?


Möllers: Nein, dafür gibt es doch schon die entsprechenden Regelungen. Nehmen wir das Nährstoffproblem. Hier sorgt die Güllebörse für den notwendigen Ausgleich. Durch die neue Verbringungsverordnung haben wir endlich die längst überfällige Gleichstellung von gewerblicher und landwirtschaftlicher Tierhaltung.


Darüber hi­naus regelt die Düngeverordnung, wie viel Nährstoffe pro Hektar verträglich sind. Der Rest muss raus. Und je mehr raus muss, desto höher sind die Verbringungskosten. Damit ist klar, was geht und was nicht geht. Wir brauchen also keine zusätzlichen Festlegungen über Viehbestände und Obergrenzen in der Branchenvereinbarung.


top agrar: Eine Branchenvereinbarung hebelt geltendes Recht nicht aus. Ihre Durchschlagskraft hängt damit vor allem von der Akzeptanz der Beteiligten ab. Was machen Sie mit Landwirten, die auf Ihre Branchenvereinbarung pfeifen?


Möllers: Ich gehe davon aus, dass die meisten mitmachen werden, weil sie sich als vorausschauende Unternehmer von den vielen Vorteilen unseres Ansatzes überzeugen lassen werden. Wer schon im Vorfeld mit allen Beteiligten und Betroffenen Einvernehmen erzielt hat, hält doch die Baugenehmigung quasi in der Hand und kann ohne Ärger mit Nachbarschaft, Berufskollegen und Bürgermeister zügig bauen. Diese Planungssicherheit kann man heute gar nicht hoch genug bewerten. Aber natürlich mag es auch einzelne Berufskollegen geben, die sagen, eure Vereinbarung interessiert mich nicht, ich gehe meinen eigenen Weg und setze das durch, was maximal geht.


top agrar: Das können auch WLV-Mitglieder sein …


Möllers: Das ist richtig! Diese Kollegen müssen wissen, was sie tun. Wer ohne Rück­sicht auf den Rest der Welt nach vorne marschiert, wird schon heute im Dorf schief angeguckt. Wer das Angebot des Bauernverbandes ausschlägt und glaubt, er komme allein besser klar, kann das natürlich tun. Er darf aber nicht erwarten, dass der WLV ihm hilft, wenn es Gegenwind gibt.


top agrar: Das heißt, WLV-Präsident Möllers wird sich in solchen Fällen auch deutlich kritisch zu Wort melden?


Möllers: Davon können Sie ausgehen.


top agrar: Gibt es aus Ihrer Sicht Alternativen zur Branchenvereinbarung? Was halten Sie vom Vorgehen einiger niedersächsischer Kommunen, Konzentrationszonen oder Baufenster für die gewerbliche Tierhaltung auszuweisen?


Möllers: Wir wollen es hier in Westfalen-Lippe gar nicht erst so weit kommen lassen. Vielleicht hat man in Niedersachsen zu spät reagiert. Ich glaube, dass auch die Landräte und Bürgermeister diesen Weg gar nicht wollen, denn er ist mit einem enormen Planungsaufwand und entsprechenden Kosten verbunden.


top agrar: Der neue nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) will darüber hinaus die Regionalplanung und das Baurecht überprüfen. Ist das notwendig?


Möllers: Die Aktivitäten von Herrn Remmel überraschen mich nicht. Aus Berlin gibt es ja ähnliche Stimmen von den Grünen. Ich sehe das gelassen, weil es gegenwärtig weder im Bundestag noch im Bundesrat eine Mehrheit für eine Verschärfung des Baurechts gibt. Das kann sich aber sehr schnell ändern.


Natürlich kann man darüber nachdenken, ob man die jetzige Form der Privilegierung der Landwirtschaft im Baugesetzbuch weiterentwickeln sollte. Wir sind jedenfalls zu Diskussionen bereit. Dabei darf man die Privilegierung der Landwirtschaft insgesamt nicht in Frage stellen. Über einzelne Teilaspekte kann man aber reden. Das weiß auch Herr Remmel.


top agrar: Herzlichen Dank für das Gespräch.

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