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„Wir brauchen keinen Vollkasko-Schutz“

Lesezeit: 4 Minuten

Über 20 Jahre hat die EU-Kommission für freiere Agrarmärkte gekämpft. Jetzt nimmt sie plötzlich den Fuß vom Gas, meint Prof. Dr. Bernhard Brümmer von der Universität Göttingen.


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Die Umstellung von der Preisstützung auf direkte Zahlungen pro ha oder pro Tier war Anfang der 90er Jahre der erste Schritt zu offeneren Agrarmärkten. Ist Brüssel diesen Weg konsequent weitergegangen?


Brümmer: Durchaus. Bei den folgenden Reformen 1999, 2003 und 2008 wurden die Stützpreise schrittweise gesenkt, die Direktzahlungen von der Produktion entkoppelt und der Ausstieg aus der Milch- und Zuckerquote vorbereitet. Ziel und Richtung stimmten also.


Ist das ein weltweiter Trend? Haben auch andere Staaten ihre Agrarmärkte liberalisiert?


Brümmer: Ja. In den Industrieländern der OECD hat sich der Anteil der staatlichen Stützung am Produktionswert der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren verringert. Das lag allerdings auch daran, dass die Agrarpreise im Zeitablauf gestiegen sind. Aber nicht alle sind so konsequent: So greifen die Amerikaner seit den 90er Jahren über ihre ‚farm bill‘ wieder stärker in einzelne Agrarmärkte ein, als sie dies vorher getan haben.


Agrarkommissar Dacian Ciolos will das Sicherheitsnetz der EU-Agrarpolitik nach 2013 wieder enger knüpfen. Ist das überhaupt notwendig?


Brümmer: Mit der Öffnung der Agrarmärkte schlagen die schwankenden Weltmarktpreise bis zu uns durch. Ein Sicherheitsnetz kann daher sinnvoll sein. Es kommt aber darauf an, wie es ausgestaltet ist. Die Kommission plant offensichtlich einen Mix aus Intervention, privater Lagerhaltung, Krisenmanagement, Außenschutz und Exporterstattungen. Wann welches Instrument eingesetzt wird, will sie dabei weitgehend selbst entscheiden. Das wirft Fragen auf. Plötzlich feiern die Exporterstattungen, die Brüssel eigentlich bis 2013 abschaffen wollte, wieder ihre Auferstehung.


Auch das Risikomanagement ist ein zweischneidiges Schwert. Risikoabsicherung ist zunächst einmal die Aufgabe jedes einzelnen Landwirts. Selbst wenn es in einigen Regionen Europas notwendig ist, den Aufbau von Versicherungen, Einkommensstabilisierungsfonds usw. zu unterstützen, braucht man dafür keine EU-weite Lösung.


Ist klar geregelt, wann das Sicherheitsnetz greifen soll und wann nicht? Oder bleibt das eine politische Entscheidung?


Brümmer: Wahrscheinlich letzteres. Über die Verwaltungsausschüsse für die einzelnen Agrarprodukte wird im vermeintlichen Bedarfsfall erheblicher politischer Druck aufgebaut, in den Markt einzugreifen. Das haben wir in der Vergangenheit oft genug erlebt. Wenn die Kommission in Zukunft tatsächlich mehr Entscheidungsbefugnisse haben sollte, würde dieses Spiel noch einfacher.


Fast noch bedenklicher finde ich, dass es auch nach 2014 noch umfangreiche Möglichkeiten geben soll, weiterhin einen Teil der Direktzahlungen zu koppeln. Diese Option ist nicht einmal befristet. Das verzerrt den Wettbewerb. Die Mitgliedstaaten, die davon Gebrauch machen, müssen das zwar Brüssel gegenüber begründen. Da gibt es aber viel politischen Spielraum.


Bei der Zuckerquote ist Ciolos konsequenter. Sie soll 2015 auslaufen. Politik und Berufstand sind strikt dagegen. Wie beurteilen Sie den Vorschlag?


Brümmer: Ich halte ihn für absolut richtig. Es gibt keinen vernünftigen Grund, die Quote über 2015 fortzuführen. Das zeigt doch der aktuelle Blick auf den Zuckermarkt. Die Reform von 2006 ist gescheitert. Wir haben die Quoten gekürzt und den Außenschutz weiterhin extrem hoch gehalten. Jetzt müssen wir Zucker einführen. Der kommt zu großen Teilen aus Entwicklungsländern mit Zollpräferenzen. Und zwar in einem solchen Umfang, dass diese Länder selbst wieder Zucker vom Weltmarkt importieren müssen. Obendrein beliefern wir bis zur WTO-Obergrenze auch noch den Weltmarkt mit Zucker. Das ist doch völlig widersinnig.


Brauchen die Bauern überhaupt einen umfassenden Schutz?


Brümmer: Vollkasko-Denken passt nicht zu unternehmerischem Handeln. Die Besonderheiten der Landwirtschaft rechtfertigen aus meiner Sicht aber eine Absicherung gegen unvorhersehbare Tierseuchen oder andere systemische Risiken, die ein einzelner Betrieb oder Versicherungen allein nicht stemmen können.-sp-


Bernhard Brümmer, Professor für Landwirtschaftliche Marktlehre

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