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„Wir haben ein massives Nitratproblem!“

Lesezeit: 6 Minuten

Der Entwurf der Düngeverordnung ist aus Sicht der Landwirte zu scharf ausgefallen. Viele machen dafür das Bundesumweltministerium verantwortlich. top agrar sprach mit Staatssekretär Jochen Flasbarth über strittige Punkte.


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Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt will noch einmal an die Düngeverordnung ran. Sie auch?


Flasbarth: Inzwischen liegen uns die Stellungnahmen der Länder und Verbände vor, die wir uns gemeinsam sehr genau angesehen haben. Auf dieser Basis werden wir den Entwurf weiterentwickeln. Wir haben auch Rückmeldungen aus der EU-Kommission, die die bisherige Umsetzung der Nitratrichtlinie ja für unzureichend hält. Auch das müssen wir berücksichtigen.


Wo sehen Sie noch Nachbesserungsbedarf?


Flasbarth: Den sehe ich vor allem im Bereich der hochbelasteten Gebiete (Anm. d. Red.: gemeint sind v.a. die viehstarken Regionen). Hier werden wir wohl den Handlungsspielraum, aber auch die Handlungspflichten der Länder erhöhen müssen.


Warum wird zur Beurteilung der Grundwasserqualität das sog. Belastungsmessnetz mit knapp 170 Messstellen herangezogen und nicht das repräsentative EAU-Messnetz von Bund und Ländern mit knapp 740 Messstellen?


Flasbarth: Das Messstellennetz ist schon in den 1990er Jahren einvernehmlich zwischen der Umwelt- und Landwirtschaftsseite bewusst so gewählt worden, um Veränderungen des N-Eintrags aus der Landwirtschaft gezielt abzubilden und andere Verursacherquellen möglichst auszuschalten. Das Belastungsmessnetz spiegelt damit auch wider, wenn sich durch verantwortungsvolle Düngung etwas verbessert. Leider haben sich die anfänglichen Erfolge so nicht fortgesetzt.


Andere EU-Staaten setzen auf ein breiteres Stichprobennetz. Überschätzen wir mit unserer Vorgehensweise die tatsächliche Nitratbelastung?


Flasbarth: Nein. Wir haben ein massives Nitratproblem. Das ist keineswegs eine Überschätzung. Das Belastungsmessnetz ist ein Sondermessnetz, das die Wirkung der Düngeverordnung belegen und die Nitratbelastung aus der Landwirtschaft über die Zeit abbilden soll. Es geht nicht um eine repräsentative Beschreibung der allgemeinen Nitratsituation im oberflächennahen Grundwasser. Ich gebe Ihnen aber Recht, dass absolute Vergleiche mit anderen EU-Mitgliedstaaten, die anders messen, problematisch sind.


Warum sind aus Ihrer Sicht Länderöffnungsklauseln notwendig?


Flasbarth: Die Nitratrichtlinie verlangt Gewässerschutzmaßnahmen in stark belasteten Gebieten. Deutschland hat sich seinerzeit für eine flächendeckende Umsetzung durch die gute fachliche Praxis, die in der Düngeverordnung definiert wurde, entschieden. Nun zeigt sich, dass das nicht gereicht hat. Es muss daher in Zukunft möglich sein, in stark belasteten Gebieten zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Das verlangt auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie von uns.


Warum wollen Sie die Phosphatdüngung strenger regeln als die EU vorschreibt?


Flasbarth: Wir haben uns mit dem Landwirtschaftsministerium darauf verständigt, dass sich die Novellierung der Düngeverordnung eng an die Empfehlungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe anlehnen soll, die sich hauptsächlich aus landwirtschaftlichen Düngungsexperten zusammensetzt. Diese haben vorgeschlagen, Regelungen zu schaffen, die das Abschwemmen von Düngemitteln mit wesentlichen Phosphatgehalten vermeiden.


Welche Umweltgefahren gehen vom Phosphat aus?


Flasbarth: Es droht eine Phosphatanreicherung in den Gewässern, v.a. durch Abschwemmung. Dagegen hilft in erster Linie Erosionsschutz. Die wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik und für Düngungsfragen beim Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) und der Sachverständigenrat für Umweltfragen beim Bundesumweltministerium (BMUB) halten darüber hinaus auch eine Begrenzung der Phosphatanreicherung im Boden für sinnvoll.


Bodengebundenes Phosphat ist auch auf hoch versorgten Böden nur sehr eingeschränkt pflanzenverfügbar. Betroffene Landwirte befürchten nun Ertragsverluste und Wettbewerbsnachteile, wenn sie nicht nach Entzug düngen dürfen.


Flasbarth: Solche Nachteile für Landwirte halte ich für sehr unwahrscheinlich. Die genannten wissenschaftlichen Beiräte beim BMEL und BMUB sehen das ähnlich. Sie erwarten bei hohen Phosphatanreicherungen im Boden häufig keine Ertragseinbußen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat zudem festgestellt, dass neben der Reduzierung der Phosphatbelastung der Gewässer auch eine Verbesserung der Produktivität der Phosphatdüngung erreicht werden kann. Das ist im Hinblick auf die endlichen weltweiten Phosphorvorkommen wichtig.


Die Vegetations-dauer hat sich um mehr als 10 Tage verlängert. Warum wollen Sie trotzdem längere Sperrfristen?


Flasbarth: Weil wir bislang zu kurze Sperrfristen hatten. Deshalb müssen wir uns jetzt zunächst einmal auf die Erreichung der Gewässerschutzziele konzentrieren, zu denen wir uns in den 1990er Jahren verpflichtet haben. Die EU-Kommission stützt sich übrigens hierzu bei ihrer Forderung nach noch längeren Sperrzeiten auf wissenschaftliche Untersuchungen.


Wintergerste soll bis zum 1. Oktober begüllt werden dürfen, Winterweizen nicht. Warum die Unterschiede?


Flasbarth: Der Ausnahme für Wintergerste habe ich zugestimmt, weil Düngungsexperten mir glaubhaft versichert haben, dass im Herbst ein Düngebedarf entstehen kann. Es geht um eine bedarfsgerechte Düngung und keinesfalls darum, möglichst lange, möglichst viele Aufnahmeflächen für Gülle aus Regionen mit Intensivtierhaltung bereitzustellen. Auch Brüssel sieht Ausnahmen bei den Sperrfristen sehr kritisch. Insofern sind wir schon sehr weit gegangen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat übrigens eine pauschale Sperrfrist nach Ernte der Hauptfrucht vorgeschlagen, ohne Ausnahmen.


Die Öko-Betriebe kritisieren die Sperrfrist für Festmist. Warum ist sie aus Ihrer Sicht notwendig?


Flasbarth: Jede Form der Wirtschaftsdüngerausbringung kann Gewässerbelastungen hervorrufen. Da Festmist in diesem Zusammenhang weniger kritisch ist als Gülle, soll die kürzere Sperrfrist hier erst am 15. November beginnen. Wir werden hier noch einmal überlegen. Ich bin mir aber sicher, dass wir auch beim Festmist nicht ganz ohne Sperrfrist auskommen.


Die kommunalen Entsorger sind ebenfalls alarmiert. Sie sehen sinnvolle Nährstoffkreisläufe gefährdet, wenn ihnen die Landwirte den Kompost wegen der Sperrfristen und der möglichen Phosphatanreicherung nicht mehr abnehmen. Wäre das nicht kontraproduktiv?


Flasbarth: Ich glaube, die Kompostverwertung ist stärker von der Einbeziehung in die N-Obergrenze betroffen. Aber Sie haben Recht: Wir dürfen nicht verhindern, dass Landwirte auch künftig Kompost abnehmen. Hier ist ein Bereich, wo wir sehr ernsthaft über Weiterentwicklungen des Verordnungsentwurfs nachdenken werden.


Der Berufsstand möchte den interregionalen Nährstoffausgleich ausdehnen. Dafür müssten in Ackerbauregionen zusätzliche Lagermöglichkeiten für Gülle und Gärreste errichtet und zuvor dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Findet dieser Ansatz Ihre Unterstützung?


Flasbarth: Sicherlich ist es im Sinne der Kreislaufwirtschaft richtig, bis zu einem gewissen Grad Nährstoffüberschüsse in Ackerbaugebiete zu bringen, in denen sie sinnvoll verwertet werden können. Das darf aber keinesfalls dazu führen, dass diese Gebiete zu Gülleentsorgungsgebieten werden und wir damit neue Problemregionen schaffen. Wir werden auch keine neuen rechtlichen Rahmenbedingungen erlassen, die unsere hohen Standards für den Gewässer- und Landschaftsschutz sowie für die Luftreinhaltung konterkarieren.


Mit der neuen Düngeverordnung werden die Dokumentationspflichten weiter zunehmen. Wie wollen Sie den bürokratischen Aufwand in Grenzen halten?


Flasbarth: Bürokratie zu verringern, ist immer sinnvoll. Ordentliche Aufzeichnungen und Dokumentationen des Düngungsbereichs liegen aber schon mit Blick auf den wirtschaftlichen Erfolg im Eigeninteresse des Landwirts. Ich kann auch nicht erkennen, dass den Landwirten hier mehr aufgebürdet wird als dies von der Sache her erforderlich ist.


Die Fragen stellte top agrar- Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals


Wie die neue Düngeverordnung im Detail aussehen soll, können Sie in top agrar 2/2015, ab S. 28 nachlesen.

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