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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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„Wir steigen ein, um am Ball zu bleiben“

Lesezeit: 6 Minuten

Landkreis Nordfriesland


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Im Landkreis Nordfriesland ist Biogas für viele gebeutelte ­Milchviehhalter eine echte Alternative. Doch sehen Berater und Betriebe den Pachtpreisanstieg kritisch.


Wer den Hof von Hans-Ulrich Martensen aus Sönnebüll im nordwestlichen Schleswig-Holstein sieht, erlebt wie in Zeitraffer die Betriebsentwicklung der letzten 20 Jahre: Neben dem Wohnhaus steht der Stall für 70 Kühe. Dahinter tuckert das Blockheizkraftwerk (BHKW) mit 75 kW der ersten Biogasanlage aus dem Jahr 2004. Und dahinter türmen sich die mächtigen Behälter einer 500 kW-Anlage aus dem Jahr 2008 auf.


Wie Martensen haben sich viele Milchviehhalter für Biogas entschieden. Mit etwa 80 Anlagen steht in dem Landkreis Nordfriesland fast ein Drittel aller Anlagen in Schleswig-Holstein.


Das wirkt sich inzwischen sehr deutlich auf die Flächenutzung aus: Der Energiemaisanteil an der Ackerfläche im Landkreis kratzt an der 20 %-Grenze. „Biogasanlagen entstehen häufig in Futterbaugebieten, weil sich die leichten Böden für den Maisanbau hervorragend eignen“, erklärt Werner Holz, Biogasberater bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein.


Aber auch Schweinehalter interessieren sich für Biogas. „Sie können die Abwärme aus einer Biogasanlage gut für die Stallbeheizung nutzen“, weiß Anlagenplaner Hauke Oldsen aus Niebüll.


Mit zunehmender Zahl der Biogasanlagen ist auch der Pachtpreis stark gestiegen. Nicht selten müssen Landwirte bei neuen Verhandlungen 200 bis 300 Euro je Hektar mehr bezahlen. Bei einem Pachtflächenanteil von 70 % wandert viel Geld in die Hände der Verpächter. Dabei operieren diese teilweise mit unfairen Mitteln, in dem sie Landwirte gegeneinander ausspielen und immer höher pokern.


Der Pachtpreisanstieg war ab den Jahren 2007/2008 zu beobachten. Damals sprangen einige Rohstofflieferanten ab, weil sie mit Getreide mehr Geld verdienen konnten als mit Biogasmais. In der Folge begannen Anlagenbetreiber für mehr Rohstoffsicherheit verstärkt Flächen zuzupachten. Gerade Neueinsteiger sind zudem sehr mutig mit Ausgaben, weil im ersten Jahr meist keine Kredite zu tilgen sind und anfangs auch kaum Reparaturen anfallen.


Der hohe Pachtpreis gilt aber nicht für alle Flächen. „Betriebe sichern sich in der Regel über eigene Flächen oder Lieferverträge ab. Nur wenn noch Substrat fehlt, steigt die Zahlungsbereitschaft für einen kleinen Teil der Flächen stark an“, beobachtet Thorben Holsteiner vom Maschinenring Mittelholstein.


Die Lage hat sich nach Ansicht von Beratern noch verschärft, weil Altanlagen von den neuen Boni profitieren. Sie können mehr zahlen als neuere Anlagen, die mit höheren Auflagen und Investitionskosten zurechtkommen müssen.


Biogas als ­Rettungsanker


Getrieben von schlechten Milch-und Getreidepreisen sowie dem gefühlten Druck, den Zug zu verpassen, greifen jetzt viele Betriebe zu Biogas als Rettungsanker. „Mit einer Biogasanlage kann ich aber einen schlecht laufenden Milchviehbetrieb langfristig nicht absichern“, warnt Erik Brauer von der Energieagentur Schleswig-Holstein aus Kiel.


Dazu kommt, dass die Arbeitszeit für den professionellen Betrieb der Anlagen häufig unterschätzt wird. Das beobachtet auch Dr. Dietrich Clemens vom Beratungsunternehmen Treurat und Partner aus Kiel. „Viele Landwirte meinen, dass sie eine kleine Anlage noch nebenbei mitbetreuen können. Aber gerade bei Milchviehhalternk klappt das nicht.“


Unter einer schlechten Betreuung leidet aber die Auslastung der Anlagen, die für einen wirtschaftlichen Betrieb oberhalb von 94 % liegen sollte. „Daher versuchen wir, Landwirte zu Gemeinschaftsanlagen zu bewegen. Mit größeren Anlagen lassen sich bessere Wärmekonzepte realisieren. Außerdem steigt die Substrat-sicherheit“, erklärt Clemens.


So sieht das auch Söhnke Neumann, Vertriebsberater bei einem norddeutschen Anlagenhersteller: „Wir raten Landwirten, eine Anlage mit 190 bis 250 kW zu bauen, um mit eigenen Rohstoffen unabhängig zu bleiben und den Kampf um die Flächen nicht weiter zu verschärfen.“ Trotzdem entscheiden sich viele für Anlagen über 400 kW.


Die bessere Flächenausstattung war auch Anlass für Michael Puschmann aus Bramstedtlund, eine neue Biogasanlage zusammen mit seinem Berufskollegen Uwe Jacobsen zu planen. Denn er kann ein Satelliten-BHKW an einem Bundeswehrstandort mit hohem Wärmebedarf errichten. Die dafür nötige Anlage müsste 380 kW haben, wofür er aber nicht genug Flächen hat.


Zusammen mit Jacobsen kann er den Bedarf von 170 ha größtenteils selbst decken. Die restlichen Substrate kaufen sie von benachbarten Landwirten zu.


Mais aus Dänemark


Auch viele Milchviehhalter, die sich bis vor einem halben Jahr noch deutlich gegen Biogas ausgesprochen haben, bauen jetzt eine eigene Anlage. Einer davon ist Andreas Andresen aus Klixbüll, mit 650 Kühen einer der größten Milcherzeuger in Schleswig-Holstein. „Kein Wirtschaftszweig in der Landwirtschaft kann so viel Geld für Pacht ausgeben wie Biogasanlagen“, kritisiert er.


Nach der Devise: „Wenn ich dagegen nicht konkurrieren kann, muss ich es selbst machen“ plant er daher eine Anlage mit 800 kW, bei der er 20 % der Energie aus Gülle produzieren will. Um den Flächendruck nicht zu verschärfen, hat er fünfjährige Anbauverträge für Mais mit Landwirten aus dem zehn Kilometer entfernten Dänemark geschlossen. „Lieferungen aus Dänemark nehmen in unserer Region zu“, bestätigt Landwirt Martensen, der selbst 6 000 t im Jahr 2010 von einem dänischen Lohnunternehmer bezieht. Grund: Einige Landwirte, die ihn bis zum letzten Jahr beliefert haben, bauen jetzt eigene Biogasanlagen.


Doch der Import von dänischem Mais ist nicht unproblematisch. „Flächenknappe Betriebe werden die Nährstoffe für sehr viel Geld in andere Regionen abtransportieren müssen“, befürchtet ein Berater. Verhältnisse wie in Südoldenburg oder dem westlichen Münsterland könnten schon bald drohen.


Nicht alle machen mit


Abseits vom Boom gibt es aber auch Betriebe, die sich bewusst gegen Bio­gas entscheiden. „Ich will meinen Betrieb nicht mit einer Biogasanlage belasten“, sagt Rainer Harmester. Der Landwirt aus Vollstedt hält 50 Kühe mit einer Milchleistung von 11 000 Litern pro Kuh und Jahr. Er ist mit einem Biogasanlagenbetreiber aus dem Ort befreundet, Flächenkonkurrenz gibt es bei ihm noch nicht.


Er kennt aber die Sorge der Berufskollegen, Verpächter könnten in Zukunft nur noch mit Biogaserzeugern verhandeln. Trotzdem hält er viele Probleme für herbeigeredet: „Es ist wird immer so getan, als ob Biogaserzeuger alles bezahlen können. Aber auch Kuhbetriebe können Durststrecken überbrücken, wenn sie die Kosten im Griff haben.“ Landwirt Karl-Wilhelm Rave aus Aussacker ergänzt: „Das Blatt kann sich auch schnell gegen uns wenden.“ Er betreibt seit 2005 eine Anlage mit 500 kW und hatte im Jahr 2007 hautnah erfahren, dass die Wirtschaftlichkeit von Biogas bei steigenden Rohstoffpreisen innerhalb weniger Monate kippen kann.-neu-

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