Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik (WBA) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hält die deutsche Nutztierhaltung „in wesentlichen Teilen für nicht zukunftsfähig“. In ihrem neuesten Gutachten empfehlen die 14 „Agrar- Weisen“, die Weichen radikal neu zu stellen.
Dabei hält der WBA die Zielkonflikte zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Tierschutz für überwindbar. Der Umbau werde aber „einen längeren Zeitraum“ erfordern und viel Geld kosten. Hier die wichtigsten Eckpunkte und deren Auswirkungen:
- Strengere Tierschutzstandards, die sich z.B. an bestehenden Tierschutzlabeln oder am Öko-Landbau orientieren, würden die derzeitigen Produktionskosten um über 13 bis 23 % erhöhen. Das sind 3 bis 5 Mrd. €/Jahr.
- Selbst bei voller Überwälzung der Kosten auf die Verbraucher sollen tierische Nahrungsmittel im Laden nur 3 bis 6 % teurer werden. Das sei für viele Verbraucher tolerierbar.
- Ohne flankierende Begleitmaßnahmen prognostizieren die Gutachter gewaltige Strukturveränderungen. Die Schweinehaltung soll um 20 bis 37 % zurückgehen. Bei Rindfleisch, Geflügel und Eier soll die Produktion um 8 bis 16 % einbrechen. Nur bei der Milch würde sich kaum etwas ändern. Eine gemeinsame Einführung höherer Standards mit anderen EU-Ländern würde die Produktionsrückgänge allerdings verringern, betont der WBA.
- Ein neues Konsum-Leitbild „besser und weniger“ soll für mehr Wertschöpfung bei den Landwirten sorgen. Die Idee: Die Verbraucher essen weniger Fleisch, geben für das tierwohloptimierte Fleisch aber mehr Geld aus.
Ohne flankierende Maßnahmen der Politik ist der skizzierte Umbau der Nutztierhaltung nicht zu schaffen. Sonst wandern Teile der Produktion ins Ausland ab, befürchtet der Beirat. Er sieht fünf große Ansatzpunkte.
- Um auf EU-Ebene Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollten die Mitgliedstaaten mit bedeutender Tierhaltung die strengeren Tierschutzstandards möglichst gemeinsam vorantreiben.
- Der Bund soll ein nationales Tierwohl-Monitoring aufbauen und für besser qualifizierte Tierhalter sorgen.
- Um mehr Geld für den Tierschutz zu haben, sollte Deutschland EU-Mittel von der 1. in die 2. Säule umschichten.
- Die Bundesländer sollen die sog. nicht-kurativen Eingriffe (z. B. Schwänzekürzen) ausnahmslos schnell verbieten, den Tierschutz stärker kontrollieren und gleichzeitig Förderanreize für mehr Tierwohl schaffen.
- Die Wirtschaft soll ihre Brancheninitiative Tierwohl ausweiten. Der Handel könnte zusätzlich für mehr Marktdifferenzierung sorgen, indem er sein Sortiment stärker auf Tierwohl ausrichtet bzw. Produkte mit niedrigeren Standards auslistet.