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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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Wohin mit dem Gärrest?

Lesezeit: 6 Minuten

Kreis Borken


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Jeden Monat gehen im Kreis Borken neue Biogasanlagen ans Netz. Auf die Pachtpreise hat das noch wenig Einfluss – sie liegen seit langem jenseits von Gut und Böse. Der Druck im Kessel entsteht bislang woanders: Bei den Nährstoffüberhängen.


Der Kreis Borken ist neben Vechta und Cloppenburg eine der viehreichsten Regionen in Deutschland. In dem Landkreis im Nordwesten Nordrhein-Westfalens stehen pro ha Landwirtschaftsfläche mehr als doppelt so viele Hühner, Schweine und Rinder wie im Rest des ohnehin veredlungsstarken Bundeslandes. Viele Betriebe haben in den letzten Jahren auf die Schweinemast gesetzt. Neue Ställe mit 2 000 Plätzen sind keine Seltenheit. Entsprechend hoch sind die Pachten. Auch die Nährstoffbilanzen sind seit Jahren angespannt. Ohne Güllebörsen und die überregionale Gülleverwertung wären viele Betriebe längst am Ende.


Mit dem Biogas-Boom verschärfen sich die Probleme. Inzwischen gibt es im Landkreis rund 70 Biogasanlagen. Zuerst waren es vor allem Bullen- und Hähnchenmäster,


die ein zweites Standbein suchten. Jetzt steigen auch Milchvieh- und Schweinehalter ein. Der Güllebonus macht’s möglich! Hinzu kommt, dass die bestehenden Biogasanlagen vergrößert werden. Inzwischen beträgt die installierte elektrische Leistung der Anlagen im Kreis rund 21,7 MW – Tendenz weiter steigend.


Nicht zur Freude aller Landwirte. „Fläche ist in unserer Region ohnehin knapp und teuer“, kritisiert Bernhard Bronnert, Milchviehhalter mit 100 Kühen aus der Gemeinde Gescher: „Mit den Pachtpreisen, die Biogasanlagen bieten können, kann ich beim aktuellen Milchpreis nicht mithalten.“


Die Rechnung ist einfach: Bei den regional möglichen Maiserträgen sind pro 100 kW elektrischer Leistung rund 35 bis 40 ha Silomais erforderlich. Heute wird bereits auf knapp 10 % der Ackerflächen Energiemais angebaut. Im Jahr 2000 lag der Anteil noch bei 1,6 %.


„2007 war’s verdammt eng“


Trotzdem sehen Experten bisher nur einen geringen Einfluss auf das Pachtpreisniveau. Denn die wenigsten Anlagenbetreiber pachten im großen Stil Flächen zu. „Die wären schön blöd“, sagt uns ein Berater von der Landwirtschaftskammer, „denn der Zukauf von Silomais ist für die Betreiber viel günstiger.“ Seit Jahren hat sich im Kreis ein florierender Markt für Energiemais entwickelt, der zunehmend den Getreideanbau verdrängt. Gekauft wird in der Regel per Handschlag im Herbst, langjährige Verträge sind die Ausnahme.


Auch Frank (30) und Alfons Kisfeld (57) aus Vreden beziehen Mais und Gülle von Nachbarbetrieben. Die Schweinehalter mit 100 Sauen im geschlossenen System betreiben seit Ende 2006 eine 250-kW-Anlage. „Der Zukauf war bisher kein Problem“, sagt Frank Kisfeld, „im Gegenteil, unsere Vorräte sind deutlich gewachsen.“ Trotzdem erwartet der junge Betriebsleiter, dass Mais bei steigenden Weizenpreisen zum begrenzenden Faktor in der Region werden könnte. Sein Vater gibt zu bedenken: „In der aktuell günstigen Situation für Biogas steigen auch Betriebe in den Markt ein, die über kein gutes Wärmekonzept verfügen. Das rächt sich irgendwann!“ Er ist davon überzeugt, dass – wie in anderen Betriebszweigen auch –, nur das obere Drittel der Biogasbetriebe dauerhaft schwarze Zahlen schreiben wird und erinnert: „2007 war die Rechnung noch verdammt eng.“


Und das selbst bei einem effizienten Anlagenkonzept. Denn er und sein Sohn vermarkten die bei der Verstromung anfallende Wärme über eine 1 km lange Fernwärme-Trasse an ein Krankenhaus. Eine „Musterlösung zukunftsorientierter Biogasanlagen“, wie das KTBL befand und die Familie im Rahmen eines Wettbewerbes auszeichnete.


1 € Mehrkosten pro Mastplatz und Jahr


Für Landwirte wie die Kisfelds hat Andreas Heumer, Schweinemäster mit 2 000 Plätzen aus der Region, durchaus Verständnis – nicht aber für die Politik. „Ich mache niemandem einen Vorwurf, der versucht eine Chance für seinen Betrieb zu nutzen“, sagt er, „die Anreize, die das EEG und insbesondere der Nawaro-Bonus schaffen, sind für unsere Region aber grundverkehrt.“ Heumer ist überzeugt: EEG und Marktwirtschaft passen nicht zusammen. „Das ist Planwirtschaft“, kritisiert er und rechnet vor, dass ein durchschnittlicher Schweinehalter knapp 1 € Mehrkosten pro Mastplatz und Jahr tragen müsse, anhand der höheren Strompreise durch das EEG.


Kooperation vom Rohstoff bis zur Wärme


Hendrik (27) und Heiner Schemmer (56) kennen diese Rechenspiele, sie bewirtschaften selbst 2 500 Schweinemastplätze im Landkreis. Trotzdem sehen sie im Betriebszweig Biogas eine Bereicherung für die Region. „Wir haben uns selbst mit dem Bau einer Anlage beschäftigt“, sagt Heiner Schemmer, „aber entschieden, uns weiter auf Schweine und Kartoffeln zu spezialisieren.“


Dennoch profitieren die Schemmers vom Biogas-Boom: Sie kooperieren mit einem benachbarten Biogasbetrieb. Seit fünf Jahren verkaufen sie Mais an Hermann-Josef und Ulrike Benning und liefern Gülle im Tausch gegen Gärrest. Seit kurzem geht die Zusammenarbeit der Betriebe noch einen Schritt weiter. Denn Hendrik und Heiner Schemmer sind in die Wärmevermarktung mit eingestiegen und investieren dafür zurzeit rund 200 000 € in ein eigenes Wärmenetz.


Eine Win-Win-Situation, denn auch Benning profitiert, weil er den Bonus für Kraft-Wärme-Kopplung erhält. Er und seine Frau sind 2004 mit einer 210-kW-Anlage in die Biogasproduktion eingestiegen und haben die Kapazitäten seither mehr als verdreifacht.


Beide Kooperationspartner machen Biogas nicht für das hohe Pachtpreisniveau verantwortlich. „Da wird überzogen. Die gefühlten Pachtpreise sind häufig höher als die tatsächlichen“, sind sie überzeugt: „Die Debatte hängt sich meistens an einigen Negativbeispielen auf.“ Hermann-Josef Benning betont außerdem: „Meine Biogasanlage ist ein nicht gebauter Schweinestall. Ohne sie hätten wir die 800 Mastschweineplätze deutlich aufstocken müssen.“


Phosphor wird zum Problem


Trotzdem hat nicht jeder Beobachter in der Region Verständnis für eine Anlage, die pro Jahr über 200 ha Silomais beansprucht. „1 ha Energiemais frisst 1 ha Gülleverwertungsfläche“, rechnet ein Berater vor und kritisiert, dass sich die wachsenden Nährstoffüberschüsse nicht mehr im Kreis unterbringen ließen. Vor allem beim Phosphor drücke der Schuh. Er erklärt: „Das Futtergetreide, das der Energiemais im Ackerbau verdrängt, wird durch Futterimporte aufgefangen. Die Nährstoffbilanz verschlechtert sich.“


Ein Trend, der sich noch verstärken wird. Denn benachbarte Regionen, die bislang Gülle und Gärreste aufgenommen haben, fallen zunehmend als Puffer aus, weil auch dort Biogasanlagen entstehen oder der Import von Gülle aus den Niederlanden zunimmt. „Wenn diese Entwicklung anhält, könnten die Gülleverwertungskosten in die Höhe schießen“, warnt ein anderer Experte. Er befürchtet, dass dies langfristig auf die Pachtpreise durschlagen würde. -mst-

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