Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Nachhaltigkeit bedeutet dort, dass nur soviel Holz geerntet werden darf, wie auch nachwachsen kann. In der Landwirtschaft ist diese Form der Kreislaufwirtschaft höchstens noch in Biobetrieben realisierbar. In der konventionellen Landwirtschaft aber nicht mehr. Der Begriff wird hier in meinen Augen für Wettbewerbszwecke und Zugeständnisse bei den Preisverhandlungen mit dem Lebensmittelhandel und der Lebensmittelindustrie missbraucht.
Im Herbst 2011 habe ich auf der Bundesgartenschau in Koblenz den Kohlenstoffkreislauf einer Milchkuh mit einer Futterration für das zweite Laktationsdrittel ausgestellt. Das Futter reichte zur Erzeugung von 25 kg Milch am Tag und wurde bis auf das Mineralfutter ausschließlich in meinem Betrieb erzeugt. Die hier aufgezeigte Kreislaufwirtschaft musste und muss aber regelmäßig durch die ressourcenzehrenden Betriebsmittel wie Diesel, Strom, Mineraldünger und Pflanzenschutz ergänzt werden.
Milchkühe haben aber im ersten Laktationsdrittel ein wesentlich höheres Leistungsniveau als 25 Liter Milch am Tag. Ich kann zwar Proteinergänzungen über heimisches Rapsschrot vornehmen. Aber wie erkläre ich es den Verbrauchern, wenn ich Sojaschrot aus Südamerika hinzufüttere.
Eine weidende Milchkuh spricht sinnbildlich für eine jahrhundertlange Nachhaltigkeit in der Milchviehhaltung. Die Kuh hat gefressen und ihren Mist auf der Futterfläche fallen lassen.
Wenn nun Klimaschutz, Ressourcenschonung und soziale Aspekte Säulen der Nachhaltigkeit sind, dann müsste die Nutzung aller brachliegenden Flächen im Vordergrund stehen. Die Verlagerung der Milchviehaltung aus den strukturschwachen Gebieten hin zu den Gunstregionen sprechen dem jedoch entgegen.
Das für die menschliche Ernährung wertlose Dauergrünland ist nun einmal in der Lage klimaschädliches Kohlendioxid zu binden und über der Wiederkäuer in den Nahrungsmittelkreislauf einzubringen. Ungenutztes Grünland dagegen lagert zwar auch in der Vegetation Kohlendioxid ein, gibt dieses aber beim Verrotten wieder als schädliches Klimagas in die Atmosphäre ab.
Unilever & Co. machen es sich mit ihrer Forderung zu einfach, indem sie nur noch nachhaltige Produkte in ihre Verkaufsregale stellen wollen. Vielleicht sollten sich die Lebensmittelriesen die Definition der Nachhaltigkeit noch einmal näher ansehen.
Wolfgang Behrendt, 56323 Rhens-Hünenfeld
„Wir haben ganz andere Sorgen!“
Unfassbar: Die Milchpreise stürzen ab. Aber unsere Branchenvertreter haben nichts besseres zu tun, als über neue Nachhaltigkeitskriterien für uns Milcherzeuger zu diskutieren. Das darf nicht wahr sein!
Wir brauchen einen Milchpreis von mindestens 35 ct/kg. Doch jetzt rutscht die Auszahlung deutlich unter die 30 Cent-Marke. Das wird dramatische Folgen haben: Viele Milcherzeuger dürften das nicht lange überleben – vor allem nicht die Familienbetriebe. Wo soll das noch hinführen? Sollen wir Milcherzeuger reihenweise pleite gehen, sodass nur noch wenige Großbetriebe Milch produzieren? Bauernverband und Co. sollten lieber zu diesen Fragen Lösungen finden, statt uns mit Vorschriften zu schikanieren!