Ein Kommentar von top agrar-Redakteurin Dr. Johanna Garbert:
Wer dachte, die Coronakrise führe zu einem Umdenken bei den hohen Umweltanforderungen an die Landwirtschaft, der ist spätestens seit der Präsentation von Farm to Fork- und Biodiversitätsstrategie durch die EU-Kommission schlauer. Brüssel geht mit Maximalforderungen ins Rennen: Eine Halbierung von „Pestiziden“ und Antibiotika, 20 % weniger Düngemittel, dafür 25 % Ökolandbau – und das bitte innerhalb der nächsten zehn Jahre.
Noch handelt es sich um Wünsche der Kommission. Bevor sie zu Verordnungen werden, haben EU-Ministerrat und Parlament mitzureden. Aber wer 50 % weniger „Pestizide“ fordert, wird sich kaum mit z. B. 30 % oder weniger zufriedengeben. Und bei Verhandlungen um neue Verordnungen und eine neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) sitzt die Kommission nun mal mit am Tisch. Der Fahrplan scheint somit vorgezeichnet.
Dramatisch ist, dass die meisten Landwirte bei Ackerbau-, Nachhaltigkeitsstrategie, Ankündigung eines Insektenschutzprogrammes, neuen Volksbegehren, Novellierung der Düngeverordnung oder Verschärfung der Nutztierhaltungsverordnung längst nicht mehr mitkommen. Immer kommt noch eine Schüppe drauf. Und nun dieser Paukenschlag aus Brüssel. Das scheint selbst „Land schafft Verbindung“ (LsV) zu überfordern. Ihnen ist es gelungen, die Bürger für die Belange der Landwirtschaft zu sensibilisieren und zu zeigen: Überbordende Auflagen und das Hin und Her der Politik zwingen selbst hart gesottene Landwirte irgendwann in die Knie. Jetzt packt Brüssel bei zentralen Zukunftsfragen die Brechstange aus. Und was macht LsV? Sie verlieren dazu kein Wort und führen lieber einen aussichtslosen Kleinkrieg gegen Svenja Schulze. Anders der Deutsche Bauernverband. Er spricht von einem „Generalangriff auf die Landwirtschaft“. Nur: Weiter steigende Umweltanforderungen abwenden wird auch das nicht. Und den Landwirten helfen, damit umzugehen, auch nicht.
Die Umweltanforderungen steigen. Dafür brauchen die Landwirte Entlohnung.“ - Garbert
Was tun? Die Antwort kommt aus Niedersachsen. Dort zeigen Politik, Umweltverbände, Kammer und Landvolk, wie Mehrkosten für Umweltschutz fair entlohnt werden können. Genau das muss auch die Devise der GAP sein: Akzeptieren, dass die Anforderungen steigen und konsequent Entlohnung für zusätzliche Leistungen einfordern. Nur windmühlenartig für einen möglichst hohen Anteil an Direktzahlungen in der ersten Säule zu kämpfen, ist zu kurz gedacht. Denn pauschale Zahlungen lassen sich nicht dauerhaft rechtfertigen. Davor kann auch der Bauernverband nicht die Augen verschließen. Die künftigen Eco-Schemes sowie 2. Säule-Zahlungen für konkrete Umweltleistungen könnten hingegen dauerhaft Einkommen sichern – wenn sie hoch genug sind. Und dafür lohnt es sich wirklich zu kämpfen. Also: Augen auf und durch!