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Biogas: Lagerraum wird knapp – was tun?

Gerade in Veredelungsregionen stoßen Biogaserzeuger mit den Nährstoffen schnell an ihre Grenzen. Wie ermittelt man den Ist-Zustand? Und wie lassen sich Überschüsse kostengünstig exportieren?

Lesezeit: 8 Minuten

Gerade in Veredelungsregionen stoßen Biogaserzeuger mit den Nährstoffen schnell an ihre Grenzen. Wie ermittelt man den Ist-Zustand? Und wie lassen sich Überschüsse kostengünstig exportieren?



Landwirt Marco Muhsmann (Name geändert) aus dem nordwestlichen Niedersachsen ist entsetzt: Die zuständige Genehmigungsbehörde hat ihn aufgefordert, zusätzlichen Lagerraum für die Gärreste aus seiner Biogasanlage zu schaffen. Er habe rund 1 000 m3 zu wenig, heißt es in dem Schreiben der Behörde. Wie konnte das passieren?



Der Landwirt bringt im Jahr rund 9 000 t Rohstoffe in die Biogasanlage mit einer Leistung von 500 Kilowatt (kW) ein. Dazu gehören Maissilage, GPS Grünroggen oder Gülle. „Hier passiert meist schon der erste Fehler, denn viele Landwirte vergessen, das Oberflächenwasser mit zu bilanzieren“, erklärt Jan Wulkotte von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.


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Kaum Mengenabbau


Aus dem Input lässt sich die theoretische Outputmenge in Kubikmetern bestimmen. Hierzu werden sogenannte Fugatfaktoren herangezogen. Sie geben an, wie viel Prozent der ursprünglich eingesetzten Substratmasse nach der Vergärung noch übrig bleiben. Bei Gülle beispielsweise sind noch 98 % der Ausgangsmenge vorhanden, bei Maissilage 76 %. Zur einfachen Bestimmung hat die Landwirtschaftskammer Niedersachsen eine Excel-Anwendung erstellt.


Im Fall von Landwirt Muhsmann bleiben bei knapp 9 000 t noch 7 580 m3 Gärrest übrig. Allein 960 m3 davon sind Oberflächenwasser. „Diese Werte muss der Landwirt auch der Genehmigungsbehörde mitteilen, sodass diese immer in Kenntnis über den aktuellen Stand gesetzt wird“, erläutert Wulkotte.



Nährstoffgehalt ist wichtig


Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Lagerraumbestimmung sind die Nährstofffrachten. Stickstoff und Kalium gelangen vor allem über die Maissilage in die Anlage, während die Wirtschaftsdünger die Phosphatquelle sind. Summiert man die Nährstofffrachten auf und teilt die Menge dann durch die Outputmenge, erhält man die Inhaltsstoffe für den Gärrest.



Beispiel Stickstoff: In der Summe führt Muhsmann in seiner Anlage 35 619 kg Stickstoff zu. Geteilt durch die 7 580 m3 Gärrest ergibt sich ein theoretischer Stickstoffgehalt von 4,7 kg je m3 Gärrest. „Diese Werte sind für die Berechnung bei Anlagenerweiterungen aber auch für den Flächennachweis im Zuge der Nährstoffbilanz entscheidend“, verdeutlicht Wulkotte. Damit lässt sich beispielsweise ermitteln, ob die Fläche im eigenen Betrieb zur Ausbringung ausreicht oder wie viel Gärrest ein aufnehmender Betrieb verwerten kann.



Diese theoretischen Werte können jedoch von den tatsächlich ermittelten abweichen. Im Beispiel Muhsmann zeigte sich, dass der Stickstoffgehalt etwas höher, Phosphat- und Kalium- Gehalt dagegen niedriger als der jeweilige theoretische Wert waren. „Diese Analysewerte müssen auf den Lieferscheinen stehen und auch in den elektronischen Datenbanken eingetragen werden“, erklärt Wulkotte.



Für die Genehmigungsbehörden sind sie dagegen unerheblich. Der Flächenbedarf lässt sich aus den theoretischen Werten ableiten. Pro m3 enthält der Gärrest im Beispiel Muhsmann 1,75 kg Phosphat. Wenn der Betrieb 80 kg Phosphat pro Hektar ausbringen will, dürfte er 45 m3 Gärrest düngen (Rechengang: 80 kg geteilt durch 1,75 kg/m3). In diesem Fall würde er für den gesamten Gärrest 168 ha benötigen (7 580 m3 Gärrest geteilt durch 45 m3/ha).



„Heute bestimmt vielfach der Phosphatwert die Ausbringfläche. Das könnte sich aber ändern“, stellt Wulkotte in Aussicht. Denn die Bundesregierung plant bis zum Jahr 2015 eine Änderung der Düngeverordnung. Demnach könnte die Höchstgrenze auch für pflanzlichen Stickstoff auf 170 kg N/ha festgesetzt werden. Bei 4,7 kg N/m3 dürfte Landwirt Muhsmann dann nur 36 m3 Gülle pro Hektar ausbringen und würde dann 211 Hektar Ausbringfläche benötigen.



„Sollte die Änderung kommen, würden viele Biogasanlagen einen höheren Flächenbedarf haben“, fasst der Berater das Szenario zusammen. Gerade Anlagen in Veredelungshochburgen wie dem Emsland, in dem heute schon Nährstoffüberschuss besteht, würden dadurch noch stärker unter Druck geraten.


Input bestimmt Lagerraum


Neben der Ausbringfläche bestimmt die Gärrestmenge auch den nötigen Lagerraum. Landwirt Muhsmann hat einen Fermenter mit 1 500 m3 Volumen, einen Nachgärer mit 1 500 m3 und ein Gärrestlager mit 3 260 m3. Das gesamte Behältervolumen summiert sich also auf 6 260 m3. Die empfohlene Mindestverweilzeit für die Mischung aus Gülle und nachwachsenden Rohstoffen sind 80 Tage. Da er pro Tag 22 t Substrat zuführt, errechnet sich die nötige Fermentergröße so: 22 t mal 80 Tage ergeben 1 760 m3.



Der Lagerraum wird jetzt so ermittelt: Tatsächlicher Fermenter plus Nachgärer ergeben ein Volumen des Fermentersystems von 3 000 m3. Davon werden die benötigten 1 760 m3 abgezogen. Der Rest (1 240 m3) kann als Lagerraum angerechnet werden. Zusammen mit dem vorhandenen Gärrestlager ergeben sich 4 500 m3 Lagerkapazität.



Da der Betrieb aber vor allem im März und April das Gros des Gärrestes auf eigenen Flächen ausbringen oder über eine Güllebörse an Ackerbaubetriebe abgeben kann, braucht er Lagerraum für 8,8 Monate. Das wären bei den 7 580 m3 Gärrest ein Lagerraum von 5 587 m3. Die vorhandene Lagerkapazität von 4 500 m3 dagegen würde nur für 7,1 Monate ausreichen (7 580 m3 geteilt durch 12 Monate = 632 m3/Monat. 4 500 m3 geteilt durch 632 m3/Monat = 7,1 Monate Lagerraum).


Problemlösung nicht einfach


Um das Problem zu lösen, hat der Betrieb jetzt folgende Möglichkeiten:



• Er könnte einen Behälter bauen mit 1 200 m3 Volumen. „Das wäre aber die teuerste und wahrscheinlich unwirtschaftlichste Lösung“, bewertet Berater Wulkotte das. Alternativ könnte der Betriebsleiter darüber nachdenken, die Anlage bis zur neuen Grenze von 2,3 Mio. m3 Biogas pro Jahr zu erweitern, bis zu der Biogasanlagen im Außenbereich nach dem Baugesetzbuch privilegiert sind. „Bei der Anlagenerweiterung rechnet sich ein neuer Behälter viel eher“, erklärt er.



• Der Betreiber könnte auch die Substratmenge reduzieren auf 17 t pro Tag. Allerdings würde das auch die Leistung der Anlage verringern.



• Er könnte das Oberflächenwasser getrennt auffangen, was die Inputmenge in diesem Fall um rund 1 000 m3 reduzieren würde. „Mengen wie diese treten bei einer Biogasanlage mit 500 kW Leistung nicht selten auf“, beschreibt der Berater.



• Er könnte den Gärrest auch separieren und trocknen. Die Gärrestaufbereitung kann ein Mittel sein, um die Situation für Veredelungsbetriebe mit Biogasanlage zu entschärfen.



„Mit der Aufbereitung können Landwirte die Kosten für den Gärresttransport unter Umständen reduzieren“, meint Dr. Hans-Heinrich Kowalewsky vom Referat Energie, Bauen und Technik der Landwirtschaftskammer Niedersachsen hierzu.


Management ist wichtig!


Allerdings muss es nicht immer eine aufwendige Technologie sein. „Auch mit anderen Management-Maßnahmen kann der Betrieb das Transportproblem lösen“, so Kowalewsky. Er rät daher:



• Nährstoffhaltiger Wirtschaftsdünger wie Hühnertrockenkot sollte in Veredelungsregionen nicht in Biogasanlagen vergoren werden. Damit macht man aus einem sehr transportwürdigen, trockenen Rohstoff einen wässrigen Gärrest, der sich schlecht über weite Entfernungen transportieren lässt.



• Es kann auch sinnvoll sein, in einem Gärrestbehälter die natürlichen Absetzvorgänge zu nutzen. „Mit einem Stutzen in der mittleren Höhe der Behälterwand kann der Betreiber dann dünnflüssiges Substrat von oben entnehmen“, erklärt der Berater. Rund 90 % des Phosphats verbleiben in der dickflüssigeren Fraktion, die sich in der unteren Hälfte des Behälters absetzt. Entnimmt man nur die dünnflüssige Fraktion, erhält man einen Dünger mit wenig Phosphat zur Ausbringung auf den eigenen Flächen. Das dickflüssigere lässt sich in Ackerbauregionen mit höherem Phosphatbedarf transportieren.


Vor- und Nachteile


Bei den technischen Maßnahmen zur Gärrestaufbereitung gibt es unterschiedliche Erfahrungen mit den Verfahren. Bei jedem gilt es, Vor- und Nachteile abzuwägen:



• Separation: Pressschnecken sind heute eine gängige Technik. Ein Separator kostet im Schnitt etwa 50 000 €. Nachteil: Nur 10 % des Gärrestes liegt als Feststoff vor, 90 % bleibt die dünne Phase, die nur hofnah ausgebracht werden kann. „Außerdem lässt sich mit dem Separieren nur etwa 13 % Stickstoff und 24 % Phosphat in der Feststofffraktion konzentrieren, wie unsere Versuche gezeigt haben“, erläutert Kowalewsky. Eine Separation allein bringt also in Veredelungsregion keine Entlastung für das Nährstoffproblem.



• Trocknung: Das Wasser verdampft, es bleibt nur der getrocknete und damit höchst transportwürdige Dünger übrig. Nachteil: Die in einer Biogasanlage anfallende Wärme reicht nur aus, um etwa die Hälfte des anfallenden Gärrestes trocknen zu können. Die Verdampfungsleistung liegt im Schnitt bei 0,6 bis 1 Liter pro kWh Wärme. Bei einer Biogasanlage mit 500 kW Leistung würden im Jahr theoretisch 4,5 Mio. kWh Wärme und 10 000 t Gärreste anfallen.



„Um den gesamten Gärrest zu trocknen, wären 8,5 Mio. kWh Wärme nötig“, rechnet Kowalewsky vor. Zudem muss die Abluft in der Regel gereinigt werden, entweder über Biofilter oder über die Zugabe von Schwefelsäure zur Bildung von Ammoniumsulfat. Beides verursacht weitere Kosten. In den meisten Fällen rechnet sich eine Trocknung bei Investitionskosten um 100 000 € nur, wenn der Betreiber den Bonus für Kraft-Wärme- Kopplung (KWK) nach dem Erneuerbare- Energien-Gesetz erhält.



• Zentrifugen: Sie schleudern feste Teilchen durch Rotation per Fliehkraft heraus und trennen so feste und flüssige Phase. Vorteil: Rund 70 % des Phosphats lassen sich in der festen Phase anreichern. Nachteil: Der Energiebedarf ist sehr hoch, 90 kW Antriebsleistung sind keine Seltenheit. Auch können Sandteilchen im Gärrest den Verschleiß erhöhen, weil sie permanent auf dem Metall reiben.


Auch Zentrifugen kosten rund 100 000 €. Wegen der hohen Kosten und anderer Nachteile der gängigen Technologien sieht Kowalewsky großes Potenzial bei einer Kombination von Verfahren. „Wenn man z. B. bei einem sehr dickflüssigen Gärrest einen Teil der Feststoffe über Pressschneckenseparatoren herausholt, kann man bei dem dann dünnflüssigeren verbleibenden Rest das natürliche Absetzen nutzen, um weitere Feststoffe zu entfernen“, nennt er ein Beispiel. Entsprechende Verfahren würden derzeit erprobt.

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