Ein Streitpunkt von Armin Huttenlocher von der PR-Agentur Res Public Affairs in Berlininder neuen top agrar 4/2017. Mehr zum Abo...
„Ich bin aufgewachsen mit Landwirtschaft und wusste was Nachhaltigkeit bedeutet, bevor mit dem Wort Schindluder getrieben wurde. Es quält mich körperlich, was ein Teil der deutschen Landwirtschaft tut und wie der große, anständige Rest darunter leidet.
Es macht mich fassungslos, wenn erneut ein Jahr dahinsiecht, mit ergebnislosen, verbohrten Rechthabereien und „Wir sind gut“-Gerede. Als lebten wir noch in Zeiten, bevor es ein Bewusstsein für Naturschutz, artgerechte Tierhaltung und sonstige ethische Belange gab.
Die deutsche Landwirtschaft steht am Scheideweg. Aber nicht, weil die Bauern nichts begreifen. Sondern weil sich ein Großteil von ihnen entfremdet und zurückgezogen hat. Entfremdet vom eigenen Verband. Zurückgezogen vor einer Gesellschaft, deren Fragen peinigend die Wunden berühren, die jeder kennt, die aber die Spitze des größten Verbands so konsequent leugnet, wie die Kirche einst die Tatsache, dass sich die Erde um die Sonne dreht.
Man kennt das von Herrschern, die nicht mehr weiter wissen und am Abgrund stehen. Sie basteln sich ihre Wirklichkeit zurecht. So tritt der höchste Repräsentant der deutschen Bauern im Jahr 2017 auf wie der Landgraf aus einem Theodor-Fontane-Roman. Nur dass er sich im Acht-Zylinder statt im Vierspänner vorfahren lässt.
Weil man den Mut zu selbstkritischer Reflexion nicht hat, ernennt man jene zum Problem, die Probleme benennen und neue Konzepte fordern: Den Landesverband, der sich nicht der Sprachregelung unterwirft. Die Medien, die alles mies machen, verzerren und hinterhältig sind. Den Konkurrenzverband, der ein Zehn-Punkte-Programm vorlegt, zu dem man erleichtert ausrufen möchte: „Endlich!“ Und sowieso die NGOs, denen ja rundweg jeder Sachverstand fehlt. Man weiß nicht: Hat Trump vom DBV oder der DBV von Trump gelernt?
Dabei kostet der erste, entscheidende Schritt zu mehr Verständnis und Akzeptanz nicht einmal Geld – nur das, was derzeit am meisten fehlt: Einsicht, Aufrichtigkeit und Mut zu einem radikalen Schnitt.
Ich bin viel mit Bauern unterwegs und mit Bürgern, Politikern, Journalisten auf Höfen quer durch die Republik. Im Dialog gehen Augen, Ohren – und manchmal sogar Herzen auf. Kampagnen gewinnt man vielleicht noch mit Geld. Vertrauen und die Zukunft gewinnt man nur mit Aufrichtigkeit. Deshalb wird Donald Trump sich ändern müssen und auch die Spitze des DBV."
top agrar-Rubrik "Der Blick von außen"
Dieser Text stammt aus der Rubrik "Der Blick von außen", die jeden Monat in der top agrar-Heftausgabe erscheint. Der Streitpunkt zeigt, wie die Landwirtschaft von außen gesehen wird und ist nicht die Meinung der Redaktion. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar unten.
Das meint der DBV:
DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken antwortet auf Armin Huttenlochers Standpunkt:
Lieber Herr Huttenlocher,
ja, "es quält mich" und "macht mich fassungslos", mit welcher Leichtigkeit die selektive Wahrnehmung, Polarisierung, Überspitzung und vor allem plakative Pauschalisierung, die wir von einigen (definitiv nicht allen!) Landwirtschaftskritikern kennen, auf ernstzunehmende Diskutanten übergreift.
Es gehört schon einiges an Kühnheit dazu, erst den DBV mit billiger Kampfrhetorik "anzutrumpen" und dann diesen abgeschmackten Vergleich zu ziehen. In welcher Filterblase waren Sie während der zurückliegenden Monate? Aber vielleicht ist es ja zu viel verlangt, einen Blick auf Positionen und Äußerungen zu werfen, bevor man "mal was raushaut".
Nichts braucht die politische Debatte zur Zukunft der Landwirtschaft jetzt mehr als einen klaren, ehrlichen und sachlichen Blick auf Fakten und Argumente. Notwendig ist eine differenzierte Analyse von Problemen und möglichen Lösungen. Überhaupt nicht hilfreich sind Übertreibung, Populismus und das Aufblasen von Feindbildern.
Mehr als schade, dass Sie mit Ihrem "Blick von Außen" in der top agrar diese Chance verpasst haben.
Freundliche Grüße
Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV)
Zum Streitpunkt aus der top agrar-Ausgabe 3/2017: