Weniger Geld für Landwirte, mehr Geld für den Grenzschutz lautet der von EU-Ratspräsident Charles Michel am Freitag vorgelegte Entwurf für den neuen EU-Finanzplan der Jahre 2021-2027. Drei Tage vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel stößt der neue Vorschlag zur Finanzierung der Europäischen Union in den nächsten sieben Jahren allerdings auf Kritik. Die Bundesregierung hat in der Besprechung der EU-Botschafter am Freitag signalisiert, dass die Merkel-Regierung Agrarkürzungen - wie im Etatplan von Ex-EU-Haushaltskommissar Oettinger 2018 vorgelegt - mittragen will.
Verdoppelung des Budgets für Migration und Grenzschutz aber Kürzungen im Agrarbereich
Deutlich weniger Geld sieht Michels Vorschlag für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) vor, die von 382,5 Milliarden Euro (ohne Großbritannien) auf 329,3 Milliarden schrumpfen würde. Für die Kohäsionspolitik, die benachteiligte Regionen wirtschaftlich voranbringen soll, sind 323,2 statt bisher 367,7 Milliarden Euro (ohne Großbritannien) vorgesehen. Auf 21,9 Milliarden Euro sollen hingegen die Mittel für Migration und Grenzschutz mehr als verdoppelt werden.
Macron kritisiert verdeckt die Politik Merkels
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kritisierte auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende, dass einige Staaten den EU-Haushalt auf 1 Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzen wollen. Häufig seien das gerade die Länder, die sagen, man müsse schneller neue Länder in die Staatengemeinschaft aufnehmen. „Das ist eine Scheibe Brot, die größer und größer wird, mit der gleichen Menge an Butter.“ Diese Äußerung wird in Brüssel als Seitenhieb auf Berlin verstanden.
Der von EU-Ratspräsident Michel nach Konsultationen in allen 27 EU-Hauptstädten vorgelegte Entwurf für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) sieht 1,0948 Billionen Euro für den Zeitraum 2021 bis 2027 vor. Dafür sollten die EU-Staaten 1,074 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die EU-Kasse einzahlen. Das Parlament hatte wiederholt 1,3 Prozent verlangt.
Deutschland meldet keine Vorbehalte bei Agrarkürzungen an
Viele EU-Botschafter kritisierten Michels Plan in ihrer Vorbesprechung am Freitag. „Der neue Vorschlag sei ein Rückschritt“, sagte ein EU-Diplomat. Das mache eine Einigung beim Sondergipfel am Donnerstag schwerer.
Nicht so Deutschland. Aus deutschen Delegationskreisen wurde Zustimmung signalisiert bei den Agrarkürzungen bei gleichzeitigen Aufwüchsen für Innovationen und Migrationsaufwendungen im MFR 2021-2027. Unter diesen Voraussetzungen sei die deutsche Bundesregierung bereit, so hieß es aus Brüsseler Diplomatenkreisen, den Beitrag Deutschlands über ein Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) ab 2021 zu erhöhen. Bisher hatte sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) strikt geweigert, mehr als 1% des BNE für die EU-Kasse ab 2021 nach Brüssel transferieren zu wollen.
Gegenwind für Michels Vorschläge aus dem EU-Parlament
Der Präsident des Europäischen Parlaments (EP), David Sassoli, forderte die Staats- und Regierungschefs auf, den Vorschlag nachzubessern. Michels Plan berge die Gefahr, „dass Europa nicht nur hinter seinen eigenen Zielen zurückbleibt, sondern auch hinter anderen Akteuren auf internationaler Ebene wie China und den USA.“
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Europaparlament, der Belgier Johan Van Overtveldt lobte den Ehrgeiz von EU-Kommission und Rat beim Klimawandel, der Digitalisierung und der geopolitischen Rolle Europas. Es sei wichtig, dass die Bürger eine neue EU mit frischer Energie erlebten. „Vor diesem Hintergrund ist der gerade vorgestellte MFR-Vorschlag enttäuschend“, erklärte der Ausschussvorsitzende. „Wir können und werden diesem Vorschlag nicht zustimmen“, kündigten die Sozialdemokraten im Europaparlament an.
Auch der deutsche EP-Haushaltsexperte der Grünen, Rasmus Andersen sieht das vorgelegte Zahlenwerk kritisch: „Das Parlament kämpft für eine gemeinsame europäische Zukunft, für das Klima, gegen Armut und für die junge europäische Generation“. Michels Vorschlag werde man nicht akzeptieren.
Frankreich und Deutschland bei EU-Agrarkürzungen nicht auf einer Linie
Die konservative französische EU-Abgeordnete Anne Sander sprach von „inakzeptablen Einschnitten“ ins Agrarbudget der Gemeinschaft und kündigte Widerstand im EU-Parlament an.