Drittbeliebtester Politiker bei den Bürgern, in der Agrarbranche dagegen zunehmend in der Kritik: Cem Özdemir arbeitet sich derzeit noch in das Landwirtschaftsministerium und das Thema ein. Nach 150 Tagen im Amt ist die Schonfrist nun aber vorbei, meint die Union und geht auf Konfrontationskurs.
Unionsfraktionsvize Steffen Bilger (CDU) und Agrarsprecher Albert Stegemann (CDU) bezeichnen die Bilanz des Grünen-Politikers in einem Rundbrief als „äußerst mager“. In dem dreiseitigen Brief, der der Zeitung WELT vorliegt, werden dem Minister „viele Ankündigungen und Talkshow-Auftritte“, bescheinigt, „aber keinerlei Perspektiven für Landwirte, Verbraucher und die weltweite Ernährungssicherung“.
Als Beispiel für dringend nötige Entscheidungen nennen Bilger und Stegemann die Ankündigung Özdemirs, die Haltungsbedingungen von Nutztieren zu verbessern und die Kennzeichnungen neu zu ordnen. Wie das aber konkret geschehen soll, sei nach wie vor unklar. Die Landwirte wüssten nicht, wie sie „ihre Tierställe zugunsten von mehr Platz und Außenluft umbauen können“.
Nur eins ist klar: Es zieht sich noch hin
Laut der WELT ist dieses Verhalten aber von Özdemir bekannt, er sei kein Mann der zügigen Entscheidungen. Schon beim Koalitionsvertrag im Kapitel „Klimaschutz-Sofortprogramm“ sei der Bereich Agrarpolitik sehr vage und unverbindlich, heißt es. Allerdings könnte sich das noch für Özdemir auszahlen, weil er so Zeit gewinnt, um in langwierigen Gesprächen – etwa beim Thema Tierhaltung - Lösungen zu erreichen, die alle akzeptieren können. Ob er das schafft, ist laut der Zeitung unklar.
„Aus purer Ideologie nicht handeln“
Gefundener Angriffspunkt der Opposition ist nun auch der Ukrainekrieg: Bilger und Stegemann werfen dem Minister vor, nicht auf die Getreidekrise zu reagieren. Özdemir weigere sich, Brachflächen für den Anbau aller Feldfrüchte freizugeben, obwohl die EU-Kommission den Mitgliedstaaten diese Möglichkeit jüngst ausdrücklich eröffnete.
„Aus purer Ideologie des grünen Bundeslandwirtschaftsministers“, schimpfen Bilger und Stegemann, „können in Deutschland rund 800.000 t Weizen im Jahr nicht geerntet werden, die die Ernährung von mindestens 3 Mio. Menschen sichergestellt hätten.“
EU-Agrarreform noch ändern: Stilllegung nicht mehr zeitgemäß
Ebenso müsse sich die Bundesregierung „geschlossen und entschieden in Brüssel dafür einsetzen, dass auf die geplante Stilllegung von 4 % der Ackerflächen ab 2023 vorerst verzichtet wird“. Nicht verzichten könne man hingegen auf „neue Züchtungsmethoden, mit denen wir neue Pflanzensorten hervorbringen können, die mit weniger Dünger und Wasser auskommen“, schreiben die CDU-Politiker. Gebraucht würden Pflanzen, die „Klimastress“ aushalten. Zwar vermeiden Bilger und Stegemann das Wort „Gentechnik“. Aber ersichtlich ist, dass sie den Grünen in neue Bereiche der Biotechnologie treiben wollen.
Diese aber werde von Özdemir „ausgebremst“. Mit an der Bremse sitze die grüne Bundesumweltministerin, meinen die CDU-Politiker: „Die Zulassung von modernen, sparsamen Pflanzenschutzmitteln wird pauschal seitens der Bundesregierung, allen voran Steffi Lemke, verhindert.“