Die Auswirkungen der EU-Agrarreform auf die deutsche Landwirtschaft sind vordergründig weniger gravierend als befürchtet. In der nationalen Umsetzung der EU-Beschlüsse liegt allerdings noch erheblicher Spielraum, der von der Politik mit Augenmaß genutzt werden muss. Das war ein Fazit der diesjährigen Herbsttagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) vergangene Woche in Hamburg.
DBV-Präsident Joachim Rukwied wies während einer Podiumsdiskussion darauf hin, dass die Reform aus Sicht der Landwirte erst dann bewertet werden könne, wenn die Konditionen der deutschen Umsetzung feststünden.
Kein großer Wurf
Nach Einschätzung Rukwieds hat die deutsche Landwirtschaft angesichts des tendenziell steigenden weltweiten Absatzpotentials in den kommenden Jahrzehnten grundsätzlich gute Chancen. Die Teilhabe der Bauern an den neuen Märkten hänge aber maßgeblich von ihrer Wettbewerbsfähigkeit ab.
Die neue GAP sei in ihrer europäischen Beschlussform allerdings nicht der „große Wurf“ geworden, mit denen die Beteiligten zuvor gerechnet hätten. Er sehe vielmehr die Gefahr, dass die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Agrarwirtschaft durch die Betonung ökologischer Kriterien, eine teilweise Wiedereinführung gekoppelter Agrarzahlungen und eine grundsätzliche Renationalisierung der Agrarpolitik gefährdet werde, warnte der DBV-Präsident.
Die im Zuge der nationalen Umsetzung mögliche Umverteilung von bis zu 15 % der Gelder aus der Ersten in die Zweite Säule stieß bei Rukwied auf klare Ablehnung. Er betonte, jeder Euro in der Ersten Säule komme heute auch bei den Landwirten an. Der Vorschlag zur Stärkung der Zweiten Säule bedeute jedoch die Verlagerung von etwa 400 Mio Euro aus der Ersten, wobei die Bauern längst nicht in gleichem Maße davon profitieren würden.
Weichgespültes Greening
Der Gießener Agrarökonom Prof. Michael Schmitz monierte die aus seiner Sicht falsche Weichenstellung der Reform mit ihrer Betonung auf Umweltschutz und Umverteilung. Er begrüßte mit Blick auf die GAP-Reform zwar, dass jetzt für die Beteiligten weitgehende Planungssicherheit herrsche, kritisierte aber gleichzeitig die Ziellosigkeit der Reform. Diese hatte laut Schmitz zwei Ziele: Eine stärkere Umweltorientierung der Agrarpolitik und die Umverteilung der Agrargelder.
Die stärkere Gewichtung der Ökologie in Form des Greenings ist nach Ansicht des Giessener Agrarökonomen „weichgespült“, bietet viele Umgehungsmöglichkeiten und bedeutet in erster Linie mehr Bürokratie. Auch die Umverteilung der Direktzahlungen von großen zu kleinen Betrieben findet in dieser Form nicht seine Zustimmung. Statt pauschal bei großen Betrieben zu kappen, hätte eine gerechte Umverteilungspolitik die Haushaltssituation der einzelnen Unternehmen berücksichtigen müssen. Nun drohen Schmitz zufolge Verzerrungseffekte. (AgE)