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Landwirtschaft im Dialog

Gewessler würde heute wieder für das EU-Renaturierungsgesetz stimmen

Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler würde heute wieder für das EU-Naturwiederherstellungsgesetz stimmen, das dringend notwendig sei. Sie prangert hierbei Angstmacherei durch Propaganda an.

Lesezeit: 6 Minuten

Überraschend konnten die EU-Umweltminister das umstrittene EU-Renaturierungsgesetz im Juni 2024 beschließen, weil die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler entgegen Regierungsabsprache für das Paket stimmte. Entsprechend sauer waren die Landwirte; der Bauernbund zeigte sie dafür sogar an.

Am Montag war nun Gelegenheit, die Ministerin im Rahmen des top agrar-Gesprächsformats „Landwirtschaft im Dialog“ danach zu fragen. In der Universität für Bodenkultur Wien stellte sich die Grünen-Politikerin den Fragen der Praktiker zur Zukunft der Landwirtschaft.

"Mit der Frage hab ich schon gerechnet"

Ohne lange Umschweife richteten top agrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann und Redakteur Roland Pittner direkt den Fokus auf die kontroverse Entscheidung aus dem Frühsommer. Schließlich kennt man Gewessler seitdem europaweit.

Die Ministerin hatte dies schon vermutet und stellte klar, dass das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur - was eigentlich eine Verordnung sei - für sie das wichtigste Gesetz der letzten Jahrzehnte sei und besonders auch der Landwirtschaft diene. Denn es bedeute Anerkennung der Landwirtschaft und stelle die Basis für die Zukunft des Sektors dar. Das bringe Verlässlichkeit.

"Ertrag oder Artenvielfalt", diesen Titel hält sie übrigens für unglücklich. Denn die Bauern wüssten, dass es ohne Artenvielfalt in Zukunft keinen Ertrag gebe.

Situation in der Umwelt gewährt keinen Aufschub

Dass das Gesetz notwendig war, steht für Gewessler außer Frage. Der Natur werde immer weniger Raum gegeben, große Flächen würden zubetoniert. Nun sei es an der Zeit, der Natur wieder etwas zurückzugeben, die Böden zu renaturieren, für sauberes Wasser zu sorgen und die Biodiversität zu fördern. Auch die Moorvernässung und der Waldfonds zur Schaffung klimafitter Wälder stehen ihren Worten nach im Vordergrund. Insgesamt sollen demnach bis 2030 auf 20 % der Flächen Maßnahmen angestoßen werden. „Und da sind die Landwirte dabei.“

Wir haben 1 Mrd. € Schaden durch die Dürre, 400 Mio. € Schäden im Forst

In dem Zusammenhang ärgere sie sich über soviel "Fake-News" und "Propaganda", die zu dem Gesetz verbreitet worden seien. Es gebe z.B. gar keine Enteignungen. Es sei fahrlässig, Bauern so zu verunsichern. Dadurch werde nur das Gegenteil erreicht, weil wichtige Maßnahmen ausgebremst würden, die die Agrarbranche zukunftsfit machen.

Ihr sei wichtig, dass die Landwirte nun einen Plan an die Hand bekommen, der Verlässlichkeit bringt und alle auf dem Land größtmöglich einbindet. Gemeinsam müssten nun die kommenden Maßnahmen definiert werden.

Alle Bedenken eingebracht

Gewessler stellte klar, dass sie dem Gesetz jederzeit wieder zustimmen würde. Sie habe intensiv mit allen Beteiligten und den Bundesländern beraten und alle Bedenken in die Diskussionen eingebracht. Im Ergebnis seien alle Wünsche berücksichtigt worden, wie z.B. große Felxibilität, andere Regeln für Städte etc. Da könnte man sich auf die Schultern klopfen. Stattdessen würden von bestimmter Seite Ängste geschürt.

Lembacher: Noch mehr Regeln und Vorgaben

Völlig überflüssig findet dagegen der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer, Ferdinand Lembacher, das Gesetz. Es sei Tatsache, dass die Bauern das alles schon leisten, dafür hätte es kein Gesetz gebraucht. „Und sie leisten das nicht selten mit Verzicht auf Einkommen.“

Das Naturwiederherstellungsgesetz bringe den Höfen noch mehr Regelungen, ohne dass eine einzige Vorgabe wegfällt. Dabei sei die Bürokratiedichte schon heute nicht mehr überschaubar, selbst für Fachleute, sagt der Agrarvertreter. Das sei auch ein Grund für die europaweiten Bauernproteste gewesen.

Die Landwirte haben schon eine diffuse Angst, was alles einzuhalten ist.

„Die Landwirtschaft ist nicht gegen die Natur, sie ist gegen den Zwang, gegen von oben oktroyierte Maßnahmen“, betont Lembacher. Zudem hätten wir internationale offene Märkte, wo es unterschiedliche Spielregeln gibt. Er befürchtet Nachteile im Wettbewerb, die der Staat ausgleichen müsse. Gewessler kontert, dass es ein EU-Gesetz sei und in allen Mitgliedstaaten gelte.

Lembacher wiederum fordert von der Politik Angebote, die die Bauern verstehen. Weil sie die Politik gerade eben nicht verstünden, gebe es so großen Unmut. Die Landwirte arbeiteten täglich in der Natur und seien viel näher an der Sache. Ihre Fachmeinung werde ordnungspolitisch von oben durch eine starke Regelungsdichte überlagert.

Die zunehmende Flut an Auflagen sieht auch Robert Pichler, Obmann des Vereins Wirtschaften am Land, als größte Herausforderung für Praktiker und den Handel. Dazu kämen Bürokratie und Aufzeichnungspflichten, aber auch die negative Entwicklung auf dem Land, wo Ärzte, Läden, Kitas und Busse fehlen, wo Arbeitsplätze wegfallen und das Ehrenamt keine Nachfolger findet.

Technik-Förderprogramme falsch ausgerichtet

Nah den Praktikern dran ist Stephan Ackermann, Bereichsleiter Produktmanagement bei Pöttinger. Er sieht, dass den Landwirten vor allem Verlässlichkeit von Seiten der Politik fehlt. Als Landmaschinenhersteller sei es schwierig, auf die schnell wechselnden Vorgaben zu reagieren. So betrage die Entwicklungszeit für eine Maschine drei bis fünf Jahre.

Ihm fällt auch auf, dass die Förderungen bei der Technik oft in die falsche Richtung gehen. Die Politik sollte nicht mit Fördermitteln für Technik um sich schmeißen, die der Kunde gar nicht einsetzen kann, sondern den Nutzen bestimmter Maschinen fördern.

Wir brauchen Ernährungssouveränität und Versorgungssicherheit

Christian Stockmar, Obmann der Industriegruppe Pflanzenschutz und Mitarbeiter von Syngenta, ging auf den Pflanzenschutz ein. Dieser sei auch heute immer nur letztes Mittel, wenn alle anderen Verfahren ausgereizt sind.

Als großes Problem identifiziert er die zunehmende Verknappung der Mittel. Auch der Pflanzenschutz brauche eine Vielfalt an Wirkstoffgruppen, wie etwa der Gemüsebau und besonders der Kartoffelanbau. „Die Landwirte werden zu wenig gehört.“

Böden in Gefahr

Dr. Katharina Keiblinger, Privatdozentin vom Institut für Bodenforschung (IBF), prangerte an, dass 60 bis 70 % der Böden in einem gefährdeten oder ungesunden Zustand sind. Neben dem quantitativen Bodenverlust durch Versiegelung erinnerte sie auch an die qualitativen Gefahren wie Versauerung, Verdichtung, Humusverlust, Erosion oder Verlust der Biodiversität.

Laut Keiblinger laufen derzeit Untersuchungen auf Pionierbetrieben, wie man hier unter wirtschaftlichen Bedingungen Optimierungen umsetzen kann. 80 teilnehmende Betriebe würden sich dazu auch intern austauschen.

Bauern haben das Gefühl, für alles allein verantwortlich zu sein

Farminfluencerin Martina Prutsch schilderte, welch Unsicherheit das Renaturierungsgesetz ausgelöst habe. Sie verurteilt, dass die Fehlersuche immer bei den Landwirte beginne. Immer werde die Landwirtschaft in Verantwortung gezogen, warum nicht auch einmal ein Flughafen geschlossen würde.

Ministerin Gewessler antwortete, dass sie nicht gegen die Landwirtschaft agiere, sondern alle zu einem Dialog einlade. Sie verstehe die Sorgen und sehe auch die Probleme der Betriebe. Als Lösungsweg empfiehlt die Grünen-Politikerin, „breiter“ nachzudenken und die Wertschätzung für regionale Produkte zu erhöhen. Die Konsumenten hätten einen großen Hebel, sie bräuchten nur die Informationen. Eine Herkunftskennzeichnung sei dabei eine wichtige Maßnahme.

Das Video in voller Länge

 

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