Im Fall der durch Gülle verunreinigten Neyetalsperre hat das Landgericht Hagen den angeklagten Landwirt aus Halver am Montagnachmittag vorzeitig von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen. Nachdem das Gericht über 30 Zeugen und Sachverständige vernommen hatte, war die Beweisfindung vorzeitig abgeschlossen, berichtet der Oberbergische Anzeiger.
Da es keine Augenzeugen für den 18. März 2015 gab, an dem 1,7 Mio. Liter Gülle hangabwärts in Richtung Neyetalsperre geflossen waren, konnte dem 42-Jährigen nicht nachgewiesen werden, dass er den Gülleschieber bewusst geöffnet hatte. Es blieb ein reiner Indizienprozess.
Auch vom Vorwurf der falschen Verdächtigung sei der Mann zu entlasten. „Ohne einen konkreten Täter im Blick zu haben“ habe sich die „Sabotagetheorie“ der Verteidigung im Laufe des Verfahrens als wahrscheinlicher herausgestellt, als anfangs angenommen, so Richter Andreas Behrens. Der Angeklagte hatte zwei Männer verdächtigt, den Schieber geöffnet zu haben – einen ehemaligen Mitarbeiter, dem er Geld schulde, sowie einen verfeindeten Gülle-Gegner aus der Nachbarschaft.
Kritik übte die Staatsanwaltschaft laut der Zeitung an den beteiligten Behörden, die sich seit Jahren mit dem Gülle-Handel auf dem Halveraner Hof befassten. So war im Hagener Prozess herausgekommen, dass der Märkische Kreis Ende 2014 Zwangsgelder in fünfstelliger Höhe verhängt hatte, um die Leerung des zu hohen Behälters zu erzwingen. Andererseits ließ sich die Verwaltung dann auf eine für den Landwirt bequeme Ratenzahlung ein. Und selbst die erfüllte der Halveraner nicht. „Da muss man nach dem Sinn eines Zwangsgeldes fragen“, so der Staatsanwalt.
Kein gutes Haar ließ die Anklage offenbar an der Landwirtschaftskammer NRW, die mehrfach erfolglos Nachweise über gehandelte Gülle-Mengen und vorhandene Flächen angefordert hatte. Auch im dortigen Bußgeldverfahren hatten sich die Beamten auf einen Deal mit dem Landwirt eingelassen. „Auch dort wollte man die Angelegenheit offenbar schnell vom Tisch haben“, vermutete der Anklagevertreter.
Ein mögliches Hauptmotiv – den Behälter zu leeren, um die Zwangsgelder zu sparen – sei jedenfalls weggefallen. Von Seiten der Verwaltungen habe der Angeklagte nämlich so gut wie nichts zu befürchten gehabt. „Gemessen am Umsatz hat der Angeklagte nicht mehr als Peanuts bezahlt“, sagte Behrens später.
Verteidiger Wilfried Steinhage sah am Ende die von ihm vertretene „Sabotagetheorie“ als bestätigt an. So wiege das in der Tatnacht in die Dieseltanks zweier Traktoren eingefüllte Motoröl schwer. Ein Mitarbeiter des Angeklagten hatte zudem gegen 2 Uhr Licht im Stall entdeckt, das sonst abends gelöscht werde. „Vielleicht haben sich der oder die Täter dort versteckt oder nach weiterem Öl gesucht“, so Steinhage.