Im Berufsstand mehren sich angesichts der jüngsten Krisen im Lebens- und Futtermittelbereich die Forderungen nach einer Ausweitung der geltenden Haftungsregeln. DBV-Generalsekretär Dr. Helmut Born bekräftigte vor allem als Reaktion auf die Dioxinkrise zu Beginn dieses Jahres seine Forderung nach einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung für Futtermittelunternehmer.
„Genauso wie die Landwirte heute in vielen Bereichen, etwa des Umweltrechts, trotz Einhaltung aller Vorgaben der guten fachlichen Praxis für Schäden einstehen müssen, sollten auch die Futtermittelunternehmer konsequent zu einer Gefährdungshaftung herangezogen werden, anstatt die Lasten durch immer wieder notwendige Hilfsprogramme zu sozialisieren“, sagte Born in Berlin.
Ähnlich äußerte sich der Generalsekretär des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, Stephan Gersteuer. Er wies insbesondere auf die präventive Wirkung einer Gefährdungshaftung hin: „Ein Haftungsrisiko führt zu einer konsequenten Vermeidungs- und Verringerungsstrategie“, so der Jurist.
Dagegen hält der Vorstandsvorsitzende der R+V Versicherung, Dr. Norbert Rollinger, eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung ebenso wie eine Pflicht-Haftpflichtversicherung für Landwirte für ungeeignet. Rollinger wies darauf hin, dass die meisten Risiken infolge von Umweltkontaminationen bereits heute individuell versicherbar seien. Anstelle von zusätzlichen Haftungs- und Versicherungsvorschriften plädiert der R+V-Chef für einen konsequenten Einsatz von Kontrolle und Prävention.
Der Vorstandsvorsitzende der Rehwinkel-Stiftung, Dr. Horst Reinhardt, wandte sich gegen die Vorstellung von einer „Vollkasko-Gesellschaft“. Ausdrücklich hob Reinhardt die Bedeutung eines betrieblichen Risikomanagements hervor.
Clemens Neumann, zuständiger Abteilungsleiter im Bundesagrarministerium, kündigte an, eine Erweiterung der Vorschriften zur Produkt- und Betriebshaftpflicht zu prüfen. Auch Fondslösungen schloss Neumann nicht aus, warnte aber vor zu hohen Erwartungen. Zwar könne der vor mehr als zehn Jahren eingerichtete Klärschlamm-Entschädigungsfonds „eine Art Vorbildfunktion“ für die Futtermittel- und Ernährungswirtschaft haben; gleichzeitig gab der Ministerialbeamte jedoch zu bedenken, dass die Schaffung eines Fonds in diesem Bereich „ungleich aufwendiger“ wäre, weil wesentlich mehr Branchen und Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette einbezogen werden müssten. (AgE)