Rekorderträge, Superernte, überdurchschnittlich – in der Bewertung der diesjährigen Ernte übertreffen sich die Superlative. Es gibt also reichlich Anlass, Dank zu sagen, sagt Landvolk-Präsident Werner Hilse zum Erntedank-Tag.
In der Gesamtschau dürfe gleichwohl nicht übersehen werden, dass die Witterung nicht überall im Lande Höchstleistungen auf dem Acker ermöglicht habe. Jeder Landwirt habe sein Bestes gegeben, die Saat gut gehegt und gepflegt, dennoch lägen Freude und Enttäuschung dicht beieinander. „Am Ende des Erntejahrs haben wir alle Grund, Dank zu sagen“, verdeutlicht Hilse: „Wir Bauern arbeiten in Gottes Schöpfung, der Erfolg unserer Arbeit liegt nicht allein in unserer Hand“.
Die Erzeugnisse der Landwirte stünden am Anfang einer langen Wertschöpfungskette, leider herrsche zurzeit mit Blick auf die Preise auf den Höfen fast allerorten gedrückte Stimmung. Die Schweinehalter erlebten einen echten Preissturz, der sich weder mit dem russischen Embargo noch anderen Marktverwerfungen hinreichend erklären lasse. Einkäufer spekulierten ganz offensichtlich auf einen weiteren Abwärtstrend. Die Kartoffelpreise seien ebenfalls ins Bodenlose gesunken, auch Getreide und Milch stellten die Landwirte beim Verkauf derzeit nicht wirklich zufrieden.
Der Preis spiegelt aber laut Hilse in keiner Weise den tatsächlichen Wert der Produkte wider, ihre mangelnde Wertschätzung gebe zugleich Zeugnis von der mangelnden Würdigung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. „Sie werden viel zu gering geschätzt“, sagt der niedersächsische Bauernpräsident und fügt an: „Das ist auch ein Stich in die Würde unserer Landwirte, die Tag für Tag mit hohem Verantwortungsbewusstsein gute Arbeit leisten, ja, echte Präzisionsarbeit“.
Auf der anderen Seite sähen sich die Landwirte mit ständig steigenden Ansprüchen an ihre Arbeit konfrontiert. An erster Stelle stehe der Wunsch nach mehr Tierwohl, hier überträfen sich Politiker, gesellschaftliche Gruppierungen und nicht zuletzt Verbraucher mit einer umfangreichen Wunschliste. Immer wieder werde dabei übersehen, was Tierhalter bislang schon in die Tat umgesetzt haben – jeder neue Stall komme den Bedürfnissen der Tiere ein großes Stück mehr entgegen. Auch alte Ställe wurden dazu angepasst und modernisiert.
„Das sind gelebte und realisierte Initiativen für mehr Tierwohl“, lobt Hilse. Betroffen müsse zugleich festgestellt werden, dass Landwirte, die hier Neues wagen, nicht auf die Zusagen der Kunden bauen könnten, mehr Tierwohl entsprechend höher honorieren zu wollen. Der theoretische Anspruch der Verbraucher und die gelebte Wirklichkeit an der Ladenkasse drifteten leider immer weiter auseinander.
Einige gesellschaftliche Gruppen äußerten sehr fundamentale Kritik an der modernen Landwirtschaft. Landwirte vermissten bei solchen Urteilen nach Einschätzung Hilses häufig die Bereitschaft zu echter Auseinandersetzung, zum gesellschaftlichen Diskurs und den Blick für die Realität. Es fehle oft auch an dem Willen, tragfähige Kompromisse oder Lösungen erarbeiten zu wollen, die allen Ansprüchen gerecht werden müssten. Auch diese Gedanken bewegten Bauern am Erntedanktag.
Das Fest bietet nach Überzeugung des Landvolkpräsidenten einen guten Anlass, in den Kirchengemeinden und in den Dörfern wieder stärker ins Gespräch zu kommen – vorurteilsfrei, offen und von dem Wunsch, nach gegenseitigem Verständnis getragen. „Das Erntedankfest soll für uns Anlass sein, Gott und der Schöpfung Dank zu sagen für einen so reichlich gedeckten Tisch verbunden mit dem Wunsch, dass baldmöglichst wieder mehr Friede auf dieser Welt einkehren möge,“ sagt Hilse.