In der medizinischen Forschung ist das als „tissue engineering“ bezeichnete Laborverfahren zur Gewinnung von menschlichen Zellkulturen bei der Hauttransplantation von Schwerst-Brandverletzten in Kriegsregionen oder zur Organ-Gewinnung ein seit Jahrzehnten erforschtes und zur Anwendungsreife gebrachtes klinisches Verfahren. Mit EU-Forschungsgeldern wurde dieser Labortechnologie in der Petrischale anwendungsreif. Kann die in den USA jetzt vorangetriebene Forschung, Fleisch aus dem Labor zu entwickeln, den Hunger der Welt in Zukunft stillen und gleichzeitig dem Klimaschutz dienen?
„Die Petrischale wird das Fleischproblem nicht lösen“, betont der Koordinator der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling“ in einer am Donnerstag in Brüssel veröffentlichten Stellungnahme. Zurzeit wird in der EU nur mit Zellkulturen experimentiert. Zellkultur-Laborfleisch erfordert ein Gerüst von Muskelzellen, damit es essbar wird. In bisher praktizierten Verfahren kommt dabei Serum von toten Nutztieren (wie etwa von Schweinen) zum Einsatz.
Um Labor-Fleisch in kritischer Masse herstellen zu können, bedarf es sogenannter Bioreaktoren. In diesen werden die gewonnenen Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen angereichert, damit sie „wachsen“ können. Um die Zellkulturen zur reproduktiven Vervielfältigung anzuregen, kommen in den Bioreaktoren Antibiotika zum Einsatz. Dies ist unabdingbar, weil ein natürliches Immunsystem - wie bei Tier und Mensch vorhanden - in der klinischen „Fleischproduktion“ im Labor völlig fehlt.
Kunstfleisch ohne geschlachtete Tiere geht nicht
Für den Agrarpolitiker Martin Häusling ist das Laborfleisch keine Alternative zur industriellen Tierproduktion und keine Maßnahme den Klimaschutz zu verbessern: „Wenn man mithilfe des Tissue Engineering ein Stück Leber oder Haut herstellt, passiert das in sehr kleinem Maßstab. Will man aber `In-vitro-Fleisch`jenseits von Reagenzglas oder der Petrischale im großen Maßstab produzieren, bräuchte man sehr große Bioreaktoren und Inkubatoren, die sehr kosten- und stromintensiv sind“.
Was die Zellkulturen angehe, so müsse klar sein, dass diese ohne geschlachtete Tiere bisher nicht zu erzeugen seien. Es fehlten des Weiteren belastbare Daten zu den Umwelt- und Klimaauswirkungen, den potenziellen Auswirkungen auf die biologische und agroökologische Tierhaltung sowie für Innovationen auf dem Markt für pflanzliche Ernährung, führt Häusling an. „Die Fragen nach Patentierung und Eigentumsverhältnissen sind ebenfalls ungeklärt“.
Häusling: „Laborfleisch trägt nicht aktiv zum Klima- und Bodenschutz bei“
Das Fazit von Häusling lautet: „Laborfleisch trägt im Gegensatz zur Weidehaltung nicht aktiv zum Klima- und Bodenschutz, zur Grundwasserneubildung und zur Artenvielfalt bei. Ohne Tierhaltung sind 40 Prozent der globalen Landnutzungsfläche für die menschliche Ernährung nicht nutzbar. Tiere gehören zur einer nachhaltigen Landwirtschaft, aufgrund der Bodenfruchtbarkeit und der Notwendigkeit der Nutzung der Grassländer für die Welternährung.“
Die Diskussion über Laborfleisch als die vermeintlich einfache Lösung, lenke das Augenmerk von den insgesamt komplexen weltweiten Problemen durch die Tierhaltung ab, so Häusling.