Es gibt Situationen, in denen sich die Last von Jahren zu einem gewaltigen Momentum auftürmen kann. Die Unzufriedenheit vieler Landwirte und die wachsenden Ansprüche vieler Mitbürger erzeugen in diesen Tagen nicht nur eine gewaltige Wucht, sondern auch ganz neue Konstellationen.
Noch nie waren die Erwartungen an die Landwirtschaft so hoch wie heute. Aber auch noch nie herrschte so viel Verständnis für die Nöte und den Unmut der Bauern. Von Otto Normalbürger bis zum Fachexperten ist angekommen, dass die Erwartungen an die Landwirte nicht zu den Erlösen passen.
Wir stehen als Gesellschaft vor einer einfachen aber weitreichenden Entscheidung: Sollen die Erwartungen den Erlösen angepasst werden? Wir akzeptieren die bereits hohen Standards und greifen zufrieden zu günstigem Fleisch, Eiern und preiswerter Milch? Oder sind wir bereit, Tierwohl- und Umweltstandards, die deutlich über dem Weltmarkt- und EU-Niveau liegen, dauerhaft auch fair zu entlohnen?
Eines ist jedenfalls sicher und seit dem Bericht der Borchert-Kommission so deutlich wie nie: Die Bauern, geschweige denn der viel beschworene Markt, werden es allein nicht richten können. Wenn wir es Ernst meinen, dann muss wie beim Ausbau des Ökostroms und dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) ein planbarer Korridor auf 20 Jahre geschaffen und auch an die Zeit danach gedacht werden. Zielkonflikte zwischen Umwelt-, Klima- und Tierschutz gehören aufgelöst. Klarheit geschaffen, wie die Ställe der Zukunft finanziert und genehmigt werden können.
Die Borchert-Kommission hat recht: Es braucht Leitplanken für den Wandel, einen Gesellschaftsvertrag mit einem planbaren Korridor über Jahrzehnte. Es wird Zeit, sich zu entscheiden.