Crispr/Cas und Co: Weltweit steigen Züchter massiv in die Nutzung der Neuen Züchtungstechnologien ein – die breite kommerzielle Nutzung ist nur eine Frage der Zeit. Die Europäische Union (EU) beschäftigt sich unterdessen mit Definitionen, Regularien oder Risiken und riskiert darüber, den Anschluss an den global vernetzten Agrarmärkten zu verlieren – mit möglicherweise massiven Folgen.
Praxistaugliche Regulierung nötig
Die Präsidentin des Verbandes der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (Ovid), Jaana Kleinschmit von Lengefeld, sieht jedenfalls deutliche Disruptionen auf die EU zukommen, sollte es nicht bald eine allgemeinverbindliche und praxistaugliche Regelung zum Umgang mit Pflanzen geben, die mit Hilfe solcher Techniken (NGT) entstanden sind.
Auf der Grünen Woche wies Kleinschmit von Lengefeld am Donnerstag darauf hin, dass die Europäische Union einen jährlichen Importbedarf von rund 30 Mio. t Soja(schrot) hat, um den eigenen Proteinbedarf zu decken. Diese kämen unter anderem aus Südamerika, wo viele LKW-Ladungen zu Schiffstransporten von bis zu 80.000 t zusammengefasst werden. Eine Trennung und Nachverfolgung der einzelnen Partien sei da schlicht unmöglich.
Bisher gilt Nulltoleranz
Gelte aber weiterhin das Gentechnikrecht für NGT-Pflanzen, bleibe auch das Gebot der Nulltoleranz bestehen. Europäische Händler wären dann im Extremfall gezwungen, solche Destinationen zu blockieren, um nicht selbst schadenersatzpflichtig zu werden – mit allen Folgen für die Versorgung des EU-Marktes, warnt die Ovid-Präsidentin.
Ein großes Problem in diesem Zusammenhang: Die durch Crispr/Cas und ähnliche Technologien entstandenen Erbgutveränderungen sind nicht von natürlichen Mutationen zu unterscheiden. Damit ist auch ein rechtssicherer Nachweis derartig entstandener Produkte zumindest im Moment unmöglich. Das ist auch der EU-Kommission bewusst. Sie hat deshalb einen Vorschlag für die Neueinstufung der Neuen Züchtungstechniken gemacht.
Kommissionsvorschlag in der Warteschleife
Der sieht zwei Kategorien vor, wie Dr. Klaus Berend, Direktor Lebensmittelsicherheit in der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der EU-Kommission, erläutert: In die erste sollen Pflanzen fallen, die mit NGT, aber ohne Einbringung fremder DNA entstanden sind. Die wären von den Auflagen des Gentechnikrechts nicht betroffen und könnten damit schnell zugelassen und frei gehandelt werden. In Kategorie 2 würden Einzelfallentscheidungen getroffen, die auch darauf hinauslaufen könnten, dass es sich um GVO handelt.
Die Regelung wird laut Berend allerdings noch im EU-Parlament und im Europarat debattiert und ist in Teilen umstritten. Wann und in welcher Form es zu einem Kompromiss kommen könnte, ist nicht abzusehen. Und die Zeit drängt. Kleinschmit von Lengefeld warnt: „Die NGT-Produkte werden in den Markt kommen. Die Augen zu verschließen, macht keinen Sinn.“ Dafür sei die Marktmacht der EU zu klein.
Deutschland darf sich in Brüssel nicht mehr enthalten
An dieser Stelle sieht die Ovid-Präsidentin auch Deutschland gefordert. Den Regierungen der letzten Dekade wirft sie vor, sich bei wichtigen Fragen in Brüssel um des lieben Koalitionsfriedens stets enthalten zu haben. Seit mindestens zehn Jahren finde Deutschland deshalb in Brüssel „nicht mehr statt“, moniert Kleinschmit. Damit müsse Schluss sein, denn, „wir brauchen eine Ermöglichungskultur“, auch was die Neuen Züchtungsmethoden angehe. Ansonsten werde die EU nicht nur am Weltmarkt, sondern auch in puncto Forschung und Züchtung zurückfallen.