Je mehr Landwirte ich auf ihren Höfen treffe, desto mehr wächst mein Respekt vor diesem verantwortungsvollen Beruf. Jeden Tag früh raus, um die Tiere zu versorgen, unabhängig von äußeren Umständen zuverlässig die Ernte einfahren – eine Herausforderung.
Wenn sie ihre Produkte verkaufen wollen, stehen Landwirte Schlachtunternehmen und Handelsketten gegenüber, die ihre Marktmacht ausnutzen, und Verbrauchern, die vor allem auf den Preis der Lebensmittel schauen.
Andererseits erhalten sie aber auch hohe Subventionen und finanzielle Unterstützung bei Schäden durch Unwetter oder Dürre – also viel Geld von den Bürgern. Deshalb fordern diese aus meiner Sicht zu Recht mehr Engagement für Umwelt, Tierschutz und Gesundheit. Meinem Eindruck nach nimmt die Branche und insbesondere der Deutsche Bauernverband diese Forderungen nicht ernst genug.
Beispiel Antibiotika: In der EU sterben im Jahr mehr als 33 000 Menschen an Infektionen durch resistente Keime. Dafür ist natürlich nicht allein die Landwirtschaft verantwortlich.
Trotzdem reicht es nicht aus, dass der Bauernverband immer wieder darauf verweist, dass der Antibiotikaeinsatz in den Ställen insgesamt zurückgegangen ist. Denn wahr ist auch, dass die Menge der sogenannten kritischen, für den Menschen besonders wichtigen Antibiotika, seit Jahren erstmals wieder gestiegen ist.
Beispiel Anbindehaltung: Die Bundestierärztekammer beklagt seit Jahren, dass es Kühen nicht gerecht wird, wenn sie Tag für Tag ohne Bewegung im Stall stehen und fordert, diese Haltung zu verbieten. Doch der Bauernverband erklärt, man kämpfe gegen ein Verbot und lehne jegliche Fristsetzung entschieden ab.
Beispiel Ferkelkastration: Bereits 2008 hatte der Bauernverband erklärt, man wolle eine Alternative zur betäubungslosen Kastration entwickeln, um den Tierschutz zu gewährleisten.
Und zehn Jahre später? Den Worten sind keine Taten gefolgt. Bauernverbandspräsident Joachim Ruckwied zeigte sich nun sogar erleichtert darüber, dass das Tierschutzgesetz wieder nicht umgesetzt wurde, und dass Ferkel zwei weitere Jahre ohne Betäubung kastriert werden dürfen.
Natürlich hat der Bauernverband das Recht, sich vor allem für die ökonomischen Interessen seiner Mitglieder einzusetzen. Doch es wird wahrscheinlich schwer, die Gesellschaft so zu überzeugen, dass die Branche auch ihre Forderungen ernst nimmt.
top agrar-Rubrik "Der Blick von außen"
Dieser Text stammt aus der Rubrik "Der Blick von außen", die jeden Monat in der top agrar-Heftausgabe erscheint. Der Streitpunkt zeigt, wie die Landwirtschaft von außen gesehen wird und ist nicht die Meinung der Redaktion. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar unten.