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Obwohl Bioprodukte es in den letzten Monaten im Handel schwer hatten, hat sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir einmal mehr zum 30 %-Ausbauziel für den ökologischen Landbau bekannt. Er sieht auf dem Weg dorthin aber nicht nur die Landwirte, sondern auch Politik und Gesellschaft gefordert.
Beim Kongress zum 40. Jubiläum von Naturland lobte Özdemir heute in Berlin die „Pionierarbeit“, die der Ökoverband geleistet habe. Dieser stehe mit seinem internationalen Engagement für Fairness und mehr Gerechtigkeit. „Er zeigt, was möglich und machbar ist“, so der Minister.
Mit der Natur und nicht gegen sie wirtschaften
Die sich häufenden Extremwetterereignisse in Europa und anderen Teilen der Welt sind für Özdemir ein drastischer Beleg für den Klimawandel, der inzwischen auch in Deutschland deutlich zu spüren sei.
Der Mensch mit seinem Verhalten sei dafür eine wesentliche Ursache, betonte Özdemir. Er ist dennoch fest überzeugt, dass die Menschen auch etwas gegen den Klimawandel tun können. Nicht zuletzt aus diesem Grund hätten sich die regierenden Parteien in ihrem Koalitionsvertrag klar zum 30-prozentigen Ausbauziel für den Ökolandbau bekannt. Dessen Kern sei „mit der Natur und nicht gegen sie zu wirtschaften“.
Der Agrarminister kündigte im gleichen Zug an, dass die Bundesregierung die Zukunftsstrategie für den Ökolandbau bis Ende nächsten Jahres zu einer umfassenden Strategie des Bundes weiterentwickeln wird. Erste Zwischenergebnisse sollen Anfang 2023 auf der Biofach diskutiert werden.
Tierhaltung wird auch in Zukunft gebraucht
Zwischenzeitlich hat der Bund nach Özdemirs Einschätzung schon einiges für die Ökologisierung der Landwirtschaft erreicht. Dazu zählt er die Genehmigung der EU-Kommission zur Ökolandbauförderung auf Brachflächen, aber auch die Aufstockung der Mittel für die Eiweißpflanzenstrategie.
Der Minister brach an dieser Stelle auch eine Lanze für die Tierhaltung. Die sei als Nährstofflieferant ein wesentliches Element landwirtschaftlicher Kreisläufe. Er sei sich darüber im Klaren, dass er sich mit dieser Haltung den Zorn von Veganern zuziehe, stellte Özdemir fest. Dennoch müsse er selbst als Vegetarier auf den Erhalt der deutschen Tierhaltung pochen.
Veränderungen beim Verzehr und in der Haltung der Tiere sind nach Überzeugung des Grünenpolitikers jedoch unumgänglich. Für den Umbau der Ställe, aber auch die Kompensation der laufenden Produktionskosten in tierwohlgerechteren Haltungssystemen habe sein Haus daher für das kommende Jahr 150 Mio € bereitgestellt, bilanzierte Özdemir.
Verbraucher mit ins Boot nehmen
Die Verbraucher will der Minister über die fünfstufige staatliche Haltungskennzeichnung mit ins Boot nehmen. Mehr Transparenz über die Haltungsbedingungen wird ihm zufolge auch bei der täglichen Kaufentscheidung lenkende Wirkung hin zu tierfreundlicheren Systemen hinterlassen.
Die Bund-Länder-Konsultationen für das Gesetz zur Haltungskennzeichnung sind laut Özdemir beendet. Noch im Herbst soll sich das Kabinett in Berlin mit dem Entwurf befassen.
Mehr Ökoprodukte und solche aus tierwohlgerechter Haltung sollen auch in den Kantinen des Bundes häufiger als bisher auf dem Teller landen. Die Verpflegung der öffentlichen Einrichtungen müsse hier vorangehen und werde daher den Anteil solcher Produkte ausbauen, versprach der Bundeslandwirtschaftsminister.
Den Worten Taten folgen lassen
Naturland Präsident Hubert Heigl fordert von der Bundesregierung ungeachtet dessen konsequentere Schritte für den dringend notwendigen Umbau der Landwirtschaft. „Mit dem Ziel von 30 % Bio hat die Ampel-Koalition einen wichtigen Meilenstein gesetzt. Nun müssen den Worten auch Taten folgen!“, sagte Heigl bei der Eröffnung des Naturland Kongresses. Nötig seien nun eine Finanzierung für den bereits beschlossenen Umbau der Tierhaltung und die Neuaufstellung der EU-Agrarförderung.
„Das bisherige System zu kompliziert für die Betriebe und zu wenig wirksam für die Umwelt“, konstatierte Heigl. Der Öko-Landbau erbringe seine großen Umweltleistungen nicht durch Einzelmaßnahmen, sondern durch sein gesamtes Anbausystem. Dieser Systemansatz müsse auf die gesamte Landwirtschaft übertragen und die Förderung danach ausgerichtet werden, so der Verbandspräsident.
Lebensgrundlagen sind gefährdet
„Bio ist die Antwort!“ war das Motto des Kongresses. „Dieser Satz gilt heute mehr denn je“, betonte Heigl. Die Klimakrise und der Verlust der Artenvielfalt bedrohen ihm zufolge „unser aller Lebensgrundlagen, während die Energiekrise das Scheitern der von Öl und Gas abhängigen konventionellen Landwirtschaft offenbart“. Nach Auffassung des Naturland-Präsidenten kann die Zukunft der Ernährung nur gesichert werden, wenn die Landwirtschaft jetzt konsequent ökologisiert wird.
Eine Agrarwende bedingt nach seiner Überzeugung aber auch eine Ernährungswende. Heigl, zugleich Vorstand für Landwirtschaft des Bio-Dachverbands BÖLW, lobte daher die vergangene Woche beschlossene Einführung einer gesetzlichen Haltungskennzeichnung mit eigener Bio-Stufe als wichtigen Schritt. Zugleich rief er die FDP auf, ihren Widerstand aufzugeben, „damit auch die Finanzierung gesichert ist“.
Agrarwende nicht ohne Ernährungswende
Eine Agrarwende bedingt nach seiner Überzeugung aber auch eine Ernährungswende. Heigl, zugleich Vorstand für Landwirtschaft des Bio-Dachverbands BÖLW, lobte daher die vergangene Woche beschlossene Einführung einer gesetzlichen Haltungskennzeichnung mit eigener Bio-Stufe als wichtigen Schritt. Zugleich rief er die FDP auf, ihren Widerstand aufzugeben, „damit auch die Finanzierung gesichert ist“.
Darüber hinaus forderte Heigl von der Politik die stärkere Berücksichtigung der externen Kosten der unterschiedlichen Produktionsweisen. Am ehesten kann dies nach seiner Auffassung über die Einführung einer Pflanzenschutz- beziehungsweise Stickstoffsteuer nach dänischem Vorbild geschehen. In der aktuellen Krise sollte zudem die Mehrwertsteuer auf Ökolebensmittel zeitlich begrenzt entfallen, so der Naturland-Präsident. Zudem wünscht er sich eine stärkere Verankerung des ökologischen Landbaus in Forschung und Lehre.
Artenvielfalt existenziell für alle
Die Direktorin des Senckenberg Instituts für Biodiversität und Klima, Prof. Katrin Böhning-Gaese, betonte auf dem Kongress, dass die Menschheit existenziell auf Artenvielfalt angewiesen sei. Diese sei der „Maschinenraum der Natur“ und damit die Grundlage funktionierender Ökosysteme. Zugleich würden für die Nahrungsmittelerzeugung aber große Flächen gebraucht, was mit Konflikten beim Artenschutz verbunden sei. Um dieses „Dilemma aufzulösen“, sei mehr Öko-Landbau ein guter Weg“, verdeutlichte Böhning-Gaese.
„Der Öko-Landbau ist eine intelligente, nachhaltige Landnutzungsstrategie, die gleichzeitig Artenvielfalt und Klima schützt und einen Beitrag zu gesunder Ernährung leistet“, sagte die Forscherin. Dies sei „nicht nur eine Angelegenheit der Landwirtschaft“. Politik, Gesellschaft und Wirtschaft müssten gemeinsam „für den Öko-Landbau die richtigen Rahmenbedingungen schaffen“.