Die Probleme rund um Tierwohl sind allgemein bekannt: Der Bürger gibt in Umfragen an, dass ihm Tierwohl unglaublich wichtig sei. Als Verbraucher aber ist er dennoch nicht bereit, dafür zu bezahlen. Tauchen dann unschöne Bilder aus Ställen auf, beginnen die üblichen Schuldzuweisungen. Im Fokus der Hauptkritik steht dann die Landwirtschaft.
Für einen Landwirt, dem Tierwohl ein echtes Anliegen ist (leider gibt es auch andere), ist diese Situation eine Zerreißprobe. Große Lösungen sind dann schnell niedergeschrieben: Zum Beispiel der Ruf nach einer gesamtgesellschaftlichen Debatte, die klärt, welche Landwirtschaft wir verantworten können. Die Umsetzung ist aber meist nur schwer zu realisieren.
Was ist jetzt zu tun? Auch wenn ich als Einzelner am großen Ganzen kaum etwas ändern kann, so kann ich doch meine eigene Rolle reflektieren. Gegenwärtig hat man den Eindruck: Die Gesellschaft trägt den Wunsch nach mehr Tierwohl „von außen“ an die Landwirtschaft heran – und diese verteidigt sich und beschwichtigt. Wer ehrlich ist, spürt längst, dass man so nicht aus der Defensive kommt.
Das Gegenteil ist wünschenswert, nämlich, dass die Landwirte selbst die Debatte voranbringen und als Innovatoren von Tierwohl wahrgenommen werden, dass sie selbst – und das ist entscheidend – die Probleme aufzeigen und Ideen für die Lösung generieren.
Dabei würde sich „Überraschendes“ zeigen: Landwirte und Tierschutzorganisationen haben mitunter durchaus gemeinsame Ziele. Andere Berufsgruppen sprechen in diesem Zusammenhang unter anderem vom „modernen Kompetenzprofil“.
Zum „modernen Kompetenzprofil“ eines Veterinärmediziners gehört beispielsweise nicht nur die medizinische Expertise, sondern auch eine ethische Reflexionsfähigkeit.
Nur wer über sein eigenes Tun nachdenkt, ist in der Lage, die eigene berufliche Verantwortung im Umgang mit Tier, Tierbesitzer und Gesellschaft näher zu bestimmen – und sich dann in den entsprechenden gesellschaftlichen Debatten zu Wort zu melden.
Eine solche ethische Nachdenklichkeit muss auch Teil des Kompetenzprofils eines Landwirts sein: Wer aus beruflichen Gründen Tiere hält, der sollte Auskunft darüber geben können, warum er es für moralisch verantwortbar hält, dies zu tun – und welchen Werten er sich dabei verpflichtet fühlt.
top agrar-Rubrik "Der Blick von außen"
Dieser Text stammt aus der Rubrik "Der Blick von außen", die jeden Monat in der top agrar-Heftausgabe erscheint. Der Streitpunkt zeigt, wie die Landwirtschaft von außen gesehen wird und ist nicht die Meinung der Redaktion. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar unten.