Die vom Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL) vorgeschlagene "Gemeinwohlprämie" findet bei der EU offenbar Gehör. Christiane Canenbley, deutsches Mitglied im Kabinett von EU-Agrarkommissar Phil Hogan, hat die Idee, bei der Umweltschutzmaßnahmen den Landwirten über ein Punktesystem individuell entlohnt würden, als wichtigen Diskussionsbeitrag zur möglichen künftigen Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik gewürdigt.
Laut Canenbley sei die Frage, inwieweit die Agrarsubventionen an welche Leistungen geknüpft werden, hochaktuell. Problematisch sei aber, dass insbesondere aufgrund des bevorstehenden Brexits eine Vorhersage über das künftige EU-Agrarbudget schwierig sei. Sie äußerte aber die Erwartung, dass zumindest ein Teil der Direktzahlungen aus der Ersten Säule als Sicherungsnetz für die Landwirte erhalten bleiben dürfte.
Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck bezeichnete die „Gemeinwohlprämie“ ebenfalls als interessanten Diskussionsbeitrag. Die Landwirte müssten für Leistungen im Umweltschutz entlohnt werden, so Habeck.
Details zur „Gemeinwohlprämie“ waren vom DVL bereits im Februar in der bayerischen Landesvertretung vorgestellt worden. Die Möglichkeit, auf diese Weise Umweltschutzmaßnahmen zu honorieren, wurde anhand eines Modellprojekts in Schleswig-Holstein gemeinsam mit Betrieben entwickelt und durch Freilanduntersuchungen überprüft. Dabei werden landwirtschaftliche Gemeinwohlleistungen anhand von Betriebsdaten ermittelt und durch einen Gesamtpunktwert abgebildet. Die Landwirte könnten dann die Wirtschaftlichkeit der Umweltmaßnahmen kalkulieren und entscheiden, ob es sich für sie lohnt, mehr Nahrungsmittel oder mehr Umweltleistungen zu produzieren
Beihilfen schwer vermittelbar
Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling hob hervor, dass die hohen Geldsummen für die Landwirtschaft den EU-Politikern außerhalb des Landwirtschaftsausschusses immer schwieriger zu vermitteln seien. Dies gelte insbesondere für die Flächenprämien aus der Ersten Säule der GAP. Diese würden zudem häufig direkt an die Landeigentümer über zu hohe Pachtpreise weitergegeben, so der Grünen-Politiker.
Der CDU-Europaparlamentarier Norbert Lins machte für den Anstieg der Pachtpreise aber auch die Förderung der Biogasproduktion verantwortlich. Laut Häusling erfordert der zunehmende Rechtfertigungsdruck Antworten darauf, wie diese Mittel wirkungsvoller, etwa für den Umweltschutz oder die Biodiversität, einzusetzen sind, wie dies am Beispiel der „Gemeinwohlprämie“ vorgestellt wurde.
Auch nach Ansicht von Dr. Hans-Georg Starck von der Projektgruppe „GAP 2021“ des Kieler Landwirtschaftsministeriums ist der jetzige Status quo nicht mehr zu rechtfertigen, da etwa allein in Schleswig-Holstein 1 % der Landbesitzer mehr als 20 % der Fördergelder erhielten.
Direktzahlungen sichern Einkommen
Der Vertreter des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Dr. Simon Schlüter, unterstrich die Wichtigkeit der Direktbeihilfen für die Betriebe und forderte ihre Beibehaltung. Er betonte, dass gerade über die Erste Säule der GAP den Landwirten eine stabile Einkommenssicherung gewährt werde. Zudem gab Schlüter zu bedenken, dass auch der Aspekt der Förderung einer Produktion von sicheren und hochwertigen Nahrungsmitteln nicht zu vernachlässigen sei.
Auch Lins stellte fest, das öffentliche Güter nicht nur ökologisch zu verstehen sein sollten, sondern dies auch für die Erzeugung guter Nahrungsmittel gelte. Trees Robijns von der Naturschutzorganisation BirdLife kritisierte indes den massiven Rückgang der Biodiversität in den vergangenen Jahren und bescheinigte der bisherigen GAP, diesbezüglich erfolglos zu sein. Sie sprach sich daher für eine Abschaffung der Ersten Säule aus und forderte ein Ausrichtung der GAP, die insbesondere den Umwelt- und Naturschutz im Blick habe.