Die unsichere geopolitische Lage beschäftigt auch den diesjährigen Deutschen Bauerntag. In seiner Grundsatzrede räumte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, heute ein, dass der Marsch der Wagner-Gruppe auf Moskau am vergangenen Wochenende bei ihm ein mulmiges Gefühl ausgelöst hat. Mit Russland drohte schließlich ein Land ins Chaos zu rutschen, das rund viermal so viel Weizen erzeugt wie Deutschland. Ein Ausfall Russlands am Weltmarkt hätte daher unabsehbare Folgen für die ohnehin schon wacklige internationale Lebensmittelversorgung.
Ernährungssicherung nicht mehr auf der politischen Agenda
Für Rukwied hat diese Episode gezeigt, wie aktuell und wichtig Ernährungssicherheit ist. Dennoch stehe das Thema bei vielen Politikern nicht mehr auf der Agenda, „vielleicht, weil die Landwirte immer für Ernährungssicherheit gesorgt haben“, vermutet der Bauernpräsident. Er hält das aber nicht für selbstverständlich und bekräftigte deshalb in Münster die Forderung des DBV nach der Festschreibung von Ernährungssicherung und Klimaschutz im Grundgesetz.
Das reicht Rukwied aber noch nicht aus. Er wünscht sich eine Politik, die der Landwirtschaft Sicherheit vermittelt und wirtschaftliche Perspektiven aufzeigt. „Das ist im Moment nicht zu erkennen“, konstatierte der DBV-Präsident: Eine Bundesregierung, die in einer Wirtschaftskrise Regelenergiekraftwerke abschalte und ein Gebäudeenergiegesetz ohne den nachhaltigsten Brennstoff Holz diskutiere, schaffe weder für die Gesellschaft noch für die Agrarwirtschaft Zuversicht.
Freiheit und Verlässlichkeit statt Verbote und Einschränkungen
Rukwied rät der Politik deshalb, aus der „Berliner Blase“ herauszukommen und aufzuhören, dem ländlichen Raum „urbane Ideen überzustülpen“. „Gendern und Wokismus“ beschäftige die Menschen auf dem Land nicht, dafür aber zu viele in der Bundeshauptstadt. Stattdessen brauche es gerade auch im Interesse der Landwirtschaft die Rückkehr zu einer pragmatischen, zukunfts- und praxisgerechten Politik, schreibt der Bauernpräsident der Bundespolitik ins Stammbuch. Wenn die nächste Generation der Landwirte eine Zukunft haben solle, müssten in der Agrarpolitik Freiheit und Verlässlichkeit dominieren, statt Verboten und Einschränkungen.
Die Hauptaufgabe des Agrarsektors sieht Rukwied nach wie vor in der Erzeugung hochwertiger heimischer Lebensmittel. Ungeachtet dessen bekannte sich der DBV-Präsident „eindeutig“ zum Green Deal und zur Transformation der Landwirtschaft hin zu mehr Umwelt- und Klimaschutz und mehr Tierwohl. Pauschalen Pflanzenschutzverboten oder Stilllegungen produktiver Flächen erteilte er aber eine ebenso klare Absage. „Bauernland gehört in Bauernhand“, sagte Rukwied.
Schluss mit „German Angst“
Stattdessen plädiert Rukwied für Technologieoffenheit statt „German Angst“, behutsame Pflanzenschutzreduktion und kooperativen Naturschutz. Dieser müsse jedoch mit öffentlichen Mitteln ökonomische Anreize bieten.
Für die aktuellen Eco-Schemes der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hat der Bauernpräsident auch aus diesem Grund nicht viel übrig. Das die Ökoregelungen wenig Anreiz bieten, zeige auch die geringe Beteiligung, die beispielsweise in Baden-Württemberg nur jeden zweiten Betrieb zur Teilnahme animiert habe. „Ich habe selbst nichts passendes gefunden“, berichtete Rukwied. Die Eco-Schemes müssen ihm zufolge dringend nachgebessert und attraktiver werden.
Für die deutsche Nutztierhaltung kämpfen
Ein Lanze brach Rukwied auch für die Nutztierhaltung. Er wolle gemeinsam mit den Landwirten für die Erhaltung des deutschen Tierhaltungsstandorts kämpfen, bevor noch mehr Produktion ins Ausland verlagert werde. Fleisch gehöre für ihn zu einer gesunden -flexitarischen - Ernährung hinzu, betonte der Bauernpräsident, denn „hätten unsere Vorfahren kein Fleisch gegessen, würden wir hier heute nicht in der Halle sitzen, sondern möglicherweise auf allen Vieren gehen.“
Rukwied fragt sich allerdings, ob Tierhaltung von Teilen der deutschen Politik überhaupt noch gewünscht ist. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir attestiert er immerhin, dieser habe mit der Tierhaltungskennzeichnung die Tür hin zu einer zukunftsfähigen Veredlung geöffnet. Für einen echten Erfolg müsse nun aber schnell nachgearbeitet werden. Dazu gehöre die Erweiterung der Kennzeichnung auf alle Tierarten und Vermarktungswege, aber auch eine Herkunftskennzeichnung, um dem Verbraucher die nötige Transparenz zu geben.
Abschusspläne statt Management für den Wolf
Tierhaltung ist oft genug auch Weidehaltung. Dies ist laut Rukwied allerdings in ihrer Existenz gefährdet, wenn sich der Wolf weiter ungebremst ausbreitet. Er verlangte in Münster daher „Abschusspläne“ statt Bestandsmanagement.
Mit Blick auf die laufenden Mercusor-Verhandlungen, bekannte sich der DBV-Präsident zu solchen internationalen Handelsabkommen. In diesen müssten jedoch faire Wettbewerbsbedingungen festgeschrieben werden, denn es könne nicht sein, dass ein europäischer 50-Hektar-Betrieb mit einer brasilianischen 50.000-ha großen Hacienda konkurrieren müsse. Hier, wie auch bei den anderen Themengebieten müsse die Politik den richtigen Rahmen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft schaffen, so Rukwied zum Abschluss seiner Grundsatzrede.