Seit zwei Jahren kann die deutsche Landwirtschaft weder Milchprodukte noch Schweine und Geflügel in Russland absetzen. Laut Mecklenburg-Vorpommerns Bauernpräsident Rainer Tietböhl spüren die Bauern das andauernde Russland-Embargo inzwischen. Er appelliert daher an die Bundesregierung: „Wir brauchen Russland als Absatzmarkt, aber vor allem, um den Frieden zu bewahren.“
Die Gewinne der Bauern in Mecklenburg-Vorpommern sind im Wirtschaftsjahr 2014/15 wie im Bundesdurchschnitt in fast allen Sparten deutlich gesunken, zitiert der Nordkurier Tietböhl. Bei den Ackerbauern ging demnach der Unternehmensgewinn im Schnitt um 22 % zurück. Milchviehbetriebe verzeichneten minus 44 %, Schweine- und Geflügelhalter büßten 33 % ein, Rindermäster 35 %.
Die Landwirte reagieren Tietböhl zufolge mit einem Abbau der Tierbestände, was sich wiederum auf die Ackerbauern auswirke. „Ein Großteil des erzeugten Getreides ist für Futtermittel bestimmt“, sagte er. Sinke die Nachfrage, würden auch die Getreidepreise fallen. Nach Angaben des Statistischen Amtes verringerte sich 2015 die Schweinehaltung in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zum Vorjahr um 12,3 %. Die Zahl der Mastschweine sei sogar um 25,8 % gesinken.
Tietböhl, der selbst 230 Milchkühe hält, nannte die Verluste der Milcherzeuger gravierend. Er sprach von 50 % Einbußen in seinem Betrieb im Vergleich zum Vorjahr. Derzeit zahlten die Molkereien 26 bis 27 Cent pro Liter Milch. Kostendeckend wären 35 bis 36 Cent, „aber selbst dann hat der Landwirt noch nichts verdient“, sagte er. Ein Grund für den Niedrigpreis sei, dass wegen des Russland-Embargos Milcherzeuger in ganz Europa die Milch nicht absetzen könnten.
Tietböhl entlässt Mitarbeiter
Die Bauern hätten zudem steigende Lohn-, Energie- und Futtermittelkosten zu bewältigen und wegen der vergangenen guten Jahre im Voraus Steuern auf vermutete Gewinne ans Finanzamt zu entrichten. Behörden ließen sich Untersuchungen und Bescheinigungen, etwa über die Tierseuchenfreiheit, zunehmend bezahlen.
Die Betriebe versuchen, die Ausgaben mit größerer Sparsamkeit zu kompensieren. „Wir machen buchstäblich das Licht früher aus“, sagte Tietböhl. Sie setzten billigere Futtermittel ein, so dass die Milchleistung geringer werde, und entließen über den Winter wieder Leute aus dem Ackerbau in die Arbeitslosigkeit. „Das haben wir in den vergangenen Jahren nicht gemacht“, sagte der Bauernpräsident.
Wie lange Betriebe diese Situation aushalten, sei unterschiedlich. Bis Ende November hätten im Land schon mindestens 46 Milchviehbetriebe aufgegeben. Die Zahl der Milchkühe blieb jedoch fast gleich - andere Betriebe übernahmen demzufolge Tiere und Ställe. „Der Strukturwandel setzt sich fort“, sagte Tietböhl. „Große Betriebe sind eher in der Lage, Verluste auszugleichen.“