Die Art und Weise, wie sich Landwirte gegen die Kritik von Politik und Medien über tatsächliche und vermeintliche Missstände in der Landwirtschaft zur Wehr setzen, bedroht nach Ansicht der "
" (FAZ) die Diskussionskultur, von der eine pluralistische Demokratie lebe.
An die Stelle von Argumenten und Empathie träten Empörung und Zerrbilder. Damit schüre der landwirtschaftliche Berufsstand Misstrauen gegen die Institutionen des Staates und der Presse, meint die FAZ in einem ganzseitigen Beitrag, der gestern erschien.
Wut werde so salonfähig. In Zeiten von Pegida und AFD sei das besonders gefährlich. Wie gefährlich eine solche Entwicklung sein könne, zeige die zunehmende Radikalisierung religiöser Extremisten. Die FAZ zitiert einen arabischer Autor, der sieben Eskalationsstufen auf dem Weg zur Gewalt definiert habe. Es beginne mit der Gruppenbildung gemeinsam Empörter, steigere sich über mehrere Stufen der Abgrenzung bis zum Gefühl bedroht zu sein und Vergeltung üben zu müssen. Die letzte und siebte Stufe heiße dann "Gewalt ist der einzige Weg."
Recht unvermittelt leitet der Artikel dann auf die Landwirtschaft über, wo die FAZ ebenfalls eine bedenkliche Diskussionskultur sieht. Als Beispiel führt die Zeitung die Auftritte und Aktionen von DBV-Vizepräsident Werner Schwarz an. Dieser attackiere "öffentlich und frontal" nicht nur die Medien, sondern die politische Klasse. So habe sich Schwarz öffentlich gefragt, welche Qualifikation die Meinungsmacher hätten, die die Landwirtschaft kritisierten. Und darüber hinaus habe er in der Vergangenheit behauptet, dass Politik und Nichtregierungsorganisationen scheinbar demokratisch legitimiert das System der Landwirtschaft umdrehten.
Gescholten wird auch top agrar online. Nicht für seine Berichterstattung sondern für einen Kommentar, der einige grobe Fehler aus der Berichterstattung über die Landwirtschaft aufs Korn nimmt. Dieser bediene das rechte Klischee von der "Lügenpresse", wirft die FAZ top agrar online vor. „Die Landwirte sehen sich bedroht durch lügende Eliten“, so wertet die FAZ einen Kommentar wie diesen. Dass "kleine Fehler", bei dem z. B. aus dem Pflanzenschutzmittel Glyphosat ein Düngemittel oder aus einer Gülledüngung eine Pflanzenschutzbehandlung gemacht wird, die negative öffentliche Meinung über den ganzen Berufsstand verstärken können, will die Zeitung dagegen nicht erkennen.
Am Ende des Beitrags kommt die FAZ aber zum Kern des Problems: "Viele Landwirte sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Die Anzahl der Höfe halbierte sich infolge des Strukturwandels in 20 Jahren. Tausende Höfe werden in diesem Jahr wegen der sehr niedriger Preise schließen müssen. Es herrscht Unsicherheit." Dieser Feststellung wird niemand widersprechen. Die Bauernverbände drückten sich dennoch beharrlich darum, grundsätzlich zu diskutieren, wohin der Weg der Landwirtschaft gehen soll, zitiert die FAZ zum Schluss den Chefredakteur eines Fachblatt.
top agrar meint
Eine solche Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft könnte der Branche in der Tat gut tun:
- Sie könnte das wachsende Unbehagen und die steigende Unsicherheit vieler Bauern, wie es mit ihnen und ihrem Berufsstand in Deutschland weitergehen soll, auffangen und dafür zumindest eine Diskussionsplattform bilden.
- Sie könnte der Gesellschaft deutlich machen, dass der Berufsstand intern intensiv über den besten Weg für die Zukunft ringt und damit ein Ansatz für weniger Konfrontation und mehr Dialog sein.
Das ist schade, denn der Beitrag enthält durchaus Punkte, die zum Nachdenken anregen. Der Einstieg in den Artikel, im dem der Autor am Beispiel religiöser Extremisten die sieben Eskalationsstufen auf dem Weg zur Gewalt beschreibt, um dann unvermittelt zur Situationsbeschreibung des Verhältnisses von Landwirtschaft und Gesellschaft zu kommen, ist jedenfalls in keinster Weise akzeptabel sondern völlig daneben.